Das klein gehaltene Thema Klimawandel drängt endlich auf Platz eins der Agenda; die Bäume des Rechtspopulismus wachsen in Europa zwar nicht in den Himmel, aber sogar in Kernländern der Union wie Frankreich und Deutschland erweist sich die neue politische Spaltung der Gesellschaften in »kosmopolitische« Freunde und vehemente Verächter offener Grenzen sowie transnationaler Kooperation als gefährlich hartnäckig. Und zwar offensichtlich nahezu weltweit, von Brasilien und den USA bis nach Lettland, Polen, Ungarn und der Türkei. Diese unbewältigte Spaltung schwächt die demokratischen Massenparteien bedrohlich und verleiht den Rechtspopulisten und ihren autoritären Führern unverdienten Auftrieb. Was sind die tieferen Gründe dafür, was genau sind die Streitpunkte zwischen den neuen »Lagern«, wer sind ihre aktiven Organisatoren und wer die Unterstützer und bloßen Mitläufer? Es spricht viel dafür, dass dies einige der für die Zukunft der Demokratien in der Welt entscheidenden Fragen sind. Sie sind Thema dieser Ausgabe.
Wir bringen ein Gespräch mit zwei der wissenschaftlichen Leiter einer großangelegten empirischen Fünf-Länder-Studie des Wissenschaftszentrums Berlin, Wolfgang Merkel und Michael Zürn, über die wichtigsten Befunde. Sie erläutern, wie die Folgen der Globalisierung so gut wie alle Gesellschaften der Gegenwart in wirtschaftliche, soziale bzw. kulturelle Gewinner und Verlierer mit tendenziell entgegengesetzten Einstellungen spalten. Sinnfällig vor Augen geführt wird dieser Sachverhalt von Julia Friedrichs und Fabienne Hurst in ihrer Reportage über die Grenzlinien zwischen den Wohngebieten der entgegengesetzten Lager und den unterschiedlichen Gebräuchen auf beiden Seiten in einem Dorf im Rheinland.
Die Begriffe, die sich für diese »Lager« in Wissenschaft, Wahlforschung und Publizistik fürs Erste eingebürgert haben (»Kosmopoliten« gegen »Kommunitaristen«) sind nicht nur sperrig, sondern für viele der Anhänger beider Seiten auch ungenau. Sie rechnen sprachlich zu viele Bürgerinnen und Bürger dogmatischen Positionen zu, die aber eigentlich differenzierte Auffassungen hegen. Über diese Frage und darüber, welche Leitbegriffe sich für den großen politischen Kompromiss zwischen beiden, der jetzt auf der Tagesordnung beider Volksparteien steht, am besten eignen, diskutieren ein Beitrag aus der Redaktion und der Text von Julian Nida-Rümelin.
Dem weltweit respektierten Aufklärer, engagierten Bürger und leidenschaftlichen Europäer Jürgen Habermas ist eine ausführliche Gratulation zum 90. Geburtstag am 18. Juni von unserem Autor Rudolf Walther gewidmet. Die Redaktion schließt sich diesen Glückwünschen an. Analysen zur Europawahl lesen Sie in der Ausgabe Juli/August.
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