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Die braunen Seiten im Naturschutz

Die Rolle des Naturschutzes in der Zeit des Nationalsozialismus, die 1933 mit der Gleichschaltung der Naturschutzverbände und dem Ausschluss jüdischer Mitglieder begann, wurde lange Zeit kaum aufgearbeitet. Dabei wechselten die meisten Naturschützer direkt ins braune Lager, wenn sie nicht ohnehin schon dort waren. Nach 1945 bedeutete der Umgang mit dieser Zeit: verharmlosen, verdrängen und verschleiern. Das Netzwerk der nationalsozialistischen Naturschützer hielt sich erstaunlich stabil und einflussreich genug, um den Anschein zu erwecken, sie wären nur an der Sache, dem Schutz der deutschen Natur, orientiert gewesen. Alles andere sei dem damaligen Zeitgeist geschuldet gewesen, der aber schon lange vor der Machtübernahme Hitlers vorherrschte.

Tatsächlich war die reaktionäre Grundhaltung von der Überlegenheit der »germanischen Rasse« weit verbreitet. Schon um 1870 hatte sich als Reaktion auf die zweite industrielle Revolution ein rechtskonservatives Potenzial herausgebildet, das sich mit der nationalsozialistischen Blut-und-Boden-Ideologie gut in Einklang bringen ließ. Es wurde beeinflusst von Vertretern der konservativen Revolution wie Ludwig Klages, Friedrich Georg Jünger und Martin Heidegger mit ihren elitären und antidemokratischen Dogmen.

Klages, ein Vertreter der Lebensphilosophie, war ein penetranter Antisemit, der bis zum Kriegsende an die »rassische Überlegenheit« der Germanen glaubte. Er war als Fortschrittsfeind ein expliziter Gegner von Vernunft und Verstand, sondern betonte vor allem das Gefühl, weil seiner Meinung nach das menschliche Bewusstsein nicht fähig sei, die Wirklichkeit in ihrer Tragweite zu erfassen. Mit seiner Lehre vom Geist als Widersacher der Seele wurde er zum populärsten Philosophen des Dritten Reiches. Klages vertrat einen Antiparlamentarismus und Antimarxismus und setzte den Pazifismus mit den »allerniedrigsten Verherrlichern des Judaismus« gleich.

Die Haltung Friedrich Georg Jüngers war ambivalenter. Der Antisemit und scharfe Gegner der Weimarer Republik war ein Hauptvertreter konservativer Ideologiekritik mit engen Beziehungen zu antidemokratischen Zirkeln. Bis zum 9. November 1923 war er ein flammender Anhänger von Ludendorff und Hitler, ging dann aber zunehmend auf Distanz und warf den Nationalsozialisten vor einen »legalistischen Kurs« zu vertreten, statt auf eine »nationale Revolution« zu setzen. Er begründete das mit einer scharfen Kritik am technischen Fortschritt und am Liberalismus als Beschleuniger der Auflösung aller Dinge. Er glaubte nicht an den Aufstieg der Nazis und zog sich mehr und mehr zurück.

Martin Heidegger wurde schon am 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP und blieb es aus Überzeugung bis zum bitteren Ende. Er war von Hitler fasziniert. Als Kandidat der Nationalsozialisten wurde er am 27. Mai als Rektor der Freiburger Universität eingeführt. Nach 1945 hat er nie bedauert, was er getan hat. Heidegger war Antisemit und volkstümelnder Reaktionär. Er unterstützte die Zerschlagung der Weimarer Republik. Gewalt sah er als »Gewalt der Erlösung« an.

Auf Klages, Jünger und Heidegger bezieht sich heute die AfD in ihrer Kritik an der Moderne, speziell an der Umweltbewegung, die Alexander Gauland als »Emanzipationsideologen« bezeichnet. Die reaktionäre Zivilisationskritik kommt wieder hoch. Deshalb ist es wichtig, ihre Wurzeln aufzuzeigen, damit klar wird, welchen Geist die AfD aus der Flasche lässt.

