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Über den Wandel der Männerbilder in Deutschland Dichter, Dandy, Dribbelkönig

Was genau ist eigentlich ein Playboy? Und wenn es jemals echte Playboys gab, existierten sie dann auch im deutschsprachigen Raum oder nur in den USA, dem Land, aus dem das gleichnamige Männermagazin stammt?

Doch was genau zeichnet einen Playboy aus? Vielleicht ist das wichtigste Merkmal seine finanzielle Unabhängigkeit. Sie erlaubt es ihm, dem verschwenderischen Müßiggang zu frönen und gewissermaßen außerhalb der gesellschaftlichen Ordnung zu stehen. Andererseits gibt es da auch die ewige Jagd auch neuen – selbstverständlich weiblichen – Sexualpartnern. Oder vielleicht zeichnet den wahren Playboy auch sein dandyhaftes Stilbewusstsein aus. Kleidung aus feinen Stoffen, die richtigen Anzüge, die richtigen Drinks, die richtige Wohnungseinrichtung. Sollte gar Hugh Hefner, der Gründer des Playboy-Magazins, selbst der einzig wahre Playboy gewesen sein? Andere berühmte Playboys wie James Bond, Rock Hudsons Brad Allen in Pillow Talk oder Peter O'Tooles Michael James in What's New Pussycat waren ja nur fiktiv.

»Die einzige ernstzunehmende Alternative zum biederen Familienvater der Nachkriegszeit.«

Dabei hatte der Playboy als neues männliches Ideal der 50er und 60er Jahre eine wichtige Funktion. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte der soldatische Mann als Rollenvorbild endgültig ausgedient. Im Zeitalter der gesellschaftlichen Modernisierung, des Kalten Kriegs – und damit auch der Spionage – war der Playboy eigentlich die einzige ernstzunehmende Alternative zum biederen Familienvater der direkten Nachkriegszeit. Der Soziologe und Philosoph Paul Preciado widmete seine Doktorarbeit der Verbindung zwischen Design, Playboyidentität und Männlichkeitskonstruktion, sein Buch Pornotopia seziert genau diese Erfindung des seltsamen Phänomens des Playboys.

Die alten Leitbilder verblassen

Und wie bei fast allen Phänomenen der modernen Welt nach 1945 schielte man in Deutschland neidisch auf die USA, wo es nicht nur die besseren Filme, sondern auch womöglich echte real existierende Playboys gab. Oft las man den Begriff ín Beiträgen über Gunter Sachs, den Spross einer Industriellenfamilie, der von 1932 bis 2011 lebte. Inwieweit diese Bezeichnung als Playboy auch dem typisch deutschen Amerikaneid geschuldet war, sei dahingestellt.

Es lassen sich auf jeden Fall einige erstaunliche Fakten über das Leben von Gunter Sachs festhalten. Er war finanziell unabhängig, gab sich stets stilvoll und pflegte romantische Beziehungen zu begehrenswerten Frauen. Über seine Affäre mit Soraya Esfandiary Bakhtiary – Ex-Ehefrau des iranischen Schahs Mohammad Reza Pahlavi – berichtete die damalige Boulevardpresse ausführlich. Den Status als Playboy sicherte sich Gunter Sachs dann endgültig durch seine Beziehung zu Brigitte Bardot, mit der er von 1966 bis 1969 verheiratet war. Damit bekam das Männerbild des Playboys auch in Deutschland eine gewisse Evidenz.

Interessanterweise lässt sich anhand der engsten männlichen Verwandten von Gunter Sachs besonders schön illustrieren, wie sich das Männerbild in Deutschland im 20. Jahrhundert gewandelt hat. Wer sich jemals gefragt hat, ob der Playboy Gunter Sachs eine Verbindung zu den beschissenen Torpedo-Dreigangschaltungen an billigen Fahrrädern hat, dem kann hier eine eindeutige Antwort gegeben werden: Ja, hat er! Sein Großvater war der Mechaniker Ernst Sachs (1867–1932), Erfinder der Fahrradrücktrittbremse und Gründer der Firma Sachs. Ernst Sachs war gewissermaßen ein Prototyp für das Ideal des bürgerlichen Mannes im späten 19. Jahrhundert. Neben dem preußischen Militarismus war ja auch das bürgerliche Familienideal ein Leitbild der deutschen Kaiserzeit.

