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© picture alliance/dpa | Julian Stratenschulte

Abwehr als Problem und Anerkennung als Lösung Die Inkonsequenzen in der Klimakrise

Offensichtlich reicht es für die Lösung der Probleme nicht, zu forschen, auf internationalen Klimakonferenzen Debatten zu führen, Beschlüsse zu fassen und an die Bevölkerung zu appellieren, sich umweltbewusst zu verhalten. Auch die Aktivisten der Letzten Generation bewirken nicht, dass alle aufwachen. Vielmehr scheinen solche Aktionen die Gesellschaft eher zu spalten, als sie zu vereinen. Vielleicht ist es an der Zeit, anders als üblich sich diesen Problemen zu widmen.

Mich interessieren die tieferliegenden, menschlich bedingten Krisenursachen. Diese Ursachen sind selten im Blickfeld der Politik, in der Öffentlichkeit – und auch in der Wissenschaft. Der Grund dafür sind nicht nur die blinden Flecken in der Sicht auf diese Inkonsequenzen, sondern auch die Fragmentarisierung und Spezialisierung in der Gesellschaft allgemein: In der Politik sind Sachzwänge und widerstreitende Interessen wirksam. Jede Wissenschaft operiert mit ihren spezifischen Methoden und Theorien und in ihren jeweiligen Sachgebieten. Auch in interdisziplinären Projekten werden übergeordnete Fragen oft nicht gestellt, weil sie nicht in ein Schema passen. Fragen, wie diese: Woher kommt die Inkonsequenz im Umgang mit dem Klima? Welche Rolle spielt die Kommunikation dabei? Wie gehen Menschen mit dem Klimaproblem um? Welche konstruktiven Lösungen gibt es?

Diese vier Fragen möchte ich kurz beantworten:

Die erste Frage zwingt dazu, den bisher unerkannten Ursachen dieser Inkonsequenz auf den Grund zu gehen. Hier spielt immer Abwehr eine Rolle, die sowohl psychisch als auch sozial bedingt ist. Die psychisch bedingte Abwehr, oft unbewusst und/oder indirekt geäußert, ist ein Thema der Psychologie. Die sozial bedingte Abwehr spiegelt sich in rational begründeten Argumenten, mit denen erklärt wird, warum Klimaschutz unnötig sei.

Gewünschte Macht und faktische oder gefühlte Ohnmacht

Solche Argumentationsmuster können mit Sprach- und Handlungstheorien analysiert werden. Dies geschah unter anderem in einer von mir durchgeführten qualitativen Untersuchung über die »Argumentationsmuster in der Klimadebatte« aufgrund von Tiefeninterviews. In diesen wurden typische Reaktionen beschrieben, die erklären, warum so inkonsequent mit der Klimakrise umgegangen wird. Der Widerspruch liegt in der Spannung zwischen gewünschter Macht und faktischer oder gefühlter Ohnmacht. Man will sich engagieren, weiß aber nicht wie. Man zweifelt, will aber hoffen und weiß nicht, worauf. Man fühlt sich hilflos und kämpft um Lösungen, die als nur begrenzt eingeschätzt und deshalb gar nicht versucht werden. Man ist skeptisch und verlangt nach Wahrheiten, um sich sicherer zu fühlen. Man fühlt sich nicht hinreichend informiert und wird doch vollgestopft mit Informationen.

Diese Reaktionen sind durchweg Ausdrucksformen von psychisch und sozial bedingter Abwehr. Aus nachvollziehbaren Gründen: Der Klimawandel ist bedrohlich, löst unangenehme Gefühle aus, die man nicht wahrhaben will. Er ist nicht komplex erfassbar und nicht steuerbar. Im Umgang damit stoßen Interessen aufeinander, die zu Konflikten führen.

