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Editorial

»America First, Make America Great Again« waren in der Geschichte der USA die Kampfparolen der extremen Rechten, die eine egoistische Politik der Verabsolutierung nationalistischer Sichtweisen und Interessen gegen eine Politik der globalen Verantwortung setzten. »Make Europe Great Again« ist das komplette Gegenteil davon, nämlich ein Aufruf zur Überwindung nationaler Engstirnigkeit und zur transnationalen Solidarität. Wer wie Wolfgang Schäuble diese Gegensätze gleichsetzt, ist entweder ignorant oder böswillig, unter Umständen beides. Vielleicht kommt in dieser gezielten Verwechslung aber auch eine verborgene Aversion gegen europaweite Solidarität zum Ausdruck, an der es seit einem Jahrzehnt in der EU ja schmerzlich fehlt, ohne die sich aber die Union gegen das bizarre Trump-Amerika nicht wird behaupten können, vermutlich sogar auf Dauer auseinanderbricht. Es ist daher nicht lediglich für die gebeutelte Sozialdemokratie ein Glücksfall, dass gerade in dieser Situation der leidenschaftliche und kundige Europäer Martin Schulz die Chance bekommt, Kanzler Deutschlands, einer Säule der Gemeinschaft zu werden. Es ist eine Hoffnung für das Land und für Europa. Tatsächlich sogar für die Welt, wenn der Westen zerbricht und die EU als stärkster Anwalt einer liberalen, kooperativen Weltordnung in die vom neuen amerikanischen Nationalismus geschlagene Bresche springen muss. Das Jahrzehnt der von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble in der Finanz- und in der Flüchtlingskrise betriebenen rücksichtslosen Europapolitik hat Spaltung und Misstrauen gefördert und Deutschlands Rolle empfindlich geschwächt.

Die überall auf dem Kontinent emporstrebenden Rechtspopulisten profitieren von Europas Siechtum und verschärfen es. Sie haben die Parteiensysteme der meisten Länder umgekrempelt und sind in Ländern wie Polen und Ungarn schon an der Macht, in den Niederlanden und Frankreich könnten sie es im schlimmsten, aber keineswegs unwahrscheinlichen Fall noch in diesem Jahr sein. Diese Entwicklung und das begonnene Wahljahr in Deutschland lassen uns in dieser Ausgabe als Hauptthema nach dem Wandel des Parteiensystems fragen, dem Zustand und der Entwicklungsrichtung der Parteien überhaupt und besonders nach der Rolle der Rechtspopulisten und ihrer Wähler. Außerdem führen wir unsere Rubrik »Bundestagswahl 2017« fort, diesmal mit einem Beitrag, in dem Sahra Wagenknecht die Möglichkeiten einer Mitte-Links-Koalition auslotet. Auch der Essay ist auf seine Weise ein gewichtiger Beitrag zu diesem Thema, denn er zeigt, dass nur die langfristig und global angelegte Einheit von sozialer und ökologischer Politik der Zukunft eine Chance gibt.

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