Innerhalb weniger Jahre hat sich eine bunte Sharing-Landschaft entwickelt. Beim »Sharing« handelt es sich um die verlängerte beziehungsweise intensivere Nutzung von Produkten durch Tauschen, Verschenken, Weiterverkaufen, Verleihen, Vermieten oder gemeinsame Nutzung. Möglich wird das durch Onlineplattformen, die Anbieter und Nachfrager zusammenbringen. Diese Plattformen ermöglichen nicht nur eine dramatische Vergrößerung der Anzahl von Marktteilnehmern, sondern bilden auch die Basis für eine Vielzahl neuer Geschäfts- und Erlösmodelle. Moderne Informations- und Kommunikationstechnik ist eine Voraussetzung für das Aufkommen von Onlinevermittlungsplattformen für das Sharing von Gütern.
Die weite Verbreitung von Smartphones, Apps und Navigationssystemen hat viele der heutigen Sharing-Economy-Dienste erst möglich gemacht. Vor allem auch die Möglichkeit des Web 2.0, interaktive Anwendungen zur Verfügung zu stellen, schuf die technologische Grundlage für den Aufbau zweiseitiger Onlinevermittlungsportale, deren Aufgabe es ist, die über viele Nutzerinnen und Nutzer verteilten Informationen über Sharing-Angebote und -Nachfrage zusammenzuführen.
Die einfache und effiziente Zusammenführung von Angebot und Nachfrage hat die Transaktionskosten erheblich gesenkt, insbesondere die Such-, Informations- und Vermittlungskosten. Ein Wachstum aus lokalen Nischen heraus wurde so ermöglicht. Mithilfe von Apps und mobilem Internet können Nutzerinnen und Nutzer bequem von unterwegs aus ortsunabhängig Angebote finden und mit Anbieter/innen in Kontakt treten. Digitale Buchungs-, Reservierungs- und Bezahlsysteme erhöhen die Nutzerfreundlichkeit. Digitale Bewertungs- und Reputationsmechanismen schaffen Vertrauen und Sicherheit zwischen Anbieter und Nachfrager.
Speziell im Mobilitätsbereich schlagen sich die Entwicklung und der Einsatz angepasster informations- und kommunikationstechnischer Lösungen als Treiber deutlich nieder. Zum einen in neuen, übergreifenden Plattformen wie moovel oder Qixxit, die verschiedene Mobilitätslösungen zusammenbringen, die Verbindungssuche und die Buchung vereinfachen oder als Vergleichsportale fungieren. Zum anderen durch In-Car-Technologien, welche mithilfe einer Telematik-Einheit zwischen App und Fahrzeug vermitteln, sodass beispielsweise beim Carsharing kein Schlüssel und kein persönliches Treffen zwischen Vermieter und Mieter benötigt wird, um das Auto zu öffnen bzw. zu nutzen. Carsharing könnte durch Automatisierung und Vernetzung der Fahrzeuge weiter vereinfacht werden, indem private Fahrzeuge automatisch für andere freigegeben und selbstständig auf Buchungsanfragen reagieren würden, wenn die Eigentümer sie nicht benötigen.
Vorstellbar sind zukünftig aber auch wesentlich tiefer greifende Effekte. Komplett autonome Fahrzeuge – also solche, die selbstständig und fahrerlos agieren – bieten neue Möglichkeiten für kollaborative Mobilitätsangebote in Form von On-Demand-Services, Sammeltaxis, Robot-Taxis etc. Autonome Fahrzeuge, die im Flottenbetrieb flächendeckend und flexibel jederzeit für jede/n verfügbar sind, könnten den Mehrwert eines privat genutzten Pkw grundlegend infrage stellen. Warum noch ein privates Auto besitzen, wenn man per Smartphone an jeder Ecke in der Stadt oder flexibel im ländlichen Raum ein autonomes Carsharing-Auto bestellen kann? In diesem Fall wäre es denkbar, dass die meisten Bevölkerungsgruppen aufgrund eines breiten, diversen Angebots an Shared- und On-Demand-Mobilitätsangeboten kommerzieller Flottenbetreiber komplett auf ein Privatauto verzichten. Im Zuge dieser Entwicklung kommt es zur Bildung von strategischen Allianzen, die bis vor Kurzem kaum vorstellbar waren.
Langfristiges Ziel ist die intelligente Verknüpfung von autonomer Technik und Sharing-Plattformen. Die Industrie rechnet mit einer schnellen Einführung des autonomen Fahrens in den nächsten Jahren und einer nennenswerten Marktrelevanz ab 2030. Industrieferne Mobilitätsexperten rechnen mit wesentlich längeren Zeiträumen. Unklar ist auch, ob dies in der Gesamtbilanz zu positiven oder negativen Klima- und Umwelteffekten führen wird. Sollte die Beförderung durch autonome Fahrzeuge tatsächlich in großem Stil realisiert werden, könnten digital-vernetzte Mobilitätsdienstleistungen eine Kraft entfalten, die letztlich darauf hinausläuft, dass sich Mobilität komplett neu organisiert.