Die zweite Frage läuft darauf hinaus, zu untersuchen, wie, warum und von wem mit welchen Auswirkungen über das Klima kommuniziert wird. Welches Wissen liegt bei wem vor? Welche Gefühle wirken? Was wird, warum, nur indirekt kommuniziert? Das Klimathema wird bei Nicht-Experten im Alltag kaum diskutiert. Viele der Interviewten gaben zu, dass ihr faktisches Wissen begrenzt sei. Die Informationsflut wie die Widersprüche in den Meldungen irritieren. Den Medien und der Politik wird nicht vertraut. Fast durchweg löst das Thema Gefühle von Angst, Ohnmacht, Wut und Ratlosigkeit sowie Hoffnungslosigkeit aus. Über solche Gefühle wird nicht direkt geredet. Sie werden als peinlich empfunden, abgewehrt und umschrieben. Hier kommt es darauf an, indirekte Meinungsäußerungen interpretieren zu können.

Für die Kommunikation generell wie auch speziell für die über das Klima ist ein weiterer Aspekt wichtig, um mit der Krise konstruktiv umgehen zu können: Wird über Wahrheiten, Fakten oder Meinungen kommuniziert? Hannah Ahrendt hat in ihrem Essay über »Wahrheit und Politik« diese Begriffsunterscheidung für maßgeblich gehalten.

Wahrheiten sind nicht absolut, sondern unwiderlegbare Grundannahmen, mit denen seit Menschengedenken Realität erklärt wird. Wahrheiten zu verbreiten, sei – so Ahrendt – niemals Aufgabe der Politik. Fakten können, wie die Geschichte zeigt, geleugnet werden, wenn sie unbequem erscheinen. Meinungen sind ein Indikator für den Zeitgeist und werden immer mehr zu problematischen Clouds, die sich verselbstständigen.

Wenn zwischen Wahrheiten, Fakten und Meinungen nicht unterschieden wird, werden politische Entscheidungen und öffentliche Diskurse zum Problem. Es ist weit verbreitet, daran zu zweifeln, dass es Wahrheiten gibt. Und gleichzeitig wird sofort der Wahrheitsbegriff geltend gemacht, wenn eine Lüge öffentlich wird. Fakten werden als maßgeblich bewertet, ohne dass je die Frage gestellt wird, wer welche Fakten wie definiert und damit geltend macht. Fakten sind nicht nur das Gegebene, sondern auch das Gemachte. Meinungen geben Auskunft über subjektive Befindlichkeiten und Trends und sind in ihrer Bedeutung ebenso relevant wie relativ, wie überschätzt. Es ist jedoch wichtig, Meinungen zu erforschen, um Tendenzen zur Kenntnis zu nehmen.

Die dritte Frage bezieht sich auf eine einfache Tatsache: Alle Menschen sind vom Klimawandel betroffen und gehen sowohl unterschiedlich als auch ähnlich damit um. Wie reagiert wird, hängt davon ab, in welchen Lebensumständen, Berufen und Bildungskontexten jemand lebt. Diesen Reaktionsgrundmustern muss auf den Grund gegangen werden, wenn man Krisen analysieren will. Wir haben die Interviewten nicht nur zur Klimathematik befragt. Es ging auch um ihre Berufe, Erfahrungen, Werte, Gefühle und Zukunftsvorstellungen. Befragt wurden Personen aus verschiedenen Schichten und Berufen. Diejenigen, die beruflich mit dem Klimathema nichts zu tun haben, vor allem denen aus Dienstleistungsberufen mit geringen Einkommen, fühlten sich überfordert, schlecht informiert, mutlos und hatten Angst.

Einige befragte Politiker berichteten, dass sie aufgrund des Widerstands der Bürgerinnen und Bürger in ihrem Wahlkreis mit ihren Umweltschutzmaßnahmen gescheitert seien. Die Experten, die sich in ihren Berufen mit dem Klima befassen, haben mit ihrem Faktenwissen und ihrem Einfluss zweifellos mehr Hoffnung, wenn auch mit Skepsis vermischt. Sie berichteten, dass die Klimaverhandlungen oft zu keinen überzeugenden Lösungen führen, niemand wirklich zuhört und in Streitfällen Fronten aufgebaut werden. In Interviews trat zutage, worüber man sonst nicht spricht: Es wurde von einem hohen Prozentsatz der Interviewten die dramatische Weltlage insgesamt anerkannt. Die Klimaskeptiker hatten logischerweise andere Erklärungsmuster und Lösungen bezogen auf die Klimakrise als ihre Gegner. Sie beklagten die konkret erlebte Ablehnung ihrer Positionen in den öffentlichen Diskursen.

