Großartig, stimmungsvoll, überwältigend, schön – die Liste der Attribute, die die Menschen nach der EURO 2024 mit dem Turnier verbinden, ist lang, und die Begriffe sind fast ausnahmslos positiv.
Adjektive wie »schade« und »bitter« fallen auch, mit Blick auf das dramatische Ausscheiden unserer Nationalmannschaft. Die Enttäuschung ist verständlich, aber in Summe und unter dem Strich wurde dieses Turnier zu einem großen und großartigen, fröhlichen und friedlichen Fußballfest, das alle Hoffnungen erfüllte.
Das sportliche Abschneiden und das Auftreten unseres Teams haben dabei eine große Rolle gespielt. Vor allem hat die Nationalmannschaft es geschafft, die Herzen der Menschen zu berühren und mitzureißen. Doch selbst wenn die Leistungen und Auftritte der Mannschaft von Bundestrainer Julian Nagelsmann ausgeklammert werden, war das Turnier aus unserer Sicht ein großer Erfolg.
Als Gesellschaft, als Land sind wir leistungsstark, diesen Nachweis haben wir einmal mehr erbracht. Aber viel wichtiger als eine professionelle Veranstaltungsorganisation ist es, eine begeisternde und gastfreundliche Atmosphäre zu schaffen. Das ist nur bedingt planbar. Aber unsere Hoffnungen wurden mehr als erfüllt. Die EURO 2024 war laut, sie war ausgelassen, sie war Fußball. Sie hat gezeigt: Die Bevölkerung in Deutschland nimmt so ein Turnier komplett an, sie lässt sich darauf ein, sie ist begeisterungsfähig und blüht auf in der Rolle als Gastgeber.
Und das ist nicht nur ein Erfolg für den Fußball – was für eine tolle Blaupause und ein Testlauf war das für eine mögliche Bewerbung um Olympische Spiele in Deutschland!
»Die EURO 2024 hat ihre ganz eigene positive Geschichte geschrieben.«
Das »Sommermärchen«, die Fußball-Weltmeisterschaft 2006, galt und gilt bislang als Leuchtturm für die Ausrichtung eines erfolgreichen internationalen Fußballturniers in unserem Land. Viele hatten die Erwartung geäußert, dass sich mit der EURO 2024 das Sommermärchen wiederholen soll. Das ist so sicher nicht geschehen. Aber wir dürfen zurecht sagen: Die EURO 2024 hat ihre ganz eigene positive Geschichte geschrieben.
Zu nennen sind hier exemplarisch die zahlreichen Fan-Walks, die in vielen Städten stattgefunden haben. Friedlich, kreativ und voller Fußballbegeisterung – so sind die deutschen wie die internationalen Fans aufgetreten und haben zu der positiven Stimmung im ganzen Land beigetragen. Sie haben in ganz Deutschland gefeiert, gesungen und getanzt. Das sind die Bilder, die von der EURO 2024 bleiben werden!
Aber auch auf anderen Ebenen war 2024 nicht lediglich eine Wiederholung von 2006. Damals hat Schwarz-Rot-Gold Land und Turnier dominiert, der positive, unbeschwerte und dennoch nicht geschichtsvergessene Patriotismus war der wohl größte gesellschaftliche Effekt der Weltmeisterschaft in Deutschland.
Bunt, laut – und im Herzen von Europa
18 Jahre später stand die EURO 2024 ganz im Zeichen von Europa. In schwierigen Zeiten mit Kriegen und bewaffneten Konflikten vor der Haustür, dem Erstarken von extremen Rechten und dem Einzug von Populisten in viele Parlamente brauchte Europa genau ein solches Turnier. Bunt, laut und vor allem – vereint im Herzen von Europa.
