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Editorial

Die politische Kommunikation und die auf sie gestützte Willensbildung lösen sich, sobald es um Wahlentscheidungen und die Frage der Macht geht, heutzutage keineswegs in der unübersichtlichen Fülle von Kommunikationsströmen online und offline im Anonymen auf. Es ist eher umgekehrt: Gerade weil die Welt der konkurrierenden Angebote so hoffnungslos unübersichtlich geworden ist, richtet sich der Blick der Suchenden mehr denn je auf die führenden Personen, denn wenigstens sie scheinen klare Konturen zu haben und ein Mindestmaß an Verbindlichkeit zu garantieren. Sie scheinen, wenn auch auf vage Weise, eine politische Haltung zu verkörpern oder bieten sich zumindest, je nach Qualifikation, als Projektionsfläche für die Hoffnungen oder Befürchtungen vieler Wählerinnen und Wähler an. Angela Merkel ist es erstaunlich lange gelungen, mit ihrer Persönlichkeit und der Art ihrer Auftritte sehr vielen Menschen in diesem Land das Gefühl zu geben, zuverlässig, geradezu »mütterlich« für das Alltägliche zu sorgen und ihnen das Ringen um Alternativen, also das, was Politik eigentlich ausmacht, vom Halse zu halten. Niemand wusste, wohin die Reise gehen soll und die wiederholten drastischen Kehrtwenden der Kanzlerin bedurften keiner Begründung. In Wahrheit hat diese Politik »auf Sicht« aber auf ganzer Linie in die Sackgasse geführt – von der Spaltung der EU über die marode Infrastruktur hierzulande bis zur schwer defizitären Umweltpolitik.

Die Sozialdemokratie, die soeben eine neue Führung sucht, kann aus dieser Erfahrung einige Lehren ziehen, vor allem: Es kommt zwar tatsächlich sehr auf die führenden Personen und ihre Fähigkeit an, große Mehrheiten zu gewinnen – aber eben nicht nur. Gebraucht werden für den dauerhaften Erfolg Personen, die beides in sich authentisch verkörpern: Haltung, verbunden mit persönlicher Glaubwürdigkeit und ein klar erkennbares politisches Profil, das die Gesellschaft überzeugt und die eigene Partei mitreißt. Für die Sozialdemokratie heißt das heute, zwei Menschen auszuwählen, die die sozialdemokratische Idee nicht nur vertreten, sondern glaubhaft verkörpern, dass eine machbare Kombination aus innovativem, sozial gerechtem sowie ökologisch und migrationspolitisch nachhaltigem Handeln möglich ist. Davon hängt die Existenz der SPD als Volkspartei ab. Programmvorschläge für eine solche »integrative Politik« liegen bereit.

Der nächste überzeugende Schritt sozialdemokratischer Politik sollte die Sicherung des Rechts auf humanes Wohnen für alle sein. Auch dafür gibt es, wie diese Ausgabe zum Thema »Grundrecht Wohnen« zeigt, teils seit Längerem erfolgversprechende Vorschläge – und jetzt auch erste Schritte.

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