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Zur Stabilisierung der öffentlichen Finanzen Bundeshaushalt zwischen Krise und Alltag

Die letzten Jahre waren von Krisen geprägt, die nicht nur die Bevölkerung, sondern auch den Bundeshaushalt vor große Herausforderungen gestellt haben: Coronapandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise und hinter all dem die in ihrem vollen Ausmaß noch am schwersten berechenbare Klimakrise bedingen und verstärken sich gegenseitig. Diese Krisenkonstellation hat deutlich vergegenwärtigt, dass der Staat auch in Extremsituationen handlungsfähig sein muss.

Am deutlichsten haben wir alle dies während der Coronapandemie zu spüren bekommen. Öffentliche Daseinsvorsorge ist essenziell, um eine Gesellschaft durch Krisen zu tragen. Die Auswirkungen der Pandemie konnten so durch umfassende, beispiellose Staatshilfen finanziell gut abgefedert werden.

Die Wirtschaft wurde durch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) gestärkt, der branchenübergreifende Hilfen zur Überwindung von Liquiditätsengpässen bereitgestellt hat. Dank Kurzarbeitergeld erhielten Beschäftigte bis zu 67 Prozent ihres Nettoentgelts von der Bundesagentur für Arbeit. So konnte in erheblichem Umfang eine Weiterbeschäftigung trotz vorübergehendem Arbeitsausfall während der Pandemie gesichert werden. Das Kurzarbeitergeld konnte hier viele Teilbereiche des Arbeitsmarktes deutlich stabilisieren.

Im Zuge der aktuellen Energiekrise hat die Bundesregierung drei milliardenschwere Entlastungspakete geschnürt, um die finanziellen Auswirkungen der gestiegenen Energiekosten für die Menschen und die Wirtschaft abzumildern. Darin enthalten waren unter anderem die Gas- und Strompreisbremse, die Energiepreispauschale, der Kinderbonus, diverse Einmalzahlungen und das Neun-Euro-Ticket. Unternehmen konnten durch Förderprogramme, beispielsweise von der Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW oder den Bund-Länder-Bürgschaften, unterstützt werden. Dank dieser Maßnahmen prognostiziert der Jahreswirtschaftsbericht weiterhin ein (leichtes) Wirtschaftswachstum.

»Bei der Schuldenquote steht Deutschland im europäischen wie internationalen Vergleich nach wie vor gut dar.«

Die Stabilisierung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes konnte nur durch die Aufnahme neuer Staatsschulden erreicht werden. Mit einer Schuldenquote von zuletzt 66,4 Prozent zum Ende des Jahres 2022 steht Deutschland im europäischen wie internationalen Vergleich jedoch nach wie vor gut dar. Die europäischen Nachbarn Österreich und Frankreich kommen beispielsweise auf Quoten von 78,4 beziehungsweise sogar 111,6 Prozent. Und der G7-Partner Japan erreicht gar eine Schuldenquote von 261 Prozent im letzten Jahr, ohne, dass dadurch Japans wirtschaftliche Stabilität gefährdet würde. Zugleich blieb die Inflation in Japan durch den Ankauf von Staatsanleihen vergleichsweise niedrig und auch das Zinsniveau verblieb moderat.

Namhafte Experten aus Deutschland sprechen sich deshalb, anders als der Finanzminister, dafür aus, die Schuldenbremse 2023 nochmals auszusetzen, da sonst mittelfristig eine Destabilisierung des Bundeshaushalts drohe. Die kürzlich vorgestellte Steuerschätzung hat gezeigt, dass es in den kommenden Jahren steuerliche Mehreinnahmen geben wird, allerdings etwas weniger, als vorher prognostiziert. Die Schuldenquote Deutschlands muss aber, wie auch international üblich, in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gesehen werden und nicht nur im Hinblick auf die Einnahmensituation.

Abstrakte Steuerdebatten vermeiden

Es darf aus diesem Grund nicht um eine abstrakte Steuerdebatte gehen, wie sie gerne von Christian Lindner geführt wird, sondern darum, welche (großen) Herausforderungen wir zu meistern und eben auch zu finanzieren haben. Gerade in Zeiten der Krise lernen wir, dass sich öffentliche Investitionen lohnen. Denn in den kommenden Jahren stehen große Herausforderungen der Transformation an: Ein nachhaltiger Klimaschutz, die Stärkung des sozialen Zusammenhalts und eine aktive Industrie- und Wirtschaftspolitik seien exemplarisch genannt.

Wir müssen den Investitionsstau, der durch fehlendes Fachpersonal, insbesondere bei Planung und Umsetzung sowie zu rigide Förderlinien entstanden ist, beenden. Es reicht nicht, finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, wenn Gelder nicht abgerufen werden können. Wir brauchen flexiblere, bürokratieärmere Förderprogramme und mehr Planungskapazitäten, vor allem in den Kommunen, dort, wo vor Ort umgesetzt werden muss.

»Die Fachkräftestrategie und das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz setzen wichtige Anreize.«

Hier ist der Handlungsbedarf umso dringlicher, weil der demografische Wandel dazu führt, dass der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren noch zunehmen wird. Eine gerechte Entlohnung, die Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung sowie die Stärkung der Attraktivität Deutschlands als Standort für ausländische Fachkräfte sind einige wertvolle Lösungsansätze. Die Fachkräftestrategie und das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz setzen wichtige erste Anreize, um Fachkräfte aus dem Ausland anzulocken.