Natürlich wurde viel über den soldatischen Mann als Vorbildfigur geschrieben – zunächst für Preußen, dann für ganz Deutschland, doch auch der bürgerliche Familienpatriarch galt als männliches Idealbild. In Thomas Manns Buddenbrooks von 1901 kann man sehr detailliert die Konstruktion und Dekonstruktion von bürgerlichen Patriarchen nachvollziehen. Konsul Johann Buddenbrook und Senator Thomas Buddenbrook sind nahezu prototypische Beispiele männlicher bürgerlicher Rollenbilder.

Der bürokratische Mitläufermann der NS-Zeit.

Doch zurück zur Familie Sachs: Der Sohn des bürgerlichen Ernst Sachs war Willy (1896–1958). Ähnlich wie der Vater verkörperte auch Willy das quasi sekundäre männliche Idealbild einer bestimmten Ära. So lebte Willy Sachs das Leben eines Opportunisten im Nationalsozialismus. Er entsprach nicht dem idealisierten Mann, wie er in einem Leni-Riefenstahl-Film oder durch eine Arno-Breker-Plastik dargestellt wurde. Vielmehr verkörpert Willy Sachs den bürokratischen Mitläufermann der NS-Zeit. Brav frisiert und in einen grauen Anzug ge­hüllt, erinnert er eher an Typen wie Albert Speer oder Wernher von Braun. In den Fabriken der Firma Fichtel & Sachs waren bis 1945 tausende Zwangsarbeiter damit beschäftigt, Antriebskupplungen für Wehrmachtpanzer herzustellen. 1957 wurde Willy Sachs das Bundesverdienstkreuz verliehen, 1958 starb er durch Suizid. (Der Tod seines Sohns Gunter geschah nach Alzheimerdiagnose 2011 ebenfalls durch Selbsttötung.)

Allein diese drei Generationen von Sachs-Männern illustrieren eine Form von Entwicklung des Männerbildes in Deutschland: bürgerlicher Unternehmer im Kaiserreich, opportunistischer Industrieller im Nationalsozialismus, weltgewandter Playboy in Westdeutschland.

Männerbilder der Gegenkultur

Spätestens seit 1968 hatte die BRD aber auch so etwas wie eine Gegenkultur vorzuweisen. Die Männerbilder dieser Zeit wichen deutlich vom affirmativen Mainstream ab. Für jüngere Männer bot sich Rudi Dutschke als Vorbild an. Wer nicht so jung und attraktiv wie die revoltierenden Studenten war, konnte sich zumindest dadurch trösten, dass jemand wie Günter Grass zu einer staatstragenden Figur werden konnte. Und um schon einmal auf Männerbilder der Gegenwart vorzugreifen, soll an dieser Stelle die DFB-Fußballnationalmannschaft der frühen 70er Jahre erwähnt werden.

Bis heute erinnern wir uns so gern an die legendäre Weltmeisterschaft von 1974, dass es fast ein bisschen übertrieben scheint. Wie bedeutend diese Fußballspieler damals waren, wird erst klar, wenn man bedenkt, dass Deutschland 1972 bereits Fußballeuropameister geworden war. Von den Spielern aus dem Weltmeisterteam von 1974 wurden einige zu Volkshelden der BRD, ein erstaunlich großer Anteil ist auch heute noch prominent: der im Januar verstorbene Franz Beckenbauer, dann Wolfgang Overath, Jupp Heynckes, Uli Hoeneß, Gerd Müller (der 2021 starb), Paul Breitner, Sepp Maier oder Berti Vogts.

Männerbilder in der DDR

Wo wir beim Thema Volkshelden sind, bietet sich ein Blick in die DDR an. Auch wenn ich als Wessi nur aus der Außenperspektive darüber sprechen kann, lassen sich doch einige Aspekte über Männerbilder in der DDR festhalten. Das Land hat sich immerhin selbst als Arbeiter-und-Bauern-Staat bezeichnet, was zumindest nahelegt, dass der Arbeiter und der Bauer von offizieller Seite als positive Männerbilder betrachtet wurden.

