Gegenwärtig gibt es weltweit so wenige Demokratien wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Autokratische, theokratische und andere nicht-demokratische Regierungen sind auf dem Vormarsch. Dies wurde nicht nur in den umstrittenen Präsidentschaften von Jair Bolsonaro in Brasilien (2019–2022) und Donald Trump in den USA (2017–2021) oder der Ministerpräsidentschaft von Viktor Orbán in Ungarn (1998–2002 und seit 2010) auf eindringliche Weise deutlich. Dabei stellt sich die Frage: Warum sind gerade rechte Parteien und Bewegungen weltweit so erfolgreich, auch in etablierten Demokratien? An welche Gefühle und Motive appellieren die globalisierten Backlash-Bewegungen und was motiviert die Wähler:innen, sie zu unterstützen?
Im Zuge des Erfolgs rechter Politik ist eine der beständigsten und allgemeinsten Beobachtungen der sogenannte Radical Right Gender Gap (R2G2 oder RRGG) – weltweit unterstützen eher Männer als Frauen rechte Bewegungen und Parteien. In den USA wählen Frauen eher demokratisch, Männer eher republikanisch. Donald Trump wurde 2020 von 53 Prozent der Männer gewählt, aber nur von 42 Prozent der Frauen. In Deutschland ist die AfD nicht nur die Partei mit dem geringsten Frauenanteil (19 Prozent) aller Parteien im Bundestag, auch ihre Wählerschaft ist überwiegend männlich.
R2G2 kann auf zwei Wegen untersucht werden. Erstens kann man der Frage nachgehen, warum Frauen sich von rechtspopulistischen Parteien und Politikern weniger angesprochen fühlen. Forschung, die sich mit dieser Frage befasst, konnte beispielsweise zeigen, dass Frauen stärker motiviert sind als Männer, ihre eigenen Vorurteile zu kontrollieren und zu unterdrücken. Deswegen fühlen Frauen sich weniger von rechten Parteien angezogen, deren Kernideologie die Abwertung von Minderheiten ist. Eine andere, bisher unzureichend erforschte Frage ist, warum Männer sich von rechten Parteien und Politikern angezogen fühlen. Hierzu wollen wir auf der Basis einer psychologischen Analyse von Männlichkeit einen Beitrag leisten.
Männlichkeit – ein prekärer Status
Einen Erklärungsansatz bietet die Theorie der prekären Männlichkeit (PMT) von Jennifer Bosson und Joseph Vandello. Die PMT beruht auf der grundlegenden Überlegung, dass Männlichkeit ein Status ist, der ständiger Bestätigung und öffentlicher Beweise bedarf. Aufgrund der Unbeständigkeit der Männlichkeit – so die Annahme der PMT – kann sie verloren gehen. Im Gegensatz dazu wird das Frausein (eher) als natürlich begründet und daher als vergleichsweise stabil und sicher erlebt.
»Der Status als Mann erfordert konstante Aufrechterhaltung.«
Die Forschung zeigt, dass Männer, deren Geschlechterstatus bedroht wird, nach Wegen suchen, ihre Männlichkeit wiederherzustellen, was nachweislich zu einer Vielzahl von kompensatorischen, maladaptiven (also dysfunktionalen) Verhaltensweisen führt. Doch selbst wenn der Status als Mann einmal erreicht ist, bleibt er zerbrechlich und unbeständig und erfordert konstante Aufrechterhaltung. Dies führt zu einer beständigen Angst, ihn zu verlieren.
Das Gefühl von Bedrohung wird dabei durch äußere Einflüsse verstärkt. Männer haben in den vergangenen Jahrhunderten weitgehend eine Vormachtstellung genossen, die heute durch die Moderne und die fortschreitende Gleichstellung der Frauen subjektiv bedroht ist. Besonders ein Teil der weißen heterosexuellen Männer, die Hauptnutznießer der bisherigen Machtkonstellation, fühlt sich durch LGBTQI+-Bewegungen, Frauenquoten und die Diskussion um Gendering bedroht, da diese die bisherige Rollenaufteilung infrage stellen.
Die traditionelle Dominanz des Mannes wird durch Gendering selbst auf sprachlicher Ebene hinterfragt. Darüber hinaus schränken veränderte Normen der politischen Korrektheit den uneingeschränkten Ausdruck von Sexismus, Rassismus und anderen Formen der Abwertung von Fremdgruppen ein, was die Selbstaufwertung der eigenen Gruppe erschweren kann. Vor allem in Staaten wie den USA sehen wir, dass gerade weiße heterosexuelle Männer von dieser Deprivation des Selbstwertes betroffen sind, weil sie ihren zuvor hohen Status als Weißer und Heterosexueller bedroht sehen. Rechte Parteien wie die AfD nutzen ebendiese Verlustängste von Status, Macht und eingebauter Selbstaufwertung aufgrund struktureller Dominanz aus, indem sie einerseits Bedrohungsszenarien kreieren, die die subjektive Gefährdung der Männlichkeit verstärken, um dann andererseits als einzige Partei Wege zur Abhilfe anzubieten. Mit rechten Parteien zu sympathisieren ist also eine Bewältigungsstrategie, um prekäre Männlichkeit zu heilen.