Die »hohe Zeit« des Naturschutzes?

In der NS-Zeit waren führende Vertreter des Naturschutzes Hans Klose, Walther Schoenichen, Hans Schwenkel, Alwin Seifert und Heinrich Wiepking-Jürgensmann, allesamt stramme Anhänger einer nationalistisch-reaktionären Ideologie und überzeugte Antisemiten, die dennoch in den 50er und 60er Jahren völlig unverständlich mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurden. Die Nähe zu den drei genannten »Vordenkern« ist unverkennbar. Im Naturschutz sahen sie die Stärkung der deutschen Volkskraft. Die Präambel des Reichsnaturschutzgesetzes (RNG) ordnet den Naturschutz in die nationalsozialistisch-völkische Ideologie ein, was nicht nur Klose eindeutig proklamierte: »Nur ein Staatswesen, das die inneren Zusammenhänge von Blut und Boden, Volkstum und Heimat erkennt, das wirklich Gemeinnutz vor Eigentum stellt, vermag auch dem Natur- und Heimatschutze sein Recht zu geben und ihm seine Stellung im Staat einzuräumen.«

Hans Klose, Vorsitzender des Volksbunds Naturschutz und ab 1938 Leiter der »Reichsstelle für Naturschutz«, behauptete 1949 sogar, das »Dritte Reich« sei die »hohe Zeit des Naturschutzes« gewesen. Klose machte das am Reichstierschutzgesetz, Reichsjagdgesetz und Reichsnaturschutzgesetz fest, die nicht zuletzt der Legitimation des Nationalsozialismus dienten. Hermann Göring erkannte nämlich als Reichsforstminister früh die ideologischen Anknüpfungspunkte und brachte das weitgehend folgenlose RNG auf den Weg. Kloses Täuschungsversuch kann allerdings nur funktionieren, wenn das RNG nicht in seinen politisch-ideologischen Zusammenhängen gesehen wird, denn die zugrundeliegende rassistisch-völkische Grundidee wurde entweder verschleiert oder lange Zeit verdrängt. Die Kommentierung des RNG belegt zweifelsfrei, dass der Naturschutz mit einem völkischen Heimatverständnis, dem Bestreben nach Autarkie und der Blut-und-Boden-Ideologie der NSDAP verknüpft wurde.

Auch Kloses Vorgänger im Amt, der glühende Antisemit und Nationalsozialist Walther Schoenichen, hetzte schon in den 20er Jahren, dass »unserem Volke (…) ein rassenhygienischer Niedergang« drohe. Und er agitierte 1934: »Soll die neue Volksgemeinschaft in wahrhaft deutschem Sinne Wirklichkeit werden, so müssen die ursprünglichen, naturgewollten Seelenlagen unserer Rasse wieder voll zum Durchbruch kommen. (…) So sind es eine Fülle von Beweggründen völkisch-nationaler, sozial-hygienischer, volkserzieherischer, allgemein sittlicher, volksbiologischer und kulturpolitischer Art, die uns die Pflege des Naturschutzgedankens zur unabweisbaren, ja zur heiligen Pflicht machen.«

Hans Schwenkel, der Mitautor des RNG und ab 1938 verantwortlicher Referent für Landschaftspflege im Reichsforstamt, zeigte in einem Beitrag von 1937 auf, was für ein Ungeist dahinter steckte: »Nach dem ersten Buch Mose kennt auch der Jude keinen Naturschutz, denn Gott gibt den Kindern Israels alle Pflanzen und Tiere, ›alles was da kreucht und fleucht‹ zur Speise. Erst der Kulturmensch, und zwar fast ausschließlich der nordische Mensch, gewinnt ein ganz neues Verhältnis zur Natur, nämlich das der Ehrfurcht, auf die auch der Naturschutz gegründet ist.« Das »Neue Bauen« diffamierte er als entartet.

