Derzeit wird ein enormer Tiefpunkt der transatlantischen Beziehungen – falls es die überhaupt noch gibt – wahrgenommen. Die Washington Post berichtete am 18. April, dass seit dem Amtsantritt von Donald Trump am 20. Januar 2025 deutlich weniger Touristen in die USA kommen. Die Reisebranche befürchtet Milliardenverluste. »Berichte über Inhaftierungen und Abschiebungen, einschließlich der wochenlangen Inhaftierung europäischer Touristen, haben Ängste verursacht«, erklärt die amerikanische Hauptstadtzeitung. Laut Daten der International Trade Administration, einer dem US-Handelsministerium unterstellten Behörde, ist die Zahl der ausländischen Besucher im März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fast zwölf Prozent zurückgegangen. Die Einreisen aus Deutschland nahmen besonders drastisch ab: mit minus 28 Prozent um mehr als ein Viertel.
Das Auswärtige Amt verkündet auf seiner Webseite immer noch: »Die transatlantische Partnerschaft ist neben der europäischen Integration ein zentraler Pfeiler der deutschen Außenpolitik. Die USA und Kanada zählen zu Deutschlands engsten Verbündeten außerhalb Europas.« Mag sein. Es fühlt sich aber seit Trumps zweitem Amtsantritt anders an.
Es gab immer wieder Spannungen zwischen Deutschland und den USA.
Doch Spannungen gab es immer wieder zwischen Deutschland und den USA. Eine, die bekannt geworden ist, ist die Auseinandersetzung zwischen dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt und dem amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter. Am Rande des Wirtschaftsgipfels am 21. Juni 1980 in Venedig verlor Schmidt in einem vertraulichen 90-Minuten-Gespräch die Fassung. Grund der Auseinandersetzung war die zögerliche Haltung Carters, die atomaren Mittelstreckenraketen »Pershing II« als Abschreckung gegen die sowjetischen SS20-Raketen in Europa zu stationieren. Dies erfolgte erst unter Carters Nachfolger Ronald Reagan im Jahr 1983. Schmidts Geduld mit Carter war im Sommer 1980 aufgebraucht. Er schrie ihn nicht nur an, sondern ließ dem amerikanischen Präsidenten Augenzeugen zufolge auch wissen, dass er ihn für naiv und intellektuell unterbelichtet halte. Carter soll später geäußert haben, das Treffen mit Schmidt sei das unangenehmste gewesen, das er je mit einem Staatschef erlebt habe.
Auch zwischen Gerhard Schröder und George W. Bush kam es zu einem tiefen Vertrauensbruch. Als Schröder nach dem islamistischen Terroranschlag vom 11. September 2001 im Januar 2002 nach Washington reiste, gab es laut den Memoiren von Bush ein gemeinsames Abendessen, bei dem Schröder dem amerikanischen Präsidenten zugesagt habe, sich mit »militärischer Unterstützung« an der Irak-Invasion im darauffolgenden Jahr zu beteiligen. Bush schrieb in seinen Erinnerungen, dass er sich von dem deutschen Bundeskanzler später getäuscht sah. Denn dieser bezeichnete später die US-Invasion im Irak als »Abenteuer«, an dem er die Bundeswehr nicht beteiligen wollte. Auch zwischen Angela Merkel und Barack Obama knirschte es. 2013 wurde bekannt, dass der amerikanische Geheimdienst NSA seit 2010 Merkels Handy abhörte – mit Wissen des Präsidenten. »Abhören unter Freunden, das geht gar nicht«, äußerte sich daraufhin Merkel.
»Kann es zwischen Staaten überhaupt ›Freundschaften‹ geben?«
Kann es zwischen Staaten überhaupt »Freundschaften« geben? Wohl eher nicht, wie der Abhörskandal zutage brachte. Was aber denken jene Amerikaner, die nicht in der Politik aktiv sind über Deutschland und die Deutschen? Als negative Stereotype kursieren: Deutsche sind unfreundlich, direkt, ernst, unentspannt und humorlos. Wer auf dem Gehweg parkt, wird behandelt, als sei er Che Guevara. Außerdem seien Deutsche unflexibel, von Ordnung und Regeln besessen und wollen sich gegen alle möglichen Unbilden des Lebens versichern. Als vielleicht etwas wertneutraler werden angeführt: Deutsche seien Pünktlichkeitsfanatiker. Autos, Vorgärten und die Mülltrennung würden wie Fetische behandelt.