In den Klimadebatten generell herrscht folglich Skepsis und mangelndes Vertrauen vor, und es tobt ein Kampf um Anerkennung, um Positionen und den eigenen Selbstwert, nicht nur zwischen Klimaschutzgegnern und Klimaschützern, sondern auch in Gruppen ähnlich Gesinnter.

Relevanz von Anerkennung wird unterschätzt

Die vierte Frage kann ebenfalls einfach beantwortet werden: Anerkennung ist der Schlüssel für die Lösung der Probleme. Anerkennung bedeutet weit mehr, als man es im Alltagsgebrauch des Wortes vermutet. Dieses Gegenstück zur Abwehr, die Anerkennung, ist ein Thema der Philosophie. Sich mit Anerkennungsmodalitäten zu befassen, war nach den Ergebnissen der Untersuchung logisch und naheliegend. Wenn etwas oder jemand anerkannt wird, so ist es möglich, konstruktiv mit Konflikten umzugehen – auch in der Klimakrise. Wer und was wird in der Klimafrage anerkannt und was nicht? Welche institutionellen und sozialen Kontexte spielen dabei eine Rolle?

Nicht nur Georg Wilhelm Friedrich Hegel, sondern auch die Philosophen von heute haben sich umfassend mit Anerkennung als Bewusstseins- und Erkenntnisprozess auseinandergesetzt. Aufgrund ausgewählter Anerkennungstheorie und der weiteren Analyse der Daten habe ich Lösungsvorschläge für die Klimakommunikation abgeleitet. Es beginnt schon damit, zu akzeptieren, dass es diese Inkonsequenz überhaupt gibt. Zu erkennen ist, dass Kommunikation eine entscheidende Rolle in dieser Krise spielt und nicht nur, wie üblich vorausgesetzt, technologische und politische Aspekte. Es gilt zu begreifen, dass die Analyse des Sprechens und Handelns als Ausdruck der Kommunikation ebenso in Betracht für Lösungen zu ziehen ist wie Umwelttechnologien. Konstruktiv ist es, auch andere als die eigene Position zu respektieren, ohne den eigenen Standpunkt aus dem Auge zu verlieren.

Entscheidend in Krisen ist, sich an bereits vorhandene Lösungen zu erinnern, optionale Lösungswege zu vergleichen und zu bewerten. Wenn etwas anerkannt werden soll, muss es verstanden und erklärt werden, weil sonst sofort Widerstand entsteht. Denn wer soll etwas anerkennen, was er/sie nicht versteht? All diese Aktivitäten sind Ausdrucksformen von Anerkennung. In den Interviews kamen auch diese Aspekte der Anerkennung zutage: Es wurden Wahrheiten anerkannt, Fakten verglichen und beurteilt, man erinnerte sich, erklärte, versucht zu verstehen, schilderte Beobachtungen. Abgewehrt wurde das unerträglich Erscheinende, anerkannt wurden Aspekte der Realität, der eigenen Wahrnehmung und der Notwendigkeiten.

Die Relevanz von Anerkennung in diesem umfassenden Sinn wird meines Erachtens für Lösungen in der Klimakrise und weitergedacht für den Erhalt der Demokratie vollkommen unterschätzt. Es ist für die Zukunft entscheidend, die menschlichen Faktoren zu berücksichtigen, um der weitverbreiteten Skepsis entgegenwirken zu können.

Barbara Strohschein: Abwehr und Anerkennung in der Klimakrise. Wie über Wahrheiten, Fakten und Meinungen kommuniziert wird. Springer, Wiesbaden 2022, 367 S., 49.99 €.

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