Veranstaltungsrückblick
Wohin steuert Deutschland? Unter dieser Fragestellung stand die Jahrestagung der Neuen Gesellschaft | Frankfurter Hefte am 18. September in der Alten Pumpe in Berlin.
Martin Schulz, Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung, eröffnete die Veranstaltung, indem er auf die seit den Wahlen des Sommers grundlegende Demokratiegefährdung durch eine wachsende rechtspopulistische bis rechtsextreme Dominanz in manchen Regionen hinwies. Er stellte diese Auseinandersetzung in die Tradition des Kampfes gegen den Faschismus. Anschließend diskutierten unter der Moderation des Chefredakteurs Richard Meng Carsten Brosda, Senator für Medien und Kultur Hamburg, Thorsten Faas, Politikwissenschaftler und Wahlforscher, Nora Sophie Griefahn, Geschäftsführerin Cradle to Cradle NGO, und Petra Pinzler, Hauptstadtkorrespondentin Die Zeit, über Zukunftsszenarien und konkrete Ansätze.
Thorsten Faas hob hervor, dass die junge Generation nicht einheitlich rechts sei, man bei Generationenporträts überhaupt vorsichtig sein müsse. Er sieht eine Vielfalt, die es möglich macht, junge Menschen für die Demokratie zurückzugewinnen. Nora Sophie Griefahn stellte ihr Projekt Cradle to Cradle vor und verbreitete Zukunftshoffnung für die drängende ökologische Frage: Wenn die Menschen es wollen, ist die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft möglich.
Petra Pinzler knüpfte an ihrem neuen Buch an Hat das Zukunft oder kann das weg? an: Eine gute Zukunft braucht neue Fortschrittskonzepte, um Menschen zu erreichen, die über das Erscheinungsbild der Koalition und die Konflikte eher enttäuscht sind. Wichtig ist aus ihrer Sicht ein gemeinsames Projekt, das die drei Fortschrittsparteien wieder zusammen bringt. Im Übrigen müssen liberale Demokratie, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit ohnehin eine Trias für eine moderne Gesellschaft und Wirtschaft bilden, wenn Fortschritt in Zukunft noch möglich sein soll.
Carsten Brosdas Botschaft, seinem neuesten Buchtitel folgend, lautet: mehr Zuversicht wagen, über das tagesaktuelle Politikmanagement hinaus überzeugende positive Erzählungen verbreiten, die in eine bessere Zukunft weisen. Solche Erzählungen sieht er heute schon, man finde sie besonders in der Kultur: sei es in Romanen, auf Theaterbühnen, im Kino, in Songtexten. Eine Erneuerung der Sozialdemokratie, für die alle auf dem Podium plädierten, müsse in diese Richtung gehen, um der verbreiteten Untergangsrhetorik eine positive Kraft entgegenzusetzen.
In der Veranstaltung belebten neue Elemente der Debattenkultur die Diskussion, zum Beispiel ein zugespitztes Pro- und Contra, wie wir es auch in unseren Heften haben, hier auf der Bühne zwischen Petra Pinzler und Thorsten Faas. Auch wenn, wie bei den meisten Themen, die Lösung jenseits eines Schwarz und Weiß liegt. Es kommt auf die Stärkung der parlamentarischen Parteiendemokratie an, aber diese muss ergänzt werden durch alternative Formate - weil die Kluft zwischen Teilen der Gesellschaft und dem politischen Institutionengefüge eine der großen Zukunftsherausforderungen bleibt.
An der anschließenden Diskussion mit dem Publikum ging es auch um die Zukunft der Ampelregierung und darum, was eine Sozialdemokratie anders und besser machen könnte. Wohin steuert Deutschland? Am Ende stand der Aufruf zu demokratischem Engagement an alle. Und dazu, neu anzupacken, statt das Land weiter herunterzureden.