COVID-19 – das könnte die symbolische Chiffre für eine politische Zeitenwende werden. Es geht dabei um die Umkehrung des Trends der Globalisierung und internationalen Kooperation in Richtung Abschließung und nationalistische Machtkonkurrenz. Manche nennen es »De-Globalisierung«, so als könnten die faktischen Grenzüberschreitungen, voran der Klimawandel, durch den Willen politischer Machthaber annulliert werden. Ihnen kommen rund um den Globus gesellschaftliche Stimmungen entgegen, die bei fragwürdigen Autoritäten Zuflucht gegen Ängste und Desorientierung suchen. Dieser Rückwärtstrend war jüngst sogar im Herzen der EU zu spüren als einige einflussreiche Mitgliedsländer über Nacht beschlossen, ihre Grenzen dichtzumachen, ohne erkennbare Abstimmung innerhalb der Union. Die politischen Führungspersonen der Gemeinschaft traten bei diesem historischen Schritt nicht in Erscheinung, so als ob das politische Europa schon ohne Führung wäre. Dabei ist die inzwischen nicht mehr überraschende Pandemie doch gerade der Ernstfall, in dem sich die Handlungsfähigkeit Europas existenziell zu bewähren hätte. Erbarmungswürdig auch der Auftritt des europäischen Spitzentrios an der griechisch-türkischen Grenze, ohne menschliche Begegnungen, weder mit den gestressten Anwohnern der Grenzregion noch mit jenen, denen der Übertritt auf europäisches Territorium gelungen war. Ein paar Blicke hernieder auf das Elend von hoch oben aus dem Hubschrauber. Eine Demonstration der Hoffnungslosigkeit und des Führungsversagens.
Politische Führung – das ist der Schwerpunkt dieser Ausgabe. Dass auch die beste Demokratie ohne überzeugende politische Führung – im Kleinen wie im Großen – nicht auskommt, wird kaum noch bestritten. Anders als die meisten Aktivisten der Linken und der sozialen Bewegungen glauben, kann sie durch Mobilisierung und starke Ideen nicht ersetzt werden. Auch Institutionen und Verfahren können nicht, wie manche Musterdemokraten meinen, an ihre Stelle treten. In Zeiten der Orientierungslosigkeit, des raschen Wandels und der Angst wächst überall auf der Welt der Bedarf an glaubwürdigen Führungspersonen – leider schwinden zugleich vielerorts Fähigkeit und Geduld zur Unterscheidung zwischen den angemaßten »Möchtegern«-Autoritäten, die ihrer Gefolgschaft das Heil durch Polarisierung und Ausschließung versprechen und jenen, die für das Wohl der ganzen Gesellschaft im Ernst wirklich einstehen, indem sie mit Geduld und Sachverstand alle einbeziehen. Das und mehr behandeln die Beiträge dieser Ausgabe zum Thema Führung.
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