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Die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz auf die Kultur Alles nur eine Frage des Umgangs?

»Nicht KI ist ein Problem, sondern die Frage des Umgangs mit ihr,« sagte Kulturstaatsministerin Claudia Roth beim Digitalgipfel 2024 der Bundesregierung; so meldete es ihr Amt bei X. Nicht die Atombombe ist ein Problem, sondern die Frage des Umgangs mit ihr, könnte man ironisch erwidern.

Amazon, Apple, Banjo, Facebook, Google, IBM, Intel, Microsoft, Nvidia, OpenAI, SenseTime, X und viele andere arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung von immer »besseren« KI-Produkten, nicht um der Menschheit Gutes zu tun, sondern um Profit zu machen.

Nehmen wir das aktuelle Beispiel OpenAI. Das amerikanische Unternehmen, das ChatGPT entwickelt hat, war 2015 als eine Non-Profit-Organisation gegründet worden. Die gute Idee damals war, KI im Interesse aller zu entwickeln. Doch die erforderlichen Entwicklungskosten konnten nicht aus Spenden aufgebracht werden, weshalb sich das Nonprofit-Unternehmen einer gewinnorientierten Firma angliederte, die unter anderem Microsoft als Investor an Bord holte. Jetzt ist Microsoft der Herr im ganzen Haus.

»KI ist deshalb ein Problem, weil die dahinterliegenden Systeme eine Blackbox sind.«

Und, seien wir ehrlich, weder die Bundesregierung noch die Europäische Union haben zurzeit eine wirkliche Möglichkeit, diese Unternehmen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereiches liegen, an die Kandare zu nehmen. Der Einsatz von KI wird sich nicht aufhalten lassen. Dazu sind die Konzerne, die sehr viel Geld mit dem Einsatz von KI verdienen, zu stark und die Einsparungspotenziale für Unternehmen, die KI-Systeme nutzen, zu groß. KI ist deshalb ein Problem, weil die dahinterliegenden Systeme eine Blackbox sind, vollständig intransparent. Manipulationen durch Unternehmen sind Tür und Tor geöffnet. KI muss regulierbar werden.

Was ist künstliche Intelligenz

Meine erste Begegnung mit Künstlicher Intelligenz oder besser gesagt »Maschinen lernen«, denn Intelligenz hat die KI eindeutig nicht, liegt fast 40 Jahre zurück. Ich habe damals die Programmsprache »Pascal« gelernt. Eine unserer ersten Aufgaben war, einen Gedicht-Generator zu programmieren. Also wir mussten ein Programm schreiben, mit dem aus den in der Datenbank befindlichen Informationen ein Gedicht generiert werden konnte.

»Intelligenz hat die KI eindeutig nicht.«

Zuerst galt es, eine Datenbank anzulegen, die eine Reihe von Begriffen enthielt, die von dem Programm zufällig ausgewählt wurden, um im Rahmen einer von uns vorgegebenen Syntax zu einem Gedicht zusammengesetzt zu werden. Ich weiß heute noch, wie ich mich gefreut habe, wie mit wenigen hundert Zeilen Programmcode dieser Generator mehr oder weniger spaßige Gedichte, mehr DADA als Goethe, generierte. Das ist nun fast 40 Jahre her, und in dieser Zeit haben sich die Möglichkeiten der Programmierung revolutionär weiterentwickelt.

KI gehört entmystifiziert

Mein Rechner damals hatte einen Intel-8086-Prozessor und rechnete mit 29.000 Transistoren, mein heutiger Bürorechner hat einen AMD-Ryzen-7-Prozessor und rechnet mit 4,8 Milliarden Transistoren und ist hoffnungslos veraltet. Gigantische Datenmengen können trotzdem schon von meinem kleinen Bürocomputer bearbeitet werden, aber das ist nichts im Vergleich mit dem Supercomputer Frontier in den USA, der mehr als eine Trillion Gleitkommaoperationen (Zahl mit 18 Nullen) pro Sekunde ausführen kann. Vor 40 Jahren konnte mein Gedicht-Generator nur auf knapp hundert Wörter zurückgreifen. Der Speicher hatte einfach keine größere Kapazität. ChatGPT-3 wurde bereits vor drei Jahren mit 175 Milliarden Parametern trainiert. Mit wie vielen Parametern ChatGPT heute trainiert wird, konnte ich nicht herausfinden, ist wohl ein Unternehmensgeheimnis.

