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Ein neues Programm allein wird der CDU nicht zu neuen Wahlerfolgen verhelfen Auf der Suche

Die CDU hat eine turbulente jüngere Vergangenheit hinter sich. Amtierten in den 45 Jahren zwischen 1973 und 2018 drei Parteivorsitzende (Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble und Angela Merkel), so folgten darauf in den letzten kaum mehr als 45 Monaten ebenfalls drei Vorsitzende (im Dezember 2018 übernahm Annegret Kramp-Karrenbauer, im Januar 2021 Armin Laschet; schließlich und im dritten Anlauf im Januar 2022 Friedrich Merz).

Die Wechsel von Merkel zu Kramp-Karrenbauer und dann zu Laschet hatten Wählerschaft und Mitglieder partiell verunsichert und mit dazu beigetragen, dass die CDU als Verliererin aus der Bundestagswahl 2021 hervorging. Friedrich Merz und der neu gewählten Parteiführung kommt nun die Aufgabe der Konsolidierung und Neuaufstellung der Partei zu. Wie weit ist dieser Prozess bislang gediehen? Auf welchem Weg befindet sich die CDU? Welche Perspektiven hat die Partei in ihrer derzeitigen Oppositionsrolle mit Blick auf die Rückeroberung des Kanzleramts?

Betrachtet werden sollen vier Ebenen des Parteihandelns: die programmatisch-inhaltliche Seite, die organisatorische, die personelle und schließlich die Rolle beziehungsweise Position im Parteienwettbewerb.

Inhaltlich-programmatisch ist zunächst festzuhalten, dass sich die Partei im Prozess der Aufstellung eines neuen Grundsatzprogramms befindet, welches das im Jahr 2007 in Hannover beschlossene ersetzen soll. Die Verabschiedung ist für den Parteitag im kommenden Jahr geplant. Wichtige Weichen dafür sollen in 2023 gestellt werden, dem »Jahr der inhaltlichen Erneuerung«, wie es der für die Programmentwicklung zuständige stellvertretende Parteivorsitzende Carsten Linnemann formulierte.

Eine breite Mehrheit wünscht Orientierung an christlichen Werten.

Dazu hat die CDU eigens ihre Mitglieder befragt, um herauszufinden, welche inhaltlichen Aspekte diese favorisieren. Nach eigenen Angaben haben immerhin fast 66.000 der mehr als 380.000 Mitglieder an dieser unverbindlichen Befragung teilgenommen. Die teilnehmende Mitgliedschaft spricht sich dabei indirekt für die Beibehaltung des »C« im Namen aus, da immerhin 77,7 Prozent sich eine Orientierung der Partei an christlichen Werten und Überzeugungen wünscht. Die direkt nach der verlorenen Bundestagswahl 2021 vorgetragene Idee, das »C« aus dem Namen herauszunehmen, dürfte damit ad acta gelegt werden.

Die Resultate der Befragung sollen kurz skizziert werden, da sie wichtige Hinweise auf die Befindlichkeiten der CDU liefern. Die europäische Integration wird grundsätzlich positiv bewertet, mehr als die Hälfte der Mitglieder spricht sich für eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten aus. Wenig überraschend treten die Mitglieder mehrheitlich für eine Stärkung der inneren Sicherheit, für eine restriktivere Zuwanderungs- und Asylpolitik und für Bürokratieabbau ein. Höheren Staatsschulden stehen sie ebenso skeptisch gegenüber wie Steuererhöhungen.

Die von Carsten Linnemann öffentlich vorgetragenen Pläne zur Erhöhung der Steuern für Spitzenverdiener bei gleichzeitiger Senkung der Einkommensteuer für mittlere und geringe Einkommen und die Pläne zur Veränderung der Erbschaftsteuer, das heißt einen »einheitlichen niedrigen Erbschaftsteuersatz von zehn Prozent auf das gesamte übertragende Vermögen« zu erheben, dürften also bei der Mitgliedschaft nicht auf ungeteilte Zustimmung stoßen.