Preußen lässt grüßen
»Deutsche sind normalerweise ziemlich kühl im Umgang, bis man sich mit ihnen anfreundet«, meint etwa John Proctor von der Indiana University, der angibt, ein Jahr in Deutschland gelebt zu haben. »Das stereotype Bild vom Leben in Deutschland ist zudem: der Mann trägt Lederhosen, die Frau ein Dirndl. Beide springen mit einem riesigen Krug Bier in der Hand über grüne Alpenwiesen«, beschreibt die Website toriboeck das begrenzte Wissen der Amerikaner. Und erklärt gleichzeitig, dass das Bayern-Image fälschlicherweise das Bild über ganz Deutschland prägt. Auffällig ist aber: Wenn negative Stereotype genannt werden, beziehen sich diese ausschließlich auf einstige preußische Verhaltens- und Lebensweisen. Somit könnte den Amerikanern selbst auffallen, dass ihre Urteile und Vorurteile nicht stimmen können. Dies ist aber nicht der Fall. Genauso wenig wie umgekehrt. Fest steht: Das amerikanische Image von Deutschland gleicht einer Karikatur.
Sorgen über Deutschland machte sich die New York Times (NYT) nach der Bundestagswahl im Februar. Am 22. März titelte das amerikanische Leitmedium vielsagend: »In Deutschland, das von den USA als Waisenkind zurückgelassen wurde, weicht der Schock der Tat«. Die NYT bezog sich mit ihrem Titel darauf, dass »mehr als 34 Prozent der Deutschen für Parteien mit ausgeprägter antiamerikanischer Gesinnung« abgestimmt hätten. Aber auch darauf, dass Präsident Trump mit seiner anti-europäischen (Zoll-)Politik Deutschland sich selbst überlassen habe. Bewusst oder unbewusst stellt die NYT damit Deutschland als politisches Kleinkind dar, das, kaum von den Eltern (den USA) alleine gelassen, sofort wieder in alte Muster von vor 1945 zurückfällt. Denn die Zeitung schreibt weiter: »Kein Land in Europa ist so sehr ein Produkt aufgeklärter amerikanischer Nachkriegsdiplomatie.« Und dennoch würde in Deutschland zunehmend »gegen Amerika abgestimmt«.
In der Kritik der NYT schwingt eindeutig mit, dass Deutschland gegenüber den USA undankbar sei. Das ist ein Tenor, den auch Trump, der kein Freund der NYT ist, häufig gegenüber allen möglichen Staaten anschlägt. Gerade der Verlauf des vergangenen Jahrhunderts hat den Amerikanern schmerzlich vor Augen geführt, dass ohne ihre Einmischung kein Weltfrieden möglich scheint. Allerdings wird ihnen dafür nicht jener Dank entgegengebracht, den sie als gebührend empfinden. Trump ist nur derjenige, der dieses Gesamtempfinden prominent zum Ausdruck bringt.
Deutschland erscheint den USA nicht als gleichwertiger Partner.
Einer Umfrage des amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center (PRC) vom vergangenen Herbst zufolge sehen die Amerikaner außerdem nicht Deutschland, sondern Großbritannien als den engsten Verbündeten der USA in Europa. Das mag auch damit zu tun haben, dass die USA immer noch 37.000 Soldaten in Deutschland stationiert haben, 80 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Damit erscheint – bewusst oder unbewusst – Deutschland nicht als gleichwertiger Partner, sondern als ein Staat, auf den man im doppelten Sinn des Wortes aufpassen müsse.
Allerdings scheint sich hier seit Kurzem eine Wende anzubahnen. Donald Trump erwägt, US-Truppen aus Deutschland abzuziehen, zugunsten der Verteidigung Taiwans vor einem möglichen Angriff Chinas. Dies deutete ein internes Pentagon-Dokument an, das im März 2025 bekannt geworden ist.