Bei fast allen Spielen waren die Fanmeilen gefüllt mit Fans, nicht nur mit deutschen. Egal ob Niederländer, Schotten oder Schweizer – alle haben in Deutschland die Spiele gesehen und gemeinsam gefeiert. Mehr als je zuvor standen die Fanmeilen damit für das, was die Essenz des Fußballs ist – er bringt die Menschen zusammen und lässt sie gemeinsam eine gute Zeit haben. Die EURO hat gezeigt, dass dies nicht nur auf einem nationalen, sondern auch auf einem europäischen Level hervorragend funktioniert. Für mich steht fest: Die EURO hat die europäische Idee gefestigt und die europäischen Werte gestärkt.
Und auch uns als Gesellschaft hat die EURO 2024 gutgetan. Bei allem, was wir – manchmal auch zurecht – beklagen am Zustand der Gesellschaft: Die Europameisterschaft hat gezeigt, dass die Deutschen sich näher sind, als manche dies erwartet haben oder vielleicht sogar gerne hätten. Die EURO hat einen eindrucksvollen Beleg geliefert, dass sich viele Menschen hinter einer Sache gemeinsam versammeln können und dass der gesellschaftliche Zusammenhalt in unserem Land noch immer groß sein kann.
»Erfolgreich kann nur sein, wer zusammenspielt, zusammenarbeitet und zusammenhält.«
Die EURO hat ein Gemeinschaftsgefühl bewirkt, das Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dem bitteren und unglücklichen Ausscheiden im Viertelfinale gegen Spanien in bemerkenswerten Worten beschrieben und beschworen hat. Wer zusammenarbeitet, wer einander unterstützt und nicht neidisch auf den anderen blickt, erreicht mehr. Nicht nur auf dem Fußballplatz, sondern in allen Bereichen der Gesellschaft. Der Fußball kann hier als Vorbild dienen: Erfolgreich kann nur sein, wer zusammenspielt, zusammenarbeitet und zusammenhält.
Und der europäische Sportsommer ging weiter: Nach der UEFA EURO 2024 war vor den Olympischen Spielen in Paris. Und was war das für ein Ereignis! Auch wenn das Turnier in unserem Land sehr erfolgreich war – wir können nur den Hut ziehen vor den Spielen in Paris, die größte aller Sportgroßveranstaltungen. Aufregend, großartig und mutig haben die Olympischen Spiele in Paris noch mal ein ganz besonderes Ausrufezeichen gesetzt für ein friedvolles Miteinander, den Glauben an die Demokratie und an die unglaublich verbindende Kraft des Sports.
Eine bessere Welt ist möglich
Wir leben in unruhigen Zeiten. Nachrichten von Kriegen und Krisen dominieren die Schlagzeilen. Der Sportsommer 2024 hat daran natürlich nichts geändert, leider. Und doch: Ereignisse wie die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele in Paris sind Funken der Hoffnung. Der historische Ansatz von Baron Pierre de Coubertin, nach dem sich die Jugend der Welt bei den Olympischen Spielen treffen und lieber im Sport streiten als sich auf dem Schlachtfeld gegenseitig bekriegen solle, hat nichts an Aktualität verloren. In Zeiten der Kriege in Israel/Gaza und der Ukraine sendet der Sport das Signal, dass es anders geht. Er zeigt, dass man zusammenkommen und friedlich Sport treiben kann. Die EURO und die Olympischen Spiele in Paris haben den Menschen in Europa und auf dem ganzen Globus etwas Großes gezeigt: Dass eine bessere Welt möglich ist.
Beide Großereignisse haben den Menschen daneben wichtige Ablenkung verschafft und ein Durchschnaufen ermöglicht. Für den Moment hält man inne und denkt: »War das schön!« Aus Sicht des Fußballs und mit Blick auf die Olympischen Spiele sind wir sehr stolz auf den dritten Platz und die Medaille unserer Frauenmannschaft. Horst Hrubesch und seine Spielerinnen haben ein weiteres Beispiel dafür gegeben, was möglich ist, wenn sich alle füreinander einsetzen und als Team geschlossen auftreten. Der Sieg im Bronzefinale gegen Weltmeister Spanien war der verdiente Lohn eines Teams, das vielen Widerständen und Rückschlägen getrotzt hat. Auch neben dem Fußball hat Olympia in Paris seine ganze Attraktivität gezeigt. Siege, Spektakel, Goldmedaillen, Weltrekorde, persönliche Bestleistungen, auch Dramen – der Faszination des Sports konnte man kaum entgehen.