Klimaschutz eher nachrangig

Unter den 25 vorgegebenen »größten Herausforderungen, vor denen Deutschland steht«, rangiert bei CDU-Mitgliedern der Klimaschutz nur auf Rang 23. An der Spitze stehen »Für innere Sicherheit sorgen«, »Die Energieversorgung sichern« und »Das Bildungssystem stärken«. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, favorisieren die CDU-Mitglieder in der Energiepolitik neben dem Ausbau Erneuerbarer Energien eine größere Technologieoffenheit (einschließlich der Kernenergie) sowie in der Bildungspolitik eine individuellere Förderung der Kinder in Bildungseinrichtungen.

Mit Blick auf die Alterssicherung werden in der CDU Pläne zur weiteren Anhebung des Renteneintrittsalters, das an die erhöhte Lebenserwartung gekoppelt werden soll, diskutiert. Außerdem soll für Geringverdiener eine verpflichtende Betriebsrente gelten. Mit Letzterem stimmen die Mitglieder eher überein (38,7 Prozent), mit Ersterem nur 34,3 Prozent. Am meisten auf Zustimmung bei den Mitgliedern stößt die Idee, die private Altersvorsorge stärker staatlich zu fördern (47,4 Prozent).

Insgesamt ergibt sich aus dem Meinungsbild der Mitglieder eine eindeutig pro-europäische, marktwirtschaftliche Lösungsansätze gegenüber staatlichen Regulierungen favorisierende Partei, die großen Wert auf innere Sicherheit legt und in Asyl- und Migrationsfragen sich für eine restriktivere Haltung ausspricht. Die Programmkommission sollte dies als Auftrag deuten, die CDU als Partei eines liberalen Konservatismus‹, basierend auf den grundlegenden Vorstellungen eines christlichen Menschenbildes mit den damit einhergehenden Werten, im Parteienwettbewerb zu positionieren.

»Die politische Mitte adressieren und deren pragmatische Sichtweise auf Politik nicht aus den Augen verlieren.«

Die größte Distanz zur Regierungspolitik Merkels kommt in der Migrations- und Asylpolitik zum Vorschein. Eine vollständige Abkehr von Merkels Kurs der Erneuerung der Partei hin zu progressiveren Positionen in soziokulturellen Fragen lässt sich daraus jedoch nicht ablesen. Vom Parteivorsitzenden Merz sind bislang auch nur wenige Anstrengungen offenkundig sichtbar, die auf einen spürbar konservativeren Kurs hindeuten. Auch ihm steht wohl vor Augen, dass die Mehrheitsfähigkeit für den Anspruch einer Volkspartei essenziell ist, weshalb es jedenfalls im Programmdiskurs die politische Mitte zu adressieren gilt und deren pragmatische Sichtweise auf Politik nicht aus den Augen verloren werden kann. Daher scheint auch eine ohnehin kaum realistische Gewinnung vieler derzeitiger AfD-Wähler mit viel höheren Verlust- als Gewinnrisiken verbunden.

Männliche Dominanz, relativ ungünstige Altersstruktur

Die personelle Erneuerung der Partei kann bislang als eher behutsam gekennzeichnet werden. Als erster aus einer Mitgliederbefragung hervorgehender Parteivorsitzender in der CDU hat Friedrich Merz mit dem bislang nach außen recht selten in Erscheinung tretenden Generalsekretär Mario Czaja und dessen selbst vielen CDU-Anhängern noch weitgehend unbekannten Stellvertreterin Christina Stumpp zwei junge Gesichter an die Spitze der Bundesgeschäftsstelle gestellt.

Mit Christoph Hoppe hat er zudem einen früheren Weggefährten zum neuen Bundesgeschäftsführer ernannt. Ansonsten prägen bekannte Namen das öffentliche Erscheinungsbild der Partei, außer Merz aus der Bundestagsfraktion etwa sein Stellvertreter Jens Spahn oder der parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei, aus der Partei Carsten Linnemann oder Andreas Jung.

Um dem Eindruck der männlichen Dominanz entgegenzuwirken, hat die CDU auf ihrem letzten Parteitag zum einen eine verbindliche Frauenquote beschlossen und zum anderen eine Reihe von jüngeren Frauen in den Vorstand gewählt. Ab dem Jahr 2023 sollen alle CDU-Vorstandsämter ab der Kreisebene mit 30 Prozent Frauen besetzt werden, ein Jahr später soll die Quote auf 40 Prozent und ab dem 1. Juli 2025 auf 50 Prozent steigen.