Trump dominiert das USA-Bild der Deutschen
In Deutschland wurde medial der klare Wahlsieg Donald Trumps als Überraschung wahrgenommen. Zuvor hatten sich namhafte Vertreter der Regierungsparteien und der Union eindeutig für die demokratische Kandidatin Kamala Harris ausgesprochen. Die negative Bewertung Trumps ist einer jüngsten Studie zufolge »in Deutschland wesentlich stärker ausgeprägt als in anderen europäischen Ländern«.
Dies mag auch auf die Berichterstattung zurückzuführen sein. Einer Untersuchung der Harvard University aus dem Jahr 2017 zufolge habe beispielsweise die deutsche Tagesschau der ARD bereits über die erste Amtszeit Trumps weltweit am negativsten berichtet. Selbst US-Medien, die den Demokraten nahestehen, wären weniger kritisch gegenüber Trump gewesen. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser in Deutschland teils mit Empörung aufgenommenen Studie der renommierten amerikanischen Universität lässt sich indes feststellen, dass kein Tag vergeht, ohne dass deutsche Leitmedien kritisch über den amerikanischen Präsidenten berichten. Steter Tropfen höhlt den Stein.
Dies liegt indes hauptsächlich im Naturell Trumps selbst begründet. Anders als der sich charmant präsentierende Demokrat Barack Obama, für den ebenfalls »Amercia First« galt, gibt sich Trump imperial, ja verkörpert in Gestik, Gesichtsausdruck (vorgeschobenes Kinn) und Auftreten sogar Züge des einstigen italienischen Diktators Benito Mussolini. Hinzu kommen seine dreist erhobenen Gebietsansprüche auf Grönland und Kanada. Die offene Kumpanei mit dem russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin sorgt in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung für Fassungslosigkeit und Ärger und fördert somit eine neue anti-amerikanische Stimmung.
Wenn die Amerikaner von Deutschland nach 80 Jahren immer noch Dankbarkeit für die Befreiung vom Nationalsozialismus erwarten, so fühlen sich die Deutschen nunmehr von der neuen amerikanischen Regierung betrogen. Betrogen um eine bis dahin empfundene und häufig in Statements auf beiden Seiten des Atlantiks betonte »Wertegemeinschaft«, die beispielsweise die NATO darstellt. Es ging bisher bei dem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis nie nur um Militär. Die NATO stand auch für die viel zitierte »Freie Welt«, für Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität Gleichgesinnter. Damit ist seit Trumps Androhung, Europa nur noch bedingt oder gar nicht mehr mit amerikanischen Truppen verteidigen zu wollen, Schluss. Kein Wunder also, wenn Deutsche morgens aufwachen und sich als erstes fragen: »Was hat er heute Nacht (aufgrund der Zeitverschiebung) wieder angestellt?«
Standen bis zu Trumps erster Amtszeit verzerrte Klischees über Amerikaner im Vordergrund, die diese – vereinfacht ausgedrückt – als ständige BigMac-Verzehrer, Cowboys und Waffennarren charakterisierten, kulminiert die Sicht der Deutschen auf die USA nur noch in einer Person: Donald Trump. Was macht er? Was sagt er? Womit droht er? Gibt’s denn keinen, der ihn stoppen kann?
Ein Verhältnis mit den USA auf Augenhöhe gibt es nur gemeinsam mit den Mitgliedern der EU.
Nein. Vielmehr ist jetzt die Stunde für Deutschland gekommen, sich von der seit Jahrzehnten gepflegten Vorstellung zu verabschieden, es befinde sich mit den USA auf Augenhöhe. Deutschland hat die geografische Größe des US-Bundesstaates Montana, die Bevölkerung ist nur zweimal so groß wie die des US-Staates Kalifornien. That’s it! Um das Verhältnis zu den USA auf eine neue Grundlage zu stellen, bleibt nur der Weg, der Europäische Union im Einklang mit seinen Mitgliedern zur Großmacht zu verhelfen. Dann wird sich auch der gegenseitige transatlantische Blick verändern. Nicht mehr die Klischees über die zahlreichen kleinen europäischen Nationen werden im Mittelpunkt stehen, sondern das Ansehen zwischen halbwegs gleichstarken Machtblöcken. Auf diese Weise kann auch das derzeit zerrüttete Verhältnis zwischen den USA und Deutschland, respektive Europa, wieder geheilt werden. So Gott will. Zumindest die Amerikaner stehen zu dem Leitspruch: »In God we trust!«

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