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Editorial

Der Wahlkampf nimmt gerade erst richtig Fahrt auf, in dem dann (hoffentlich) die Karten auf den Tisch gelegt werden. Aber die Massenmedien kennen das Ergebnis schon heute. Es ginge jetzt nur noch um Platz drei, den Platz an der Seite der Union, Gelb oder Grün, verkünden sie in einer abgeklärten Überlegenheit, die jeden als Trottel erscheinen lässt, der das noch anders sieht. Für die SPD ist der Verliererplatz auf der abgeschlagenen Position zwei fest notiert: hoffnungsloser Fall. Rot-Rot-Grün erscheint in und zwischen den Zeilen fast überall als Schreckgespenst, fixiert in der politischen Quarantänestation, unabhängig vom Wahlausgang und davon, was sich DIE LINKE dann vornimmt. Die fast vergessene Tatsache, dass erst der »linke« Ministerpräsident Bodo Ramelow in einem bemerkenswerten »Maut-Bündnis« im Bundesrat dieses CSU-Lieblingsprojekt möglich gemacht hat, hindert weder die Konservativen noch die meisten Mainstreammedien daran, die Kooperation mit der Linkspartei als Teufelswerk zu schmähen und einer Koalition mit der AfD gleichzustellen. Schiere Machtpolitik.

Martin Schulz hat darauf die überzeugende Antwort gegeben: Wähler wählen eine bestimmte Politik und keine Koalition. Die Parteien, mit denen sich der Kern des sozialdemokratischen Programms am besten realisieren lässt, kommen als Koalitionspartner in Frage, wenn sie aus rechtsstaatlichen Demokraten bestehen und eine zuverlässige Bündnispartnerschaft versprechen. Dazu gehören: ein Bekenntnis zum Euro und zum sozialen Europa, Investitionen in soziale Sicherung statt in den Rüstungswettlauf, die Verhinderung von Rentenkürzungen, die Wahrung der außenpolitischen Verpflichtung (einschließlich gegenüber der NATO) und eine gerechtere Steuerpolitik. Neben diesen Minima verpflichtet sich der Kandidat, als Kanzler möglichst viel von seinem Gesamtprogramm umzusetzen, dann freilich nach Maßgabe der erreichten Koalition, etwa das Großprojekt Bürgerversicherung, ein Meilenstein auf dem Weg zur Überwindung der sozialen Ungleichheit, oder einen EU-Finanzminister mit Budget, der der Gesundung des Euro und dem sozialen Ausgleich in der EU neuen Schwung geben könnte.

In dieser Ausgabe bieten wir wiederum aktuelle Analysen und Plädoyers zu den wichtigsten Themen der Wahl, unter anderem auch dafür, wie das Blatt, das die Medien heute vorzeigen, noch gewendet werden kann. Wolfgang Thierse führt noch einmal vor Augen, dass es bei dieser Wahl um viel, sehr viel mehr geht als um das Image von Personen. Vor allem ist seiner Mahnung an die Medien zuzustimmen: »Man sollte der Kanzlerin die Verweigerung von Wahrheit und Klarheit nicht wieder durchgehen lassen.«

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