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© Markus Spiske/ temporausch.com/Pexels

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Landwirtschaft

Im kürzlich erschienenen Klima-Monitoringbericht der Bundesregierung wird erneut deutlich, dass die globale Erderwärmung auch in Deutschland bereits heute spür- und belegbar ist. Die extreme Dürre der letzten zwei Jahre ist ein Anzeichen hierfür. Auch der Verlust an Artenvielfalt gerade bei Insekten wird durch immer mehr Studien, zuletzt durch die Studie der TU München, aufgezeigt und mahnt uns zum Handeln.

Mit Blick auf diese Herausforderungen wird der Einfluss der aktuellen Bewirtschaftungsform in der Landwirtschaft auf das globale Klima und die Biodiversität sichtbar. Unser Konsum- und Wirtschaftsverhalten verlangt nach immer mehr, von immer entfernteren Orten zu jeder Tages- und Jahreszeit. In der Landwirtschaft führt das zu einem enormen Druck, immer alles frisch in die Ladentheken bringen zu müssen. Im Supermarkt wird unter den Verbraucher/innen ein Kampf um die billigsten Schnäppchen ausgefochten, auf Kosten der Landwirtschaft. Dies führt zu veränderten Handlungszwängen, etwa zu einem massiven Anstieg des Einsatzes von Dünge- und Futtermitteln. Die Nutztierhaltung wurde bereits vor Jahren von der zur Verfügung stehenden Fläche entkoppelt und dem Produktionssystem angepasst. Um dieser Notlage zu entkommen und das Überleben der bäuerlichen Betriebe sicherzustellen, wurden immer höhere Investitionen erforderlich und getätigt, nach dem Motto: wachse oder weiche! Der Strukturwandel ist in der Landwirtschaft insbesondere in den östlichen Bundesländern nach der Wiedervereinigung massiv spürbar und hat in den vergangenen Jahrzehnten zur Aufgabe eines großen Teiles der kleinbäuerlichen Betriebe geführt. Diese wurden durch größere Betriebe ersetzt, mit der Konsequenz einer weiteren Konzentrierung und Spezialisierung. Ein Teufelskreis. Doch die Bevölkerung ist mehrheitlich für eine kleinbäuerliche Landwirtschaft und für eine besondere Unterstützung der bestehenden kleinen und mittleren landwirtschaftlichen Betriebe.

Die Landwirtinnen und Landwirte können erheblich zur Bewältigung der bestehenden Probleme beitragen. Die Landwirtschaft muss nachhaltiger und im Einklang mit der Umwelt arbeiten. Eine nachhaltige Landwirtschaft soll genügend Lebensmittel sowie nachwachsende Ressourcen zu fairen Preisen für Erzeuger und Verbraucher produzieren, bei gleichzeitig schonender Nutzung natürlicher Ressourcen wie Boden, Wasser, Luft und Biodiversität. Doch die Vorstellungen darüber, wie der Weg hin zu einer nachhaltigen Landwirtschaft aussehen könnte und welche Instrumente dafür als notwendig erachtet werden, sind sehr verschieden.

In der Diskussion um mehr Umwelt- und Tierschutz darf der Verbraucher nicht aus seiner Verantwortung entlassen werden. Zahlreiche Studien zeigen zwar eine Bereitschaft der Menschen, mehr für höhere Umwelt- und Tierschutzstandards ausgeben zu wollen, doch das Kaufverhalten spiegelt diese Einstellung (noch) nicht wider. Die Verantwortung kann andererseits aber auch nicht ausschließlich auf die Verbraucherinnen und Verbraucher abgeschoben werden. So führt die Marktmacht der vier großen Einzelhandelskonzerne dazu, dass der Preisdruck entlang der Produktionskette zu den einzelnen Landwirtinnen und Landwirten weitergereicht wird. Die Politik ist daher in der Verantwortung, die Weichen für die Lebensmittelproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu stellen und an den Nachhaltigkeitsprinzipien auszurichten.

Es stellt sich die Frage, wie ein effektiver Umwelt-, Klima- und Tierschutz mit den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie mit denen der Landwirtinnen und Landwirte zusammengebracht werden kann. In welchen Bereichen genügen gezielte politische Anreizsysteme und wo ist eine Ordnungspolitik notwendig?

Diese Fragen führen aktuell zu angespannter Stimmung in der Landwirtschaft – und zu den bundesweiten Bauernprotesten. Bei vielen Landwirtinnen und Landwirten herrschen Verunsicherungen und Zukunftsängste vor, die die Sozialdemokratie sehr ernst nehmen sollte. Die Spannungen, die sich aufgebaut haben, liegen vor allem an den Differenzen zwischen den Erwartungen der Gesellschaft, wie Landwirtschaft betrieben werden soll und wie die landwirtschaftliche Praxis vor Ort aussieht. Die Unzufriedenheit in der Landwirtschaft wird aber auch vom Bodenmarkt, niedrigen Erzeugerpreisen und bürokratischen Verpflichtungen verstärkt, vor allem aber durch die rückläufige Wertschätzung der Gesellschaft für ihre erbrachten Leistungen. Nicht zu unterschätzen ist bei der gesamten Diskussion auch die Rolle des Deutschen Bauernverbandes, welcher die Interessen der Landwirtinnen und Landwirte vertreten soll. Diese ausgewogene Interessensvertretung gelingt dem Bundesverband immer weniger.