Die damaligen Landschaftsanwälte, an deren Spitze seit 1940 der von Heinrich Himmler ernannte völkische Antisemit Alwin Seifert als Reichslandschaftsanwalt stand, der von Fritz Todt aus München geholt und von Rudolf Hess gefördert wurde, arbeiteten eng mit der SS vor allem in den Ostgebieten zusammen, deren Eroberung neue Chancen für eine Ausweitung deutscher Natur versprach. Die Aufgabe war nicht nur die Begrünung der Autobahnen, sondern auch die Einfügung unzähliger Bunker, Unterstände und Geschützstellungen in die Landschaft, zu deren Tarnung »einheimische deutsche Pflanzen« gesetzt wurden. Seifert und der Pflanzenbiologe Reinhold Tüxen kümmerten sich auch um die »arische Begrünung« des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Die nahegelegene Stadt solle zudem »eingedeutscht« werden.

Heinrich Wiepking-Jürgensmann wetterte gegen den »Irrsinn« der Parteien als Grundlage allen Übels. Er lehnte einen demokratisch verfassten Staat ab und hetzte gegen die Weimarer Republik. Er wollte, dass ein neuer starker Führer an die Macht komme.

Die Grundhaltung des Naturschutzes, dessen Wurzeln in dem verklärten Heimatverständnis der deutschen Romantik lagen, war damals in Verbindung mit dem antisemitischen Vernichtungswahn das ideologische Konglomerat für einen Geodeterminismus, der zur völkischen Rassenideologie der NSDAP gehörte. In deren Sicht war der Naturschutz eine Grundvoraussetzung für das Bestehen des »deutschen Menschen«. Die neue Volksgemeinschaft könne nur entstehen, wenn der Naturschutz deren Existenz sichere. Naturschutz sei, so die krude Ideologie, neben der »Rassenhygiene« die wichtigste Maßnahme für den »arischen Rassenerhalt«.

Für diese abstoßende Position brauchte die große Mehrheit der Wissenschaftler nicht nach 1933 gleichgeschaltet zu werden, sie engagierte sich aus freien Stücken für die Eroberungs- und Vernichtungspolitik des NS-Regimes. Zu dem Grundverständnis der Naturschützer gehörte, die deutsche Heimatkultur dauerhaft vor den angeblichen Verunstaltungen der »liberalistischen« Weimarer Republik zu schützen. Das RNG sollte der Festigung der Volksgemeinschaft dienen und trug eine urnationalistische Weltanschauung in sich. Von Anfang an gehörte es zur bösartigen Propaganda der NSDAP, die deutsche Landschaft und die deutsche Heimat zu einer wichtigen Grundlage ihrer Ideologie zu machen, auch in einem engen Zusammenhang mit Rassismus und Antisemitismus. Das war die Auffassung der führenden Naturschützer im Dritten Reich. In der Konsequenz begrüßten sie 1933 geradezu euphorisch die Machtergreifung der Nazis.

Nach 1945 wurden die Tätigkeiten der Naturschützer rein als »zeittypisch« abgetan. Tatsächlich gab es starke personelle und inhaltliche Kontinuitäten im völkischen Naturschutz, was in weiten Teilen auch für die DDR galt. Noch 2016 gab es eine »ideologiefreie« Einordnung von Reinhard Piechocki ausgerechnet in der Zeitschrift des Bundesamtes für Naturschutz, in dessen Beitrag die Zeit von 1933 bis 1939 als die Jahre beschrieben wurden, die dem Naturschutz eine »naturwissenschaftliche Fundierung« gegeben hätten.

