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Editorial

Stimmungen in der Mediengesellschaft ändern sich schnell – oft drastisch. Vor sechs Wochen wollten die Massenmedien für die politische Zukunft der Kanzlerin keinen Deut mehr geben, heute halten sie ihre Position auf einmal wieder für unanfechtbar. Und morgen? Bangemachen gilt nicht! Der Wahlkampf für die Bundestagswahl beginnt gerade erst, und die Kandidaten enthüllen ihre Wahlprogramme Schritt für Schritt. Ende Juni liegen dann alle Karten auf dem Tisch und das eigentliche Spiel kann beginnen. Zwei falsche Vorstellungen bestimmen im Moment die medialen Spekulationen: auf die eigentlichen Programme der Kandidaten käme es gar nicht so sehr an, und die jüngsten Landtagswahlen seien schon die Vorentscheidung für die Wahlen zum Bundestag gewesen. Von beidem kann im Ernst keine Rede sein. Denn so wichtig die Personenfrage auch sein mag, am Ende zählen vor allem ihre Vorstellungen davon, was sich im Lande ändern soll. Und vor allem zählt, dass beides zusammenpasst, die Person und ihr Programm. Da dürfte Angela Merkel bei aller sprichwörtlichen Wendigkeit ins Trudeln geraten. Im Übrigen unterscheiden die allermeisten Wähler genau zwischen den Wahlen in ihrem Land und denen für den Bundestag. Rückenwind aus Berlin kann im Land einen zusätzlichen Schub geben, wenn dort sonst alles stimmt, aber er kann die Verhältnisse in den Ländern nicht überspielen oder gar ins Gegenteil drehen.

Wer daher glaubt, die Momentaufnahme der Landtagswahlen vom Frühjahr 2017 sei das vorweggenommene Ergebnis der Bundestagswahl vom Herbst, dürfte sich (wieder mal) gewaltig irren. Was sich gezeigt hat, waren vor allem Fehleinschätzungen in der sozialdemokratischen Wahlkampfplanung, die in der Zwischenzeit erkannt worden sind. Die Hauptergebnisse aller drei Landtagswahlen sehen nur an der Oberfläche aus wie eine Serie von Niederlagen zu Lasten von Martin Schulz. In Wahrheit hatten sie aber nur eine Gemeinsamkeit: die – teils von Landesseite ausdrücklich erbetene – Abwesenheit von Martin Schulz. Im Saarland hat wie üblich die tüchtige CDU-Ministerpräsidentin den Bonus für die gemeinsame gute Arbeit in der großen Koalition allein kassiert; in Nordrhein-Westfalen hat die persönlich glaubwürdige Regierungschefin offenbar den Missmut vieler Bürger im Lande über Sicherheitspannen und Versäumnisse der Schulpolitik unterschätzt; und in Schleswig-Holstein hat sich der Spitzenkandidat mit einem unsäglichen Interview selbst zerlegt. Wenn Martin Schulz nun dauerhaft präsent ist und anschaulich macht, was Gerechtigkeit für ihn heißt, dürfte sich das Blatt im Bund auch rasch wieder wenden.

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