Das Agrarpaket der Bundesregierung setzt sich aus dem Aktionsprogramm Insektenschutz, dem Tierwohllabel und der Umschichtung der Direktzahlungen für das Jahr 2020 zusammen. Aufgrund des dramatischen Verlustes an Biodiversität gerade bei Insekten wurde das Aktionsprogramm Insektenschutz ins Leben gerufen. Ziel ist eine Trendumkehr. Die Ursachen für das Insektensterben sind vielfältig, deshalb müssen die Lösungsansätze dementsprechend sein. Das bisherige Maßnahmenpaket beinhaltet neun Handlungsbereiche, in denen die wesentlichen Ursachen des Insektenschwunds adressiert werden, dazu werden neben der Landwirtschaft auch Bereiche wie die Siedlungsentwicklung, Lichtverschmutzung sowie Garten- und Verkehrsflächen in die Bemühungen um den Insektenschutz mit eingebunden.

Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass der Landwirtschaft als größtem Flächennutzer mit rund 50 % Flächenanteil eine besondere Rolle zukommt. Denn der Verlust an Lebensräumen durch die Intensivierung der Landwirtschaft und der Belastung durch Pflanzenschutzmittel trägt wesentlich zum Insektenschwund bei und darf nicht relativiert werden. Die Landwirtinnen und Landwirte dürfen jedoch nicht zum Sündenbock gemacht werden, denn eine pauschale Schuldzuweisung ist falsch und bringt den Diskurs nicht voran. Im Gegenteil, viele Landwirte tragen schon heute durch verschiedene Agrarumweltmaßnahmen zur Artenvielfalt und zum Klimaschutz bei. Die künftigen Herausforderungen im Umwelt- und Klimaschutz können nur gemeinsam mit der Landwirtschaft gelöst werden.

Die zweite Maßnahme im Agrarpaket ist das Tierwohlkennzeichen, welches praktikable Kriterien für mehr Tierwohl liefern und dem Verbraucher mehr Orientierung und Transparenz ermöglichen soll. Die Forderung der SPD-Bundestagsfraktion ist eine verpflichtende Kennzeichnung mit einem Einstieg, der dem gesetzlichen Standard entspricht, die gesamte Verarbeitungskette miteinbezieht und für alle Tierarten gilt und eben nicht nur ein freiwilliges Label für unverarbeitetes Schweinefleisch beinhaltet. Ein umfassendes Tierwohllabel ermöglicht den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine fundierte Entscheidung und bietet mehr Transparenz.

Die erste konkrete Maßnahme des Agrarpakets, das Direktzahlungsdurchführungsgesetz, wurde im November 2019 im Bundestag auf Empfehlung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft angenommen. So hat die SPD-Bundestagsfraktion erfolgreich dafür gesorgt, dass für das Jahr 2020 aus der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union (GAP) 6 % statt bisher 4,5 % in die zweite Säule überführt werden. Das entspricht ungefähr 75 Millionen Euro zusätzlich pro Jahr für die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, den ökologischen Landbau und Tierschutzmaßnahmen. Darin enthalten sind auch Mittel für die Entwicklung ländlicher Räume.

Abschließend stellt sich die Frage, wie eine umweltgerechte und zukunftsfähige Landwirtschaft gestaltet werden soll. Eine nachhaltige Landwirtschaft setzt sich aus den drei Dimensionen der gesellschaftlichen Akzeptanz, der ökologischen Stabilität und der ökonomischen Tragfähigkeit für alle im Prozess Beteiligten zusammen. Für die Bildung eines Gleichgewichts zwischen den Dimensionen müssen die unterschiedlichen Interessen- und Zielkonflikte der Akteure zusammengebracht und durch einen konstruktiven Dialog Kompromisse geschaffen werden. Dafür muss gemeinsam mit den verschiedenen Akteuren der Wertschöpfungskette und der Zivilgesellschaft eine nationale Vision der zukünftigen Landwirtschaft gestaltet werden. Darüber hinaus benötigen wir einen dialogischen Ansatz zwischen der Landwirtschaft und den Umweltverbänden auf allen Ebenen, um sinnvolle Lösungsansätze für die bestehenden Probleme direkt vor Ort zu entwickeln. Für eine bessere Finanzierung von Ökosystemdienstleistungen muss das derzeitige europäische Agrarfördersystem reformiert werden, ganz nach dem Motto: öffentliche Gelder für gemeinwohlorientierte Leistungen!

Die Agrarfördermittel sollen nicht grundsätzlich gekürzt werden, sondern an Kriterien ausgerichtet werden, die den Menschen in den ländlichen Regionen sowie dem Tier- und Umweltschutz zugutekommen. Die Lebensmittelverschwendung muss drastisch reduziert werden. In Deutschland geht etwa ein Drittel der Lebensmittel auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren. Dadurch werden wertvolle Ressourcen wie Ackerflächen oder Wasser verschwendet und es kommt zum unnötigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Mineral- und Wirtschaftsdünger oder aber auch Futtermitteln.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Förderung des ökologischen Landbaus, da es sich um eine besonders ressourcenschonende und umweltverträgliche Wirtschaftsform, die sich am Prinzip der Nachhaltigkeit orientiert, handelt. Der ökologische Landbau dient als Innovationsmotor, von dem die konventionelle Landwirtschaft lernen kann. Daher ist das Ziel, dass bis zum Jahr 2030 in Deutschland die ökologisch bewirtschafteten Flächen 20 % betragen sollen, der richtige Weg. Darüber hinaus müssen die verbleibenden 80 % der landwirtschaftlichen Fläche nachhaltiger bewirtschaftet werden. Für die Umsetzung sind die flächengebundene Nutztierhaltung, eine regionale Kreislaufwirtschaft, eine Ausweitung der Fruchtfolgen und der integrierte Pflanzenschutz notwendig. Regionale Wertschöpfungsketten müssen gestärkt werden, indem die dafür notwendigen Infrastrukturen für die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte wieder ausgebaut werden, nach dem Prinzip: nachhaltig produzierte Lebensmittel aus der Region für die Region.

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