Aber sonst ist die von uns so bewunderte KI von heute, nichts anderes als eine gigantische Superversion meines kleinen Gedicht-Generators. KI muss entmystifiziert werden!

KI und die Kultur

Auch die Nutzung von Maschinen für mehr oder weniger kreative Leistungen ist nichts Neues. Schon seit Langem werden auch in der Musik, Computerprogramme zur Arbeitserleichterung beim Komponieren eingesetzt. KI-Systeme finden ebenfalls in Bibliotheken oder Archiven Anwendung, wenn es darum geht, große Textkonvolute zu durchsuchen und Ergebnislisten zu erstellen. Recherchen nach Texten oder anderen Archivalien können so erleichtert werden und sich die Menschen auf die Arbeiten konzentrieren, die Interpretation und kreative Auseinandersetzung verlangen.

Seine Grenzen findet das Maschinen lernen derzeit noch da, wo es keine Vorbilder gibt, auf die sich die Analyse bezieht. So scheiterte eine vom Fraunhofer-Institut für das Bundesarchiv entwickelte KI, die dazu eingesetzt werden sollte, zerstückelte bzw. zerrissene Stasi-Akten zusammenzusetzen. Da es für die jeweilige Akte kein entsprechendes Vorbild im unzerstörten Zustand gibt, konnten mittels Maschinen lernen die Akten nicht sinnvoll zusammengesetzt werden. Der Mensch mit seiner Intuition ist hier nach wie vor noch (!) im Vorteil.

Eingesetzt wird KI heute schon ganz selbstverständlich im Kulturmarketing und bei der Vorauswahl von Texten oder Drehbüchern. Längst schon arbeiten Buchverlage oder Film- und Fernsehproduktionsfirmen mit KI, um die eingesandten Manuskripte zu sichten und zu prüfen, ob überhaupt ein Vermarktungspotenzial vorhanden ist. Geprüft wird ferner, ob die eingereichten Manuskripte in das Programm der jeweiligen Unternehmen hineinpassen. Die letzte Entscheidung treffen nach wie vor Menschen und da spielt neben rationalen Argumenten auch das »Bauchgefühl« eine nicht unerhebliche Rolle. Doch die KI wird immer einflussreicher.

»Der Einsatz von KI wird sich nicht aufhalten lassen.«

Maschinen lernen findet ebenso Anwendung bei der Entwicklung von Computerspielen. Game-Designer entwickeln die Prototypen, KI reproduziert diese »intelligent«, sodass die unendlich wirkenden Spielwelten entstehen. Maschinen entlasten die Menschen also auch im Kulturbereich von reproduzierenden Aufgaben. Und selbstverständlich wird, wie erwähnt, KI auch in der Musikkomposition eingesetzt. KI wird angewandt und eingesetzt. Das mag einen stören. Da mag man sich drüber ärgern. Es ist ein Fakt. Der Einsatz von KI wird sich auch nicht durch ein Moratorium aufhalten lassen.

Arbeitsmarkt Kultur

KI wird den Arbeitsmarkt und damit auch den Arbeitsmarkt Kultur in der Zukunft massiv verändern. Nachdem in den ersten Stufen der Digitalisierung, dem Einsatz von Robotern in der Industrie vor allem Industriearbeitsplätze verloren gingen, wird die aktuelle Stufe der digitalen Veränderung, der Einsatz von KI, zu einem erheblichen Teil höher qualifizierte Tätigkeiten, die im Kulturbereich die Regel sind, treffen.

