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Unser Staat Editorial

Als die Corona-Pandemie begann, haben viele eine neue Stunde des Staates gesehen, mit starkem Eingreifen zum Schutz der Menschen. Inzwischen erleben wir im Westen, wie eine Minderheit ihre Kritik geradezu als Aufstand gegen den Staat inszeniert. Und in Russland erleben wir einen Repressionsstaat, der das Nachbarland Ukraine überfällt und dort die Freiheitshoffnungen versucht niederzuschießen. Als Europa zusammenzuwachsen begann, schien die nationalstaatliche Ebene unwiderruflich an Bedeutung zu verlieren. Inzwischen sorgen Populisten und Potentaten weltweit dafür, dass Denken in Staatsgrenzen wieder zum Mainstream wird.


In den offenen demokratischen Gesellschaften schien obrigkeitsstaatliche Autorität gestrig geworden zu sein. Der Staat nun als zugewandter, zunehmend bunter, flexibler, eher moderierender und allseits akzeptierter Garant für das Zusammenleben in Vielfalt? Nicht einmal das simple Funktionieren seiner Verwaltung ist mehr selbstverständlich. Manche neueren Debatten handeln vom Ruf nach (wieder) mehr repressiver Autorität nach innen und militärischer Stärke nach außen. Führungsstilfragen inklusive, schon unter Angela Merkel und nun erst recht sehr gezielt gegenüber Olaf Scholz. Ja, ohne klar sichtbare Linie wirkt Politik hilflos. Aber das sagt noch nichts über Inhalt und Qualität.


All das fordert heraus, das große Thema Staat genauer zu betrachten – es ist der Schwerpunkt dieser Ausgabe. Die Zielkonflikte zwischen Verbindlichkeit und Liberalität, die tatsächlich drängenden Funktionsdefizite, die kulturellen Prägungen hinter unserem Staatsverständnis und die Frage politischer Strategien angesichts vernachlässigter sozialer Verwerfungen: Aus unterschiedlichen Perspektiven bieten unsere Autorinnen und Autoren dazu spannende Gedanken an.


Was kann, was soll demokratische Politik heute leisten, zumal angesichts der Herausforderung durch Putins Russland? Auch in der Rubrik »aktuell.hinterfragt« geht es letztlich immer wieder um diesen Kern. Es ist die übergeordnete Richtungsfrage in dieser komplizierten Zeit. Umso dringender, die kritischen Punkte herauszuarbeiten, ohne zurückzufallen in alte Freud-Feind-Schemata und rein militärisches Denken, innen- wie außenpolitisch. Umso wichtiger, sozial verantwortliche Antworten einzufordern und zur weiteren Debatte anzuregen. Wir laden ein dazu, es lohnt sich.
 

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