Die beiden Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben Bewegung in die deutsche Politik gebracht, die CDU ist deutlich geschwächt, ein Trend, den die Umfragen seither noch klarer machen. Regierungsmehrheiten ohne sie werden greifbar. Sobald Angela Merkel ihren Platz geräumt hat und ihr persönliches Charisma als glaubwürdige Fürsorgerin nicht mehr die größten Schwächen und Versäumnisse ihrer Partei überdeckt, wird die Sozialdemokratie zum ersten Mal seit Langem mit dem soliden Olaf Scholz wieder eine echte Chance auf das Kanzleramt haben. Freilich ist es für seriöse Prognosen zu früh, denn der weitere Verlauf der Corona-Krise und die Antwort auf die Frage, ob ihre größten Risiken im Frühherbst beherrschbar erscheinen, werden für die Stimmung am Wahltag entscheidend sein. Das Virus hat den Zuständen im Lande aber schon jetzt auf eine Weise den Spiegel vorgehalten, die für Ausflüchte und Schönreden keinen Raum mehr lässt. Die neoliberalen Träumevon einem »schlanken Staat«, für den Kürzungen überall als Erfolgsmeldung gelten und der die »schwarze Null« heiligt, sei es auch um den Preis maroder oder gar fehlender Infrastruktur auf so lebenswichtigen Feldern wie dem Gesundheitswesen und der digitalen Kommunikation, hätten eigentlich schon nach der inanzmarktkrise 2008 ausgeträumt sein müssen. Sie hatten auf seltsame Weise überlebt, nun aber ist endgültiges Aufwachen angesagt. Das und die zunehmende Notwendigkeit einer sozial-ökologischen Antwort auf die ungelöste Klimakrise müssten Kernthemen einer Koalition diesseits der Union sein. Olaf Scholz' Losungswort »Respekt« ist der Schlüssel dafür, wenn es mit Nachdruck auf die Achtung von Mensch und Natur angewandt wird, besonders der bisher zurückgelassenen Menschen in den prekären Jobs und jenen, deren herausragender Einsatz in der Pandemie von der »Leistungsgesellschaft« recht stiefmütterlich entgolten wird. Dafür kann zuverlässig nur die demokratische Gemeinschaft als Ganze, genannt der Staat, sorgen und nicht der Selbstlauf einer »Gesellschaft der Singularitäten« und der Märkte. Wir diskutieren dieses und weitere Themen fortlaufend in unserer Rubrik »Wir wählen«.
Politik in der Neuen Weltordnung ist das Thema dieser Ausgabe. Die Umorientierung der amerikanischen Außenpolitik unter dem Präsidenten Joe Biden verspricht entscheidende Impulse für die Wiederbelebung des Multilateralismus in der internationalen Politik. Die Zusammenarbeit zwischen einer selbstbewussten Europäischen Union und den USA kann wieder Tritt fassen und als Basis für ein unbeirrt konstruktives Zusammenwirken mit China und Russland dienen. Unsere Beiträge analysieren die Chancen und die Risiken der veränderten Lage.
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