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Editorial

Eine weltweite Welle des »Populismus« scheint zum Kennzeichen dieser Jahre zu werden. Sie erstreckt sich quer über den Globus und führt in den Kernländern Europas zu immenser Irritation. In den USA fegt sie grundlegende Sicherheiten für das Land und für große Teile der Welt hinweg; in Ländern wie der Türkei, Ungarn und Polen bringt sie Rechtsstaat und Demokratie ins Wanken; mit Großbritannien hat sie einen Stützpfeiler der EU hinweggerissen und im schlimmsten Fall könnte sich dies in Frankreich, einem Herzland der EU, wiederholen. Erklärungsversuche dieses unwillkommenen Phänomens schießen überall aus dem Boden, aber der Begriff des »Populismus« ist mit der Häufigkeit seines Gebrauchs immer unklarer geworden. Im Augenblick gibt es daher für die Integration der pluralistischen Gesellschaften und die Stabilität der Demokratie in aller Welt, in Europa zumal, wenig Wichtigeres als die Eindämmung dieser Flut. Es darf nicht als Entwarnung verstanden werden, wenn ihre Kraft und ihr Ausmaß in den einzelnen Ländern stark schwanken. Die Demokratien der Welt brauchen Antworten, die an die Ursachen des Phänomens reichen und es überwinden können. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist die Klärung der Begriffe, die hilft zu unterscheiden, womit und mit wem wir es im Einzelnen unter der allzu weiten Überschrift zu tun haben.

Am Wichtigsten dabei ist zunächst, die Grenzlinie zu ziehen zwischen dem flagranten Rechtsextremismus mit seinen Hauptkennzeichen des Rassismus und der Demokratiefeindschaft auf der einen Seite und jenen Protest- bzw. Wutbürgern auf der anderen, die sich von der großen Politik subjektiv vernachlässigt fühlen und nun ihr Heil in einer plakativen Weltsicht und der dazu passenden simplen Erlösungspolitik à la Trump suchen, die für alles die endgültige Lösung verspricht, aber für nichts brauchbare Vorschläge zu bieten hat. Während die Extremisten hart bekämpft werden müssen, erweisen sich Populisten mit etwas Geduld oft für den Realismus und die Verantwortlichkeit guter Argumente empfänglich, sofern der berechtigte Kern ihrer Kritik ernst genommen wird. Ihre Verbreitung ist oft ein Indikator dafür, dass im Land etwas schiefläuft. Beide, die harten Extremisten und die populistischen Protestbürger in einen Topf zu werfen, freut immer die Extremisten, denn es verleiht ihnen einen Anschein von Legitimität und führt ihnen neue Anhänger zu. Die Analysen, Berichte und Bewertungen in dieser Ausgabe enthalten Vorschläge für sinnvolle Unterscheidungen.

In der Rubrik zur Bundestagswahl erläutert der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im Interview seine Ziele und die Machtoptionen seiner Partei.

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