Widerstand richtete sich in erster Linie deswegen dagegen, weil der Anteil der Frauen an der Gesamtmitgliedschaft nur 26,6 Prozent beträgt (Stand Ende 2021), was zu Zweifeln führte, ob alle dann verfügbaren Positionen überhaupt von Frauen besetzt werden können. Nach wie vor kämpft die CDU insgesamt mit zurückge-henden Mitgliederzahlen und einer relativ ungünstigen Altersstruktur.

Gerangel um die Kanzlerkandidatur

Ist derzeit die Rede von möglichen Kanzlerkandidaten bei der Bundestagswahl 2025, kursieren auch nur die Namen von männlichen Kandidaten. Als Parteivorsitzender hätte Friedrich Merz das Zugriffsrecht, sofern sich die CDU dieses Mal rechtzeitig und in geordneter Weise mit ihrer Schwesterpartei CSU verständigt, zudem deren Parteichef Markus Söder derzeit sämtliche Ambitionen dementiert.

Die Popularitätswerte sprechen für Daniel Günther.

Genannt werden auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst nach seinem respektablen Ergebnis bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022 und sein Amtskollege Daniel Günther nach dessen fulminantem Wahlerfolg in Schleswig-Holstein im letzten Jahr. Würden rein elektorale Aspekte den Ausschlag geben, könnte sich Günther gute Chancen ausrechnen, da er weit ins Wechselwählerpotenzial zu Grünen und SPD hineinragt und zudem im Gegensatz zu Merz hohe Popularitätswerte auch außerhalb der Kernwählerschaft der CDU (zumindest Schleswig-Holsteins) aufweist.

Günther muss jedoch damit rechnen, dass konservativere Kreise der Partei seinen Positionen mit einiger Skepsis begegnen, was bei Wüst, der sich in dem vor 15 Jahren (unter anderem mit Markus Söder) verfassten Papier unter dem Titel »Moderner bürgerlicher Konservatismus. Warum die Union wieder mehr an ihre Wurzeln denken muss« für eine konservativere Akzentuierung der Partei aussprach, weniger der Fall sein dürfte.

Regierungsoptionen

Durch die Bildung einer Koalition mit den Grünen in Nordrhein-Westfalen 2022 hat Wüst seine Offenheit in machtpolitischen Konstellationen aber ebenso verdeutlicht wie Günther, dessen Landesverband sich ebenfalls für diese Regierungskoalition und gegen eine Zusammenarbeit mit der FDP entschied. Eine Koalition mit den Grünen böte der CDU derzeit auch auf Bundesebene am ehesten realistische Regierungsoptionen im Hinblick auf zukünftige Mehrheiten.

Aber auch die FDP könnte in strategischen Erwägungen der Union weiterhin eine Rolle spielen, da die FDP nicht zuletzt angesichts der vielfältigen Differenzen in der Ampelkoalition bei aller Kritik an der Union und der Problematisierung des Verhältnisses zu ihr doch erkannt haben könnte, dass eine nicht zu unterschätzende größere inhaltliche Nähe den Regierungsalltag erleichtern könnte.

Der Nachteil für die CDU ist dennoch, dass sie derzeit strategisch ohne eindeutige Koalitionspräferenz einer anderen Partei zu ihren Gunsten dasteht. Eine wie auch immer geartete Annäherung an die AfD kommt angesichts der Polarisierungstendenzen letzterer derzeit nicht infrage und ist nicht absehbar.

Eine Alleinregierung ist sehr unwahrscheinlich: Bei Umfragen rangieren CDU/CSU derzeit bei etwa 30 Prozent, ein im historischen Vergleich geringer Wert, der sehr deutlich unter den spürbar höheren Potenzialen bleibt. Damit kann lediglich die kurzzeitige Delle im Jahr 2021 korrigiert werden, was den Ansprüchen der CDU nur teilweise genügt.

Schließlich ist das enttäuschende Ergebnis bei der Bundestagswahl 2021 primär auf die geringen Zustimmungswerte zum Kanzlerkandidaten und die zwischenparteilichen Kontroversen um diese Frage mit der CSU zurückzuführen, also auf temporäre Ereignisse. Die CDU braucht für elektorale Erfolge ein wählerwirksames Programm der Mitte zur Mehrheitsfähigkeit, aber mehr noch einen passenden Kandidaten dazu.

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