Die Unterzeichner forderten von der damaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) »eine zentrale Taskforce, die sich einzig den klimapolitischen Herausforderungen in Museen und anderen öffentlichen Ausstellungshäusern widmet sowie zwischen Länder- und Bundesebene sowie zwischen Ministerien und Museen vermittelt«. Als für den Klimaschutz relevante Bereiche der Museumstätigkeit benannten sie »Klimatisierung, Licht, Leihverkehr, Mobilität, Heizung, Abfallmanagement, Neubauten, Material- und Produktwahl«. »Wir fordern, dass der Kulturbetrieb zum Vorreiter auch im Klimaschutz werden kann«, schlossen die Unterzeichner.
Auch wenn die einige Monate später ausgebrochene Coronapandemie die Kunstinstitute vor gänzlich andere Herausforderungen stellte, veranschaulicht der Brief, dass die Debatte um einen nachhaltigen, umwelt- und ressourcenschonenden Ausstellungsbetrieb bereits seit mehreren Jahren geführt wird. Angesichts der Auswirkungen der pandemiebedingten monatelangen Schließungen der Ausstellungshäuser ist die Debatte jedoch zeitweise in den Hintergrund geraten.
Und was vor dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine eher im Hinblick auf den Beitrag der Kunstwelt zum Klimaschutz diskutiert wurde, dürfte angesichts der zwischenzeitlich immens gestiegenen Strom- und Gaspreise auch zu einer Frage nach der Rolle der Kulturinstitutionen in der Energiekrise geworden sein. Wie steht es also um Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Kunstmuseen?
Um dieser Frage nachzugehen, lohnt sich zunächst ein beispielhafter Blick auf das institutionelle Handeln vor Ort. »Wir müssen Zeichen setzen und uns klar engagieren«, sagt Till Fellrath, seit Januar 2022 gemeinsam mit Sam Bardaouil Direktor des zur Nationalgalerie zählenden Hamburger Bahnhofs in Berlin. Er verweist unter anderem auf die seit Oktober 2022 temporär abgeschaltete Lichtinstallation von Dan Flavin auf der Außenfassade des Museumsbaus. »Kann man sich von liebgewonnenen Dingen verabschieden? Warum wird es überhaupt ausgeschaltet – abgesehen von der Stromersparnis?«: Solche Fragen habe die Abschaltung hervorgerufen. »Es hat viele Menschen zum Nachdenken angeregt«, betont Fellrath.
Er benennt aber auch zahlreiche längerfristig angelegte Vorhaben auf dem Weg zu einem nachhaltigen Ausstellungsbetrieb. So sollen die Rieckhallen, deren Verbleib im Herbst 2022 mittels eines Erwerbs durch den Bund und das Land Berlin gesichert wurde, nicht aufwendig saniert und klimatisiert werden. »Wir wollen sie so lassen wie sie sind, aber mit einem Nachhaltigkeitskonzept sozial und ökologisch umgestalten«, sagt Till Fellrath.
Das Gebäude soll begrünt und mit Solarzellen versehen werden sowie eine Passivklimatisierung erhalten. Dort wird man nur Kunst zeigen können, die für solche klimatischen Bedingungen geeignet ist. In den klimatisierten Gebäudeteilen der ebenfalls durch Land und Bund angekauften Kleihueshalle könnten dann andere Arbeiten gezeigt werden. »Wir können das Haus auf diese Weise gewissermaßen zweiteilen und dadurch enorm Energie einsparen«, so Fellrath.
Transporte reduzieren, Laufzeiten verlängern
Auch in der Reduzierung von Kunsttransporten sieht er einen möglichen Ansatz. Fellrath verweist in diesem Zusammenhang auf den Standortvorteil des auf Gegenwartskunst fokussierten Museums: »Wir haben das große Glück, dass so viele Künstler:innen aus der ganzen Welt in Berlin leben, dass man eigentlich alles hier vor Ort produzieren und experimentieren kann.« »Wir werden uns viel stärker hier in der Kunstszene engagieren und versuchen, Transporte so weit wie möglich zu reduzieren. Stattdessen wollen wir uns auf lokale Talente und Dinge, die hier einen Bezug haben oder hier produziert werden, konzentrieren«, kündigt der Ko-Direktor des Hamburger Bahnhofs an.
Eine weitere Option, die Fellrath anspricht, ist die längere Laufzeit von Ausstellungen. Als Beispiel verweist er etwa auf die Londoner Tate. Zudem beobachtet er Kontroversen unter Restauratoren – wenn es etwa um die Konservierung von Kunstwerken sowie die Klimatisierung von Ausstellungsräumen und Museumsdepots geht. Dabei gehe es auch um sehr grundsätzliche Fragen: »Muss alles für 1.000 oder 10.000 Jahre aufgehoben werden? Ist unsere Vorstellung überhaupt realistisch, Dinge für immer aufzuheben? Was wollen wir überhaupt in die Zukunft mitnehmen? Wer entscheidet, was wichtig und was unwichtig ist?«.
