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Editorial

Die Botschaft der niederländischen Parlamentswahl, mit dem erfolgreichen Ausgang für die rechtsliberale Partei VVD von Premierminister Mark Rutte, auf die viele Europäer, vor allem die Führungsstäbe in den Volksparteien, so gebannt und bangend gestarrt hatten wie das Kaninchen auf die Schlange (namens Geert Wilders), ist leider nicht so eindeutig und erfreulich, wie es die Siegesfeiern am Abend des Wahltags verhießen. Gewiss, eine Fortsetzung der pro-europäischen Politik des alten EU-Kernlandes ist fürs Erste gesichert, und der Versuch des Zugriffs auf die politische Macht von Seiten der rechtspopulistischen, in Wahrheit rechtsextremistischen Brandstifter in dieser einstigen europäischen Trutzburg unbeirrter Toleranz ist misslungen. Der politische Kontinent atmet auf. Aber um welchen Preis? Kenner gehen davon aus, dass allein Ruttes Politik der Konfrontation mit der türkischen Regierung noch kurz vor Schließung der Wahllokale 4–5 % der Wählerschaft der Wilders-Partei abspenstig gemacht hat und – was nachdenklicher stimmt – in dieser Höhe einem jahrelangen Doppelspiel des Ministerpräsidenten zu verdanken ist, einer leichten Variante des berüchtigten blame games, bei dem die Repräsentanten nationaler Regierungen der EU in Brüssel durchaus als konstruktive Europäer agieren, zurück in der eigenen Hauptstadt aber wieder gern mit dem Finger auf Brüssel zeigen, weil das zuhause besser ankommt. Und die Sozialdemokraten des Landes, jahrzehntelang verlässlicher Partner beim europäischen Aufbauwerk, sind aus der Höhe einer traditionsreichen Volkspartei in die Niederung einer Kleinpartei abgestürzt, ohne Chance, in den nächsten Jahren die Geschicke des gefährdeten Landes wirksam mitzuprägen, was sich vielleicht als das größere Problem erweisen könnte. Hinzu kommt, dass Rutte selbst mit dem erreichten Wahlergebnis nur in einem Ausnahmeland Regierungschef bleiben kann, in dem es ein rundes Dutzend Parteien ins Parlament geschafft hat. Also: Erst einmal ein »Gott sei Dank!«, aber leider (noch) keine Entwarnung

Die Deutung ist nicht sonderlich gewagt, dass das Gefühl wachsender Ungerechtigkeit, das sich in alle Poren der europäischen Gesellschaft hineingefressen hat, verbunden mit einer resignativen Stimmung, dagegen werde am Ende doch wieder nichts Durchgreifendes unternommen, kräftig bei der Verdrossenheit so vieler am europäischen Projekt mitwirkt, beim Fremdeln mit den Parteien und Institutionen und bei der besorgniserregenden Empfänglichkeit für populistische Sirenengesänge in fast allen Ecken des Kontinents. Wie gut, dass der neue Held der SPD, Martin Schulz, sich dieses Thema so eindeutig und so konkret zum Motto gemacht hat. Von Gerechtigkeit und was zu ihrer Stärkung getan werden muss, handelt auch diese Ausgabe. Und in der Rubrik zur Bundestagswahl 2017 lesen Sie die Antwort von Gesine Schwan auf den Beitrag von Sahra Wagenknecht in der letzten Ausgabe.

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