»Durch Teilhabe am rechtspopulistischen Projekt kann der Mann vermeintlich zum Helden seiner eigenen Geschichte werden.«
Wenn Björn Höcke propagiert, dass »Männlichkeit [wiederentdeckt]« werden müsse, um wehrhaft zu sein, greift dies das Bedürfnis nach männlicher Dominanz und Rollenbestätigung auf. Der weiße, heterosexuelle Mann wird als Opfer globaler Veränderungen dargestellt, die ihm seinen »natürlichen« und rechtmäßigen Status streitig machen wollen. Durch Teilhabe am rechten Projekt, so wird suggeriert, kann er aber zum Helden seiner eigenen Geschichte werden, der mutig auf der Seite des vermeintlich guten, ehrlichen Volkes steht, das tapfer den Kampf gegen einen übermächtigen Gegner antritt.
Im Kern rechter Erzählungen steht die Idee, dass das gute Volk (die eigene Gruppe) von oben durch korrupte Eliten und von unten durch aggressive Minderheiten wie Migrantengruppen bedroht wird. Durch die Erzählung des reinen, guten Volkes kann die eigene Identität aufgewertet werden, bei gleichzeitiger Abwertung von Minderheiten und Eliten. Parteien wie die AfD bieten scheinbar einfache Lösungen für komplexe Probleme wie Migration (Abschotten, Ausgrenzen, Abschieben) und suggerieren damit die Bedrohung, die sie selbst skandalisiert haben, abschaffen zu können. Gleichzeitig versprechen die politischen Forderungen von rechten Parteien auch eine praktische Wiederherstellung von Männlichkeit durch Rückkehr zur traditionellen Rollenverteilung, in der die Dominanz des Mannes garantiert wird.
Rechte Brückennarrative
Narrative, die eine Wiederherstellung von angeblich verlorener Maskulinität anpreisen, dienen zusätzlich als sogenannte Brückennarrative. Sie fungieren als identitätsstiftende Erzählungen, die zwischen verschiedenen Gruppen geteilt werden, um so Allianzen und Koalitionen zu ermöglichen. Dabei geht die Erzählung einer wehrhaften, heroischen Maskulinität oft Hand in Hand mit antifeministischen Narrativen. Die Überhöhung der eigenen Gruppe (weiße, heterosexuelle Männer) geht einher mit der Abwertung anderer Gruppen (Frauen, Feminist:innen, Migrant:innen, LGBTQI+, »unmännliche« Männer).
Ein Beispiel dafür, wie diese Narrative verschiedene rechte Gruppierungen verbinden können, ist die Verschwörungserzählung des »großen Austauschs«, die auch beim rechten »Geheimtreffen« in Potsdam im November 2023 den Ausgangspunkt bildete für die menschenverachtende Idee einer massenhaften Ausweisung deutscher Staatsbürger/innen nach rassistischen Kriterien. Diese Erzählung behauptet, dass die weiße Bevölkerung westlicher Länder gezielt durch Migranten anderer Kulturkreise ersetzt werden soll. Sie kann flexibel an lokale Kontexte angepasst werden und verschiedene Bedrohungsszenarien kreieren. Zentrale Elemente sind dennoch Antifeminismus und Männlichkeit.
Der Feminismus wird für den »Bevölkerungsaustausch« verantwortlich gemacht.
Einerseits wird der Feminismus dafür verantwortlich gemacht, dass der Bevölkerungsaustausch stattfinden kann. Er hat angeblich nicht nur dazu geführt, dass Männer keine echten Männer mehr sind, weil Frauen ihnen die Vormachtstellung streitig machen, sondern wird als Grund für niedrige Geburtenraten in westlichen Ländern gesehen. Im Zusammenspiel mit propagierten hohen Geburtenraten von Migrant:innen wird daraus ein »schleichender« Bevölkerungsaustausch propagiert.
Wie hier bereits anklingt, braucht es, um dem entgegenzuwirken, »echte« Männer. Wie Björn Höcke sagt: »Nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft, und wir müssen wehrhaft werden.« Der Feminismus muss bekämpft werden, damit Männer wieder Männer sein können, die den Bevölkerungsaustausch aufhalten können. Diese Erzählung einer vermeintlich heroischen Männlichkeit braucht traditionelle Rollenverteilungen, damit der Mann seine angeblich natürliche Rolle einnehmen kann, und die Frau, die zu Hause am Herd steht und auf die Kinder aufpasst, beschützen kann.
Positive Narrative gegen krude Bedrohungsszenarien
Die Erzählung des großen Austauschs spielte eine maßgebliche Rolle bei den rechtsterroristischen Anschlägen in Christchurch, Pittsburgh, El Paso und Buffalo und wird in verschiedener Form von rechtspopulistischen Politikern in vielen Ländern verbreitet. Sie dient allerdings nicht nur als ideologische Verbindung zwischen rechtsextremistischen Terroristen, und weniger radikalen Politikern und Parteien, sondern ermöglicht ebenso globale Allianzen. So zirkuliert beispielsweise in Indien eine sehr ähnliche Verschwörungserzählung, die einen Austausch der Hindu-Bevölkerung durch Muslime beschwört.
Wenn Männlichkeit ein prekärer Status ist, dann werden Männer stets anfällig sein für (rechte), die Männlichkeit betreffende Bedrohungsszenarien und Lösungsversprechen. Es braucht folglich alternative positive Narrative von Männlichkeit. So könnte es Erzählungen von Männlichkeit geben, die nicht auf Dominanz und Konkurrenz beruhen, sondern darauf, dass der Mann tatkräftige Verantwortung für die Natur und seine Mit-Lebewesen übernimmt. Solche Narrative zu entwickeln und vorzuleben ist eine grundlegende Maßnahme, um dem rechten Durchmarsch entgegenzutreten.
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