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Editorial

Zwischen den beiden größten europäischen Krisen, die der politischen Vereinigung des Kontinents und die der sozialdemokratischen Parteien, besteht ein Zusammenhang. Die EU-Krise nährt sich auch an zwei politischen Defiziten: der mangelhaften Bereitschaft der meisten Regierungen der Eurozone zu einer fiskal- und steuerpolitischen Koordinierung durch die Union und an dem Fehlen sozialer und lohnpolitischer Mindeststandards. Das liegt vor allem an der institutionellen Schieflage der EU-Architektur, die den Vorrang der Märkte vor ihrer sozialpolitischen Einbettung zum Verfassungsprinzip macht, sodass jeglicher Fortschritt hier den Regierungen der Mitgliedsstaaten und ihrem Willen zur Einigung überlassen ist. Da nun die Marktdominanz ihre stärkste Stütze stets in den liberalen und liberalkonservativen Parteien findet, die Politik der Marktergänzung und -korrektur aber zumeist in den sozialdemokratischen, erweist sich die Schwäche der letzteren als ein Hemmnis bei der Überwindung der Krise der Union. Dieser Zusammenhang wird in der anderen, zunehmend an Sprengkraft gewinnenden Dimension der Krise der EU, der Entfremdung zwischen östlichen und westlichen Mitgliedsländern, noch deutlicher. In Ungarn, Polen, der Slowakei und in Tschechien ist es den nationalchauvinistischen Parteien mit einer rigorosen Identitätspolitik gelungen, ihre sozialdemokratischen Konkurrenten zu dezimieren, die demokratischen Verfassungen zu entliberalisieren und sich damit ostentativ vom liberaldemokratischen Verfassungskonsens der Union zu entfremden. Sie stellen sogar zunehmend die erreichte Integration infrage. Der EU-Krise wächst auf diese Weise eine neue Dimension zu, vielleicht ihre gefährlichste, weil sie die Wertebasis der ganzen Gemeinschaft schädigt. In diesem Sinne erhält die Bemühung um eine Erneuerung der sozialdemokratischen Parteien, um die auf der Ebene der Gemeinschaft und in vielen Mitgliedsländern gerungen wird, eine besondere europäische Dimension. In Deutschland bietet der Zeitgewinn durch die neue Große Koalition neben den bekannten Risiken zugleich auch neue Chancen.

Als Forum und Faktor der Sozialen Demokratie bietet diese Zeitschrift den damit verbundenen Debatten in den folgenden Monaten besonderen Raum. Wir präsentieren nach und nach den umfassenden Diskussionsentwurf Ein neues Jahrhundert Sozialer Demokratie und kritische Beiträge dazu. Eine der grundlegenden Dimensionen dieser Erneuerung muss die Sicherung der natürlichen Grundlagen der menschlichen Zivilisation durch ein nachhaltiges Verhältnis von Ökonomie und Ökologie sein. Das sind die beiden Schwerpunkte dieser Ausgabe.

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