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Die neue Regierungskoalition in Österreich macht eine erstaunlich gute Figur Allianz der Vernünftigen

Kurz zur Erinnerung: Bei den Wahlen Ende September 2024 wurde die ultrarechte Freiheitliche Partei (FPÖ) stärkste Kraft. Angeführt von Herbert Kickl, dem Björn Höcke Österreichs, erreichte sie 28,8 Prozent der Stimmen, knapp gefolgt von den Konservativen und den Sozialdemokraten, die etwas deutlicher abgeschlagen folgten. Nach einigem Hin und Her nahmen die drei Parteien der Mitte – ÖVP, SPÖ und NEOS – Regierungsverhandlungen auf, die aber im Januar völlig überraschend in einem Fiasko endeten. Die ÖVP machte daraufhin eine 180-Grad-Wende, erklärte sich bereit, als Juniorpartnerin in eine Regierung unter Kickl einzutreten, der Bundespräsident erteilte dem FPÖ-Boss mangels besserer Optionen den Auftrag zur Regierungsbildung. Es war ein Schock. Ein bisschen auch erstarrte das Land. Eine Regierungsbildung und der Antritt einer Rechts-ultrarechts-Koalition schien nur mehr Formsache. Kickls Truppe strahlte vor lauter überzogener Euphorie. Das Abgleiten Österreichs in ein autoritäres Regime Marke Orbán schien schon wie eine ausgemachte Sache.

Verfrühter Triumphalismus

Dann scheiterten auch diese Verhandlungen, vor allem weil der Radikalinski Kickl sein Blatt überreizte und über seine größte Schwäche – die Kompromissunfähigkeit – stolperte. Die ÖVP machte daraufhin eine neuerliche Wende, und diesmal klappten die Verhandlungen zwischen Konservativen, SPÖ und NEOS. Der Januar-Schock saß allen noch in den Gliedern und machte nun alle Seiten konzilianter – und auch verantwortungsbewusster.

Doch die größte Überraschung kam noch. Mehrfach zerzauste Parteien schleppen sich mit letzter Kraft über die Ziellinie, um eine Notkoalition mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu bilden – so in etwa hätte das ein Großteil der Beobachter Ende Februar erwartet. Aber die neue Dreierkoalition machte von Beginn an eine erstaunlich gute Figur. Christian Stocker, der großväterliche neue ÖVP-Chef und Bundeskanzler, der die Parteiführung übernehmen musste, weil er anders als die Alternativkandidaten nicht bei drei auf den Bäumen war – er strahlt Gelassenheit, Besonnenheit und ein bisschen Humor aus. Auch im Rest des ÖVP-Teams gibt es herzeigbare Leute, die NEOS haben ihre Parteichefin, Beate Meinl-Reisinger, ins Außenministerium geschickt. Vor allem aber das Team der SPÖ überraschte. Als Finanzminister wurde der prominente progressive Ökonom Markus Marterbauer bestellt, als Justizministerin die famose, bisherige Vizepräsidentin des Verwaltungsgerichtshofs, Anna Sporrer, als Frauen- und Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner, eines der größten Polit-Talente der jüngeren Generation. Als Infrastrukturminister wurde der Pragmatiker Peter Hanke nominiert, bisher Finanzstadtrat in Wien.

»Politisches Showmastertum hat offensichtlich ausgedient.«

SPÖ-Chef Andreas Babler wurde nicht nur Vizekanzler, sondern übernahm die Ressorts Kunst, Kultur, Wohnen und Sport. Am markantesten hat sich die Tonalität der Politik geändert. Politisches Showmastertum, wie man es in jüngerer Zeit etwa von Sebastian Kurz gewohnt war, oder die Herrschaft der simplen Phrasen, die nur auf Schlagzeilen abzielen, all das hat jetzt einmal offensichtlich ausgedient. Die Minister und Ministerinnen sowie der Kanzler kommunizieren sachlich und ohne große Töne zu spucken oder wüst auf die Trommel einzuschlagen. Vielleicht, weil die Dauererregtheit und das Aufreizen der politischen Leidenschaften sowieso schon alle ermüdet. Aber die neue Regierung steht auch vor einem Gebirge an Problemen. Das Land ist das dritte Jahr in einer Rezession. Österreichs Wirtschaft hat während der vergangenen Inflationsjahre an Wettbewerbsfähigkeit verloren, vor allem wegen des Anstiegs der Energiepreise und der daraufhin einsetzenden Preis-Lohn-Spirale.

Österreichs Industrie hat nicht bloß konjunkturelle, sondern strukturelle Probleme…

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