Um kurzfristig die notwendigen Ausgaben im Rahmen der aktuellen Schuldenregeln zu ermöglichen, hat die Bundesregierung für bestimmte Projekte Sondervermögen etabliert, die nicht auf die Schuldenbremse angerechnet, sondern wirtschaftlich getrennt vom übrigen Bundesvermögen verwaltet und abgerechnet werden. Neben dem WSF der Klima- und Transformationsfonds (KTF) für die Transformation in eine klimaneutrale Wirtschaft und das Sondervermögen Bundeswehr.

Stärkerer Beitrag großer Vermögen erforderlich

Mittel- bis langfristig müssen wir jedoch eine solidarische Finanzierung des Staatshaushalts erreichen. Große Vermögen müssen endlich einen stärkeren Beitrag zu unserem Gemeinwesen leisten.

»Deutschland braucht endlich eine effektive und progressive Erbschaftsteuer.«

Denn für Vermögende ist Deutschland im internationalen Vergleich immer noch ein Niedrigsteuerland: In Frankreich und Großbritannien machen vermögensbezogene Steuern wie die Vermögen- oder Erbschaftsteuer über vier Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung aus – in Deutschland nur gut ein Prozent. Einer der Hauptgründe dafür ist die unzureichende Besteuerung von Erbschaften. Durch umfangreiche Steuerprivilegien und Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsvermögen werden regelmäßig Milliardensummen steuerfrei weitergegeben. Der deutsche Staat hat so seit 2009 auf über 76 Milliarden Euro Erbschaftsteuereinnahmen verzichtet. Deutschland braucht endlich eine effektive und progressive Erbschaftsteuer.

Demgegenüber sind die Steuern und Sozialabgaben auf das Erwerbseinkommen für die Mehrheit der Bürger:innen mit niedrigen und mittleren Einkommen zu hoch. Untere und mittlere Einkommensbezieher:innen müssen zudem einen deutlich größeren Anteil ihres relativen Einkommens für Konsumsteuern aufwenden. Diese indirekten Steuern belasten daher insbesondere diejenigen, die von ihrem Einkommen weniger sparen können und mehr konsumieren müssen. Das ist gerade in Zeiten von Preissteigerungen ungerecht.

Bereits im vergangenen Jahr haben wir als Parlamentarische Linke der SPD-Bundestagsfraktion zudem eine einmalige Abgabe auf besonders hohe Vermögen vorgeschlagen. Die sozial gerechte und verfassungskonforme Wiederbelebung der Vermögensteuer ist außerdem seit 2019 Beschlusslage der SPD und bleibt unser langfristiges Ziel.

Subventionen und die Schuldenbremse gehören auf den Prüfstand

Darüber hinaus gehört die Schuldenbremse auf den Prüfstand: Sowohl eine grundlegende Reform mit einer Investitionsregel nach dem Vorbild der goldenen Regel als auch eine Abschaffung der Schuldenbremse sind offen zu diskutieren.

Auf der Suche nach kurzfristigen Mehreinnahmen lohnt sich ein Blick in den Koalitionsvertrag. Dort haben wir vereinbart, überflüssige, unwirksame und klimaschädliche Subventionen abzubauen. Dazu zählen die Energiesteuerbefreiung auf Kerosin und das sogenannte Dieselprivileg, beides kostet den Staat jeweils über acht Milliarden Euro jährlich.

Außerdem das Dienstwagenprivileg, das bis zu 5,5 Milliarden Euro Mindereinnahmen jährlich bedeutet und der sogenannte Spitzenausgleich bei der Strom- und Energiesteuer für die Industrie (1,5 Milliarden Euro jährlich). Diese Subventionen müssen angesichts ihrer klimaschädlichen Effekte kritisch hinterfragt werden. Aktive Industriepolitik bedeutet für uns stattdessen unter anderem ein Industriestrompreis, der aus den Mitteln des Klima- und Transformationsfonds finanziert wird. So stärken wir die heimische Industrie und sichern Arbeitsplätze.

Auch der inzwischen stark gewachsene Katalog der Steuervergünstigungen in der Umsatzsteuer gehört auf den Prüfstand – auf einige werden wir angesichts des angespannten Haushalts künftig verzichten müssen. Durch entsprechende Reformen sind Einsparungen im zweistelligen Milliardenbereich möglich. So sichern wir soziale Projekte ab und schaffen Spielraum für Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger.

Unsere Botschaft ist klar: Es wird Zeit für ein Jahrzehnt der öffentlichen Investitionen in unsere Zukunft. Klar ist für uns auch, dass diese gerecht finanziert werden müssen. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die arbeitende Mitte der Gesellschaft die Haushaltskasse füllt, während wirklich große Vermögen und Erbschaften unangetastet bleiben.

Zu einer echten finanz- und steuerpolitischen Zeitenwende gehört für uns deshalb, Vermögen und Erbschaften deutlich stärker zu besteuern und gleichzeitig die Besteuerung von Arbeitseinkommen zu reduzieren beziehungsweise durch Verschiebung der Progressionsgrenze auf die wirklich hohen Einkommen zu fokussieren. So wird die breite Mitte unserer Gesellschaft entlastet, der Zusammenhalt kann gesichert und die großen Herausforderungen unserer Zeit können finanziert werden.

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