Mit den Möglichkeiten der ortsunabhängigen Informationsaufbereitung und -teilung wirken internetbasierte Applikationen in Kombination mit neuen Technologien wie ein Katalysator und begünstigen die Verbreitung von Sharing-Angeboten. Technische Innovationen sind wechselseitig mit neuen Nutzungskonzepten verknüpft, die wiederum neue Geschäftsideen und -modelle weiter vorantreiben. Mit der Weiterentwicklung der Angebote und dem Abbau von Hemmnissen wird die Angebotssituation ständig verbessert, wodurch Sharing zunehmend an Attraktivität gewinnt. Hinzu kommt, dass digitales Sharing den Wunsch nach Multioptionalität unterstützt. Konsumenten pendeln dabei zwischen Sharing und Eigentum: Man erwirbt Eigentum, man verkauft es wieder oder tauscht es gegen etwas anderes ein. Dies ist ein pragmatischer Zugang zu den erweiterten Optionen, die das Sharing bietet. Teilen heißt nicht verzichten, sondern dient genau dem Gegenteil: Die zugangsbasierten Nutzungsmöglichkeiten von Sharing-Angeboten ermöglichen durch kostengünstigen, flexiblen und spontanen Zugang wesentlich mehr Konsumoptionen als die auf Besitz basierenden. Als Folge zeichnet sich eine »Hybridisierung« des Konsumenten ab. Für diejenigen, die Sharing in einem Bereich nutzen, wird es im Laufe der Zeit immer interessanter, auch andere Sharing-Angebote zu nutzen, aber selten im Sinne eines umfassenden »collaborative consumption«, sondern situationsbedingt und pragmatisch. Statt weniger Konsum wird das Schwungrad von Produktion und Konsum eher noch beschleunigt. Also genau das Gegenteil dessen, was von einer Sharing Economy erwartet wird – nämlich, dass diese einen Quantensprung zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz leisten könnte. Allein marktgetrieben ist ein sozial-ökologischer Wandel nicht in Sicht, dieser verlangt vielmehr ein aktiv gestaltetes Transformationsszenario.
Soziale Konflikte vermeiden
Die Herausforderung bei der Verbreitung des Sharing liegt darin, den Prozess des Übergangs aus der Nische in den gesellschaftlichen Mainstream so zu gestalten, dass die Nachhaltigkeitspotenziale, die in der intensiveren Produktnutzung liegen, möglichst umfassend erschlossen werden, ohne dass dies zulasten anderer Gemeinwohlinteressen erfolgt. So erzeugt Sharing auch soziale Konflikte oder forciert sie, wie beispielsweise beim Apartment-Sharing. Ein Konfliktfeld ist dabei die Wettbewerbsverzerrung. Die Hotellerie ist zur Einhaltung zahlreicher gesetzlicher Standards und Auflagen verpflichtet sowie zur Abgabe von Gewerbesteuern. Eine Online-Zimmervermittlung, die sich nicht daran halten muss, führt zu einem asymmetrischen Wettbewerb. Entsprechend wächst der Widerstand des Hotelgewerbes gegen solche Geschäftspraktiken. Zweiter Konfliktpunkt: Wird die Vermietung gewerbsmäßig betrieben, kann dadurch dem Wohnungsmarkt Wohnraum für die Einwohner vor Ort entzogen werden. Gerade in wachsenden Städten mit knappem Wohnraum kann sich die Wohnraumversorgung verschärfen. Zugleich kann die starke touristische Konzentration in Stadtteilen, die als hip gelten, unerwünschte Gentrifizierungsprozesse, also Attraktivitäts- und Kostensteigerungen durch zahlungskräftigen Zuzug, verstärken. Zu Konflikten können auch die Zugangsbedingungen führen. Einerseits ermöglicht das Sharing neue Zugänge zu Produkten für soziale Gruppen, die sich diese Angebote sonst nicht leisten könnten. Auf der anderen Seite können soziale Gruppen, die wenig »Teilbares« besitzen, ausgeschlossen werden (asymmetrisches Sharing). Zur Vermeidung von sozialen Fehlentwicklungen geht es um eine angemessene Regulierung, die sozial und ökologisch negative Effekte eindämmt und den Nutzen für das Gemeinwohl fördert.
Darüber hinaus sind insbesondere auch mögliche ökologische Rückschläge, sogenannte Reboundeffekte zu berücksichtigen. Diese können auftreten, wenn der Zugang zum Konsum durch Sharing-Angebote erst ermöglicht wird oder wenn finanzielle Einsparungen bzw. zusätzliche Einnahmen, die infolge des Sharing entstehen, für andere umweltbelastende Konsumoptionen verwendet werden. Wenn die Mittel wieder für neue Konsumoptionen ausgegeben werden, sind Teilungspraktiken nichts anderes als eine weitere Möglichkeit des Multioptionskonsums. Mit Blick auf die ökologischen Effekte kommt es daher auf eine nachhaltige Gestaltung der Geschäftsmodelle digitaler Vermittlungsplattformen und die Schaffung geeigneter politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen an. Erst dann können mögliche Nachhaltigkeitspotenziale in größerem Umfang erschlossen werden. Gerade in neu entstehenden und jungen Märkten der Sharing Economy ist es von zentraler Bedeutung, dass die dort agierenden Unternehmen ihre Geschäftsmodellstrategien mit Blick auf Nachhaltigkeitsanforderungen reflektieren. Dazu gehört auch, dass die Unternehmen im Sinne einer Corporate Social Responsibilty mehr Verantwortung übernehmen. Bisher ziehen sich die Plattformbetreiber auf ihre vermittelnde Rolle zurück und übernehmen kaum Verantwortung für die Ausgestaltung und Rechtmäßigkeit der Angebote ihrer Nutzerinnen und Nutzer. Für eine nachhaltige Ausgestaltung der digitalen Geschäftsmodelle wäre aber genau das notwendig.
(2018 erschien bei SpringerGabler: Siegfried Behrendt/Christine Henseling/Gerd Scholl (Hg.): Digitale Kultur des Teilens. Mit Sharing nachhaltiger Wirtschaften.)
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