»Es besteht die Hoffnung, dass der Fußball die Chancen für Olympische Spiele in Deutschland gesteigert hat.«
Olympische Spiele in Deutschland sind daher eine schöne Vorstellung. In der Vergangenheit sind Bewerbungen um die Ausrichtung Olympischer Spiele leider häufig gescheitert. Nach der EURO besteht die Hoffnung, dass der Fußball die Chancen für Olympische Spiele in Deutschland gesteigert hat. Weil die Menschen in Deutschland sportlichen Großveranstaltungen nun hoffentlich weniger skeptisch gegenüberstehen. Weil wir die Erkenntnis haben sollten, dass wir so etwas können. Das kann und sollte den Effekt haben, die Akzeptanz für Olympische Spiele in Deutschland zu erhöhen.
Zu den weiteren positiven Effekten des Sommers 2024 zählt jedenfalls schon jetzt, dass eine neue Generation für den Sport begeistert wurde. Die Kinder gehen auf die Straßen, in die Gärten, in die Parks und auf die Bolzplätze und wollen Jamal Musiala und Florian Wirtz sein, Toni Kroos und Toni Rüdiger. Aber auch Alexandra Popp und Lea Schüller. Genauso spielen sie olympische Sportarten nach und haben neue Vorbilder gefunden. Es mag pathetisch klingen, doch es trifft zu: Die EURO und die Olympischen Spiele haben das Feuer des Sports in vielen Herzen entzündet.
Wir kennen die Zahlen noch nicht, aber wagen die Prognose, dass wir bei den Mitgliedern in unseren Vereinen starke Zuwächse verzeichnen werden. Diesen Effekt gab es nach 2006, diesen Effekt gab es nach 2014, diesen Effekt gab es immer, wenn die Nationalmannschaft vor großem Publikum begeisternd Fußball spielte. Und wir würden uns ausdrücklich freuen, wenn dieser Schub sich auch für die anderen olympischen Sportarten einstellen würde.
Vereine nicht alleine lassen
Jedem Kind, das in Deutschland in einem Verein Fußball spielen oder sonst Sport treiben will, muss die Tür geöffnet werden. Unser Anspruch muss sein, dass die Nationalspieler*innen und Olympionik*innen von morgen heute unter guten Bedingungen ihre ersten Schritte in den Sport setzen können. Hier sind wir als DFB gefragt, hier ist auch der DOSB gefragt, vor allem aber ist die Politik gefragt. Die Politik ist in der Pflicht, die Vereine nicht alleine zu lassen, sondern endlich umzusetzen, was in jedem Koalitionsvertrag verankert ist: die Stärkung des Schulsports, die Stärkung des Ehrenamts, die Verbesserung der Sport-Infrastruktur. Dafür braucht es einen entsprechenden politischen Willen und eine Priorisierung.
»Investitionen in den Sport sind im besten Sinne Investitionen in die Zukunft.«
Investitionen in den Sport sind im besten Sinne Investitionen in die Zukunft. Der Sport, nicht nur der Fußball, ist in vielen Bereichen die beste Prävention. Eine Lehre des Sportsommers 2024 ist: Wenn wir die Kraft des Sports für eine bessere Gesellschaft bestmöglich nutzen wollen, dann müssen alle Akteure alles dafür tun, dem Sport optimale Bedingungen zu verschaffen. Das sollte uns nicht nur jede Anstrengung, sondern auch jeden Cent wert sein.
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