»Vielleicht werde ich den Universalübersetzer, den die Crew des Raumschiffs Enterprise benutzt, noch erleben.«

Wer, wie ich, öfter den Google-Translater nutzt, erfährt, um wie viel besser die dahinterliegende KI geworden ist. Waren die Anfänge noch zumeist ein kaum zu verstehendes Kauderwelsch, sind die heutigen Übersetzungen teilweise erstklassig. Und vielleicht werde ich den seit meinen Kindertagen erträumten Universalübersetzer, den die Crew des Raumschiffs Enterprise benutzt, noch erleben. Das vielleicht amüsante Beispiel zeigt, dass gegenwärtig zumindest einfache Übersetzungen immer besser von Maschinen geleistet werden können.

Das bietet Chancen, hat aber massive Folgen für den Arbeitsmarkt von Übersetzerinnen und Übersetzern.

Diese Veränderung trifft gleichermaßen auf Grafikerinnen und Grafiker oder Webdesignerinnen und -designer zu. Natürlich bleibt es dabei, dass herausragende Werke von Menschen kreiert werden. Für Routinen wird aber jetzt schon KI genutzt und einfache Umsetzungen grafischer Herausforderungen werden in der Zukunft zunehmend von KI erledigt werden. Der Mensch wird ersetzbar sein.

Der Arbeitsmarkt Kultur steht also vor riesigen Herausforderungen. Schätzungsweise zehntausende Kulturschaffende, Angestellte wie Selbständige, werden ihre Arbeit verlieren.

Urheberrecht

Die Art und Weise, wie heute Unternehmen KI als Dienstleistung anbieten, ist jedoch nur möglich, weil die KI im Internet zugängliche Texte, Töne und Bilder in großem Umfang abbaut.

Text und Data-Mining, also der Abbau von Texten und Daten, ist eine der Voraussetzungen, damit die Maschinen Texte, Töne und Bilder ordnen bzw. nutzen können. Text und Data-Mining geht heute längst über den wissenschaftlichen Sektor hinaus, sodass es nach meiner Ansicht sehr zweifelhaft ist, ob es von geltenden Schranken im Urheberrecht, die den Abbau dieser Arbeiten erlaubt, gedeckt ist. Als Deutscher Kulturrat fordern wir deshalb entsprechende Lizensierungs- bzw. Vergütungsmodelle. Für mich steht fest, es kann nicht sein, dass Unternehmen urheberrechtlich geschützte Werke abbauen und damit Geld verdienen und die Rechteinhaber leer ausgehen.

»Es kann nicht sein, dass Unternehmen mit urheberrechtlich geschützten Werken Geld verdienen und die Rechteinhaber leer ausgehen.«

Urheberinnen und Urheber, ausübende Künstlerinnen und Künstler, Unternehmen, die künstlerische Werke verwerten, sie alle leben von den kreativen Leistungen. Sie haben nichts zu verschenken. Ihre Arbeit und ihre Investitionen müssen adäquat vergütet werden.

Eine gute Kulturwirtschaftspolitik muss dies im Blick haben. Sie muss die Geschäftsmodelle der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Mittelpunkt rücken und nicht die der Tech-Unternehmen.

Der Markt kann nur funktionieren, wenn die Voraussetzungen, mit Kunst und Kultur Geld zu verdienen, nicht untergraben werden.

Was sagt ChatGPT dazu?

»Wird der Kulturbereich durch KI bedroht?« habe ich ChatGPT gefragt und um eine kurze Antwort gebeten. »Nein«, antwortete mir ChatGPT, im Gegenteil. Künstliche Intelligenz (KI) kann im Kulturbereich als kreatives Werkzeug eingesetzt werden und neue Möglichkeiten für Kunst, Musik, Literatur und andere kulturelle Ausdrucksformen schaffen.«

Na dann, können wir doch alle beruhigt sein. Oder?

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