Leitfaden für Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Museen
Zusammenfassend gibt Till Fellrath zu bedenken: »Es ist ein langer Weg, bis man einen CO2-Fußabdruck von einer gesamten Ausstellung überhaupt ermitteln kann.« Denn es sei nicht einfach, alle hierfür relevanten Faktoren und Stellgrößen einzugrenzen. Eine bessere Datengrundlage fordert auch Sina Herrmann: »Die Museen wissen zum Großteil gar nicht, was ihre Verbräuche sind und welchen CO2-Fußabdruck sie haben.« Beim Deutschen Museumsbund ist Herrmann für das auf zwei Jahre angelegte Projekt »Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Museum« zuständig.
Bis März 2023 erarbeitet der Museumsbund einen Leitfaden, der Museen bei der Umsetzung von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen unterstützen soll. »Wir möchten Museen dazu anregen, Nachhaltigkeit in all ihren Prozessen und Aufgaben mitzudenken, gegebenenfalls Abwägungen zu machen und sich davon zu verabschieden, dass alles so weitergehen kann wie bisher«, beschreibt Herrmann die Ziele des Leitfadens. Als mögliche Abwägungen erwähnt sie dabei etwa: »Muss es das Objekt aus Übersee sein, oder haben wir ein ähnliches Objekt auch in der eigenen Sammlung? Braucht es vier Ausstellungen im Jahr oder reichen auch zwei?«
Neben Anleitungen zur Einführung einer Nachhaltigkeitsstrategie oder zur Erstellung einer CO2-Bilanz gehe es aber auch um »klassische betriebsökologische Maßnahmen wie die Umstellung auf Ökostrom, Wassersparmaßnahmen und Empfehlungen zur nachhaltigen Beschaffung und zum nachhaltigen Abfallmanagement, bis hin zu Empfehlungen für Museen, wie sie beispielsweise beim nachhaltigen Bauen Einfluss nehmen können oder den CO2-Fußabdruck der Besucher:innenmobilität reduzieren können«. »Das wichtigste Ziel für mich ist, dass Museen keine Angst haben, damit zu beginnen, Klimaschutz aktiv in ihrem Haus zu betreiben«, resümiert Herrmann.
Die Energiekrise habe gezeigt, »dass Institutionen, die bereits ein Energiemanagement eingeführt haben, auf erneuerbare Energieträger umgestiegen sind und Notfallpläne im Falle eines Blackouts erstellt haben, jetzt besser dastehen«. Gewissermaßen habe die Krise die Umdenk- und Umstellungsprozesse beschleunigt. »Allerdings muss weitergedacht werden«, betont Sina Herrmann. So müsse sich etwa die Art, wie derzeit Museumsgebäude gebaut werden, »wesentlich ändern«, mahnt sie.
Zaghaft einsetzende politische Bemühungen
Und welche Rolle spielt eigentlich die Politik, die vor mehr als drei Jahren von Museumsdirektoren, Wissenschaftlern und Künstlern eindringlich zum Handeln aufgerufen wurde? Inwieweit kann sie Kunstmuseen und Ausstellungshäuser auf dem langen Weg zu einem nachhaltigen Ausstellungsbetrieb begleiten und unterstützen?
Die Staatsministerin für Kultur und Medien heißt inzwischen Claudia Roth und ist Mitglied der Grünen. Die geforderte zentrale Taskforce wurde zwar bisher nicht eingerichtet. Immerhin aber hat sie im April 2022 ein Referat für Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes in Kultur und Medien geschaffen. »Es soll unter anderem den Aufbau der im Koalitionsvertrag vereinbarten Anlaufstelle Green Culture vorantreiben und die Nachhaltigkeitspolitik innerhalb der Behörde verantworten«, heißt es auf der BKM-Webseite. Im November 2022 fand eine Auftakttagung statt.
Während die Bundesregierung mit ihren Bemühungen erkennbar erst am Anfang steht, haben neben dem Deutschen Museumsbund auch etliche Kunstmuseen die Initiative ergriffen. So hat die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen im Bemühen um mehr Energieeffizienz eine umfängliche Studie zum hauseigenen Klimamanagement durchgeführt, bei der unter anderem die Temperatur und Luftbefeuchtung in ausgewählten Ausstellungsräumen modifiziert wurde.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) hat seit 2021 mit der Kuratorin Nina Schallenberg eine eigene Nachhaltigkeitsbeauftragte. Im Hamburger Bahnhof kuratierte sie 2022 die Ausstellung »Balance«, die unter anderem auf Nachhaltigkeit und Reduzierung der CO2-Emissionen ausgerichtet war. Die SPK ist eine von etlichen Projektpartner/innen des »Aktionsnetzwerks Nachhaltigkeit in Kultur und Medien«. Das von Claudia Roths Behörde geförderte Netzwerk sieht sich als »eine zentrale, spartenübergreifende Anlaufstelle für das Thema Betriebsökologie in Kultur und Medien«.
Der Deutsche Museumsbund erarbeitet unterdessen gemeinsam mit Museumsfachleuten und externen Experten ökologische Mindeststandards für Museen. »In diesem gemeinschaftlichen Prozess können verpflichtende Standards für Museen gesetzt werden, auf die sich die Museen geeinigt haben und die für alle Museen umsetzbar sind«, sagt Sina Herrmann. »In Absprache mit der Politik können wir dann schauen, wie diese Standards umgesetzt werden können, was Museen brauchen und wie die Politik sie dabei unterstützen kann«, erläutert sie. Dass das Anliegen von hoher Dringlichkeit ist, betonen alle Akteure.
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