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Souveränes Europa in einer multipolaren Welt Der gaullistische Moment

Die berühmte Sorbonne-Rede Emmanuel Macrons »Initiative pour l’Europe« 2017 war als Weckruf gedacht, die deutsche Regierung unter der Kanzlerin Angela Merkel blieb jedoch im Dämmerschlaf. Sie ergriff die »ausgestreckte Hand« Macrons nicht, auf die dieser gehofft hatte, in Sorge, dies könne die transatlantischen Beziehungen beschädigen oder gar die USA dazu bewegen sich weiter von Europa zu entfernen. Jetzt steht allen deutlich vor Augen, dass dies eine Fehlkalkulation war. Das Konzept De Gaulles einer europäischen Souveränität mit einer starken Rolle der einzigen EU-Nu­klearmacht Frankreich und dem Aufbau einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft steht jetzt zwangsläufig auf der Agenda.

Unerfreuliche Alternative für Europa

Außenpolitisch ist das eine bittere Bilanz. Nach der prorussischen Wende der amerikanischen Administration steht Europa vor der unerfreulichen Alternative, die bisherige außenpolitische Strategie nun ohne die USA fortzusetzen und damit angesichts der aktuellen globalen Kräfteverhältnisse und internen Streitigkeiten möglicherweise zu scheitern oder einen Wechsel zu einer multipolaren Weltordnung zu vollziehen und die eigene Rolle radikal neu zu definieren.

Die radikalen Ideen der neokonservativen Intellektuellen wurden zur Leitschnur US-amerikanischer Außenpolitik.

Die neokonservative Agenda sah seit den 90er Jahren vor, die Führungsrolle der USA, die sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion herausgebildet hatte, mit Einmischung in innere Angelegenheiten, militärische Interventionen und Aufrüstung aufrechtzuerhalten, Russland nicht in kooperative Strukturen einzubinden, sondern es zu schwächen und sich auf die große Auseinandersetzung mit China vorzubereiten, bis hin zu der Fähigkeit mit China auch einen Nuklearkrieg führen und gewinnen zu können. Diese radikalen Ideen der neokonservativen Intellektuellen in den Brain-Trusts und in den Beratungsinstitutionen der US-amerikanischen Außenpolitik wurden in gemäßigter Form zur Leitschnur amerikanischer Außenpolitik, unabhängig davon, ob die jeweilige Administration republikanisch oder demokratisch war.

Den größten Einfluss hatte die neokonservative Agenda in der Amtszeit von George W. Bush, kulminierend im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen den Irak 2003 und der Besetzung Afghanistans und zahlreichen verdeckten und offenen Aktionen zur Destabilisierung unliebsamer Regime, insbesondere im Mittleren und Nahen Osten und in Nordafrika. Zuletzt gab es allerdings eine erkennbare Achse zwischen Joe Biden und Olaf Scholz, die mäßigend auf den weiteren Verlauf des Ukraine-Konflikts einwirkten und offenbar verstanden hatten, dass eine Eskalation seitens der Ukraine zu einer weiteren Eskalation auf Seiten Russlands führen musste und Russland dabei über Eskalationsdominanz bis hin zum Einsatz von Nuklearwaffen verfügte.

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