Zu den allerdunkelsten Kapiteln der zwölfjährigen NS-Politik gehörte auch das Verhalten der Naturschutzverbände, die sich den neuen Machthabern ohne zu zögern an die Brust warfen. Der Alpenverein führte in einigen Bereichen schon 1923 den sogenannten Arierparagrafen ein, der jüdische Mitbürger und Mitbürgerinnen aus seinen Einrichtungen ausschloss. Die Reichsvogelmutter Lina Hähnle schmetterte bei der Machtergreifung »ein sieghaftes Heil auf unseren Volkskanzler« und bot sofort »die freudige Gefolgschaft des Bundes« an. Für seine Unterwerfung wurde der Reichsbund Vogelschutz, Vorläufer des heutigen NABU, mit einer Monopolstellung belohnt, der sich andere Organisationen im Naturschutz unterordnen mussten. Auch der Bund Naturschutz in Bayern frohlockte: »Keine Zeit war für unsere Arbeit so günstig wie die jetzige unter dem Hakenkreuzbanner der nationalen Regierung.«

Zuvor waren die Naturschutzverbände mit ihren Naturschutzanliegen in den 20er Jahren mehrfach vor allem am Widerstand der Bauern gescheitert. Doch der Naturschutz war nun Staatsangelegenheit. Die Naturschutzverbände hatten keine Mühe, sich in das neue System einzuordnen. Die Ausnahme waren nur die Naturfreunde, die trotz einiger taktischer Versuche der Reichsleitung, das Verbandsvermögen zu sichern, unmittelbar nach Hitlers Machtübernahme verboten wurden. Die Naturfreunde gingen aus der Arbeiterbewegung hervor, gegründet 1895 vom späteren österreichischen Staatspräsidenten Karl Renner und anderen. Sie zahlten für ihren Widerstand gegen Krieg und Nationalsozialismus einen hohen Blutzoll.

Einordnung in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge

Die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit vom anthropogenen Klimawandel bis zur Überschreitung planetarischer Grenzen sind Herausforderungen für die gesamte Menschheit. Es reicht nicht, sie als Ergänzung heutiger Politik und Kultur zu verstehen. Sie verlangen grundlegende Antworten, die über das Bestehende weit hinausgehen. Sie verlangen eine grundlegende Transformation unserer Art zu leben und zu wirtschaften. Und das ist nur auf einer sozialen und demokratischen Basis möglich.

Die AfD, die Umweltpolitik als Heimatschutz versteht, leugnet sowohl die Herausforderungen als auch die notwendigen Konsequenzen. Sie will dennoch, um die Unzufriedenen in unserem Land für die Rechtspartei zu gewinnen, den Naturschutz zum dritten Schwerpunkt ihrer Politik machen. Damit knüpft sie an die rechtsextremen (»Vor«-)Denker der braunen Zeit an, indem sie die Hauptschuld für die Naturzerstörung den Zuwanderern gibt. Sie bringt die Umweltfrage in einen engen Zusammenhang mit den Migrationsfragen. Abschottung, Nationalismus und Rassismus sind auch hier die Motive der AfD, wie schon bei ihren ideologischen Paten aus der dunklen Vergangenheit. Alexander Gauland bezieht sich ausdrücklich auf Klages, Jünger und Heidegger.

Doch Umweltpolitik hat mit Blut und Boden nichts zu tun, mit Antisemitismus schon gar nicht. Was eine solche reaktionäre Orientierung bedeuten kann, hat die Geschichte mit vielen Millionen Opfern schmerzlich gezeigt. Die AfD betreibt ein Spiel mit dem Feuer, das zum Flächenbrand werden kann.

Wir und sicher auch die gesamte Umweltbewegung haben mit dieser braunen Ideologie nichts zu tun. Wir setzen strikt auf das Gegenteil – auf mehr Demokratie, auf mehr Gerechtigkeit und auf mehr soziale Emanzipation. Wir lassen es nicht zu, die Erfahrungen der Geschichte zu verdrängen und gar zu vergessen. Was uns eint, ist die Leitidee der Nachhaltigkeit, die nur auf der Basis des ökologischen Umbaus mit wirtschaftlichen Innovationen, sozialer Gerechtigkeit und mehr Demokratie möglich wird.

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