Sehr gut belegt ist auch, welcher hohe propagandistische Wert sportlichen Erfolgen und der Raumfahrt beigemessen wurde. Yuri Gagarin, der erste Mensch im Weltall, und Sigmund Jähn, der erste Deutsche im All, waren in der DDR ziemlich populär und hatten Vorbildfunktion. Dass die DDR sich irgendwann als Gewichtheber-und-Kosmonauten-Staat bezeichnet hätte, ist zwar eine schöne Vorstellung – der einzige Ort aber, an dem sich Arbeiter, Bauern, Wissenschaftler, Sportler und Piloten tatsächlich auf Augenhöhe begegneten, waren wohl nur die Gemälde und Mosaike im Stil des sozialistischen Realismus.

Dualismus gegensätzlicher Männerbilder.

An dieser Stelle können aus Platzgründen die Männerbilder der 80er und 90er Jahre nur kurz zur Sprache kommen. Der 80er-Jahre-Saubermann in seiner aufgedrehtesten und unreflektiertesten Darbietungsform hatte wohl in Thomas Gottschalk eine ihm angemessene Erscheinungsform. Ein schmuddeliger Gegenentwurf zum glattpolierten Gockel war der Tatort-Kommissar Horst Schimanski, verkörpert von Götz George. Diese Figur war in ihrer ersten Inkarnation (1981–1991) so beliebt, dass man George später eine eigene Schimanski-Serie als Spin-off (1997–2013) auf den Leib schrieb.

Der Dualismus von gegensätzlichen Männerbildern lässt sich bis in die 90er und frühen Nullerjahre hinein verfolgen. Ab 1995 galten die introvertierten Schluffis von Tocotronic als die absoluten Ideale von begehrenswerter Männlichkeit. Eine ganze Generation von jugendlichen Männern plünderte die bundesdeutschen Second-Hand-Läden auf der Jagd nach verwaschenen Polyester-Trainingsjacken, um sich als nachdenkliche Independenttypen zu stylen. Den scharfen Kontrast dazu bildeten breitbeinige Macker wie Dieter Bohlen oder Flachwitzbarden wie Mario Barth.

Weder glattgebügelt noch ungehobelt.

Kommen wir zum Fußball zurück: Anders als zuvor dient seit Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr der Fußballspieler selbst als ideales Männerbild, sondern der Trainer! Für ihn hat sich seit etwa 2005 ein komplett neues Bild etabliert, das gleichzeitig auch als generelles Vorbild für Männlichkeit in Deutschland gilt. Vorbei sind die Zeiten, in denen Fußballtrainer wahlweise hysterische Rumpelstilzchen oder selbstzufriedene Säcke waren. Wir leben heute im Zeitalter des smarten, verständnisvollen aber doch auch energetischen und dominanten Trainerideals. Weder glattgebügelt noch ungehobelt präsentieren Männer wie Jürgen Klopp und Jogi Löw eine Form von wohlkuratierter Maskulinität, die irgendwie anschlussfähig für breite Teile der männlichen Bevölkerung in Deutschland ist: keine Skandale, kein Alkoholismus, keine Gewalt: Mr. Nice-Guy, aber trotzdem nicht weichgespült.

Als Jürgen Klopp nach den ersten durchschlagenden Erstligaerfolgen von Mainz 05 in der Sportschau auftrat, entsprach das einem medialen Donnerschlag. Eine so eloquente und sympathische Person hatte man in der deutschen Fußballwelt nie zuvor gesehen. Es muss allen klar gewesen sein, dass Männer wie Rudi Assauer oder Reiner Calmund ab diesem Moment endgültig ausgedient hatten. Klopp präsentierte eine vollkommen neue Idee für ein positives Männerbild. Dass er damit Teil eines weitaus größeren Phänomens war, beweisen nicht nur die zahlreichen Werbeengagements mit Fußballtrainern, sondern auch, dass Männer wie Jogi Löw zu modernen Stilikonen geworden sind.

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