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Gedanken über Jugend und Rente Ein sozialdemokratischer Weitblick in eigener Sache

Junge Menschen leben im hier und jetzt, denken im morgen und kämpfen für übermorgen: »Fridays for Future« ist in aller Munde – Schule schwänzen für die gute Sache, für unsere Zukunft. So zeigt sich, wie hochpolitisch junge Menschen heute sind und in Eigenverantwortung und Eigeninitiative handeln: In regelmäßigen Demonstrationen in ganz Deutschland und weltweit fordern sie von Politik und Unternehmen zu Recht ein deutlich stärkeres Engagement für den Klimaschutz. Junge Menschen sorgen sich um ihre Zukunft und erheben ihre Stimme in der Öffentlichkeit.

Dabei entsteht zugleich jedoch der Eindruck, dass der Klimaschutz zurzeit das einzige bestimmende Thema für sie ist. Der Klimaschutz drängt ja, er ist keine Option mehr und bedarf sofortiger Handlung – keine Frage. Doch selten hört man uns junge Menschen beispielsweise über Rente und Altersarmut leidenschaftlich diskutieren und streiten. Eine Art »Fridays for Future« mit der Forderung für gerechte Renten und sichere Altersvorsorge für unsere Generation ist wohl nur ein Hirngespinst. Es geht uns ja vermeintlich nichts an – jedenfalls jetzt noch nicht.

Sind wir jungen Menschen also doch desinteressiert? Uns kann man ja wohl nicht vorwerfen, keine Weitsicht zu haben, den Blick nicht einmal über den Tellerrand zu wagen. Wir sind progressiv, innovativ und wir haben klare Forderungen – im Klimaschutz, im Europawahlkampf, wenn es um Schule, Studium und Mobilität geht. Der Blick ist langfristig, wir sind bereit, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu hinterfragen, zu handeln und eben auch uns ganz privat einzuschränken. Warum denken wir – mit dieser Gewissheit im Hinterkopf – nicht an unsere Altersversorgung in 50 Jahren? Warum schließen wir nicht von aktuellen Schwierigkeiten staatlicher Rentensysteme auf den Dominoeffekt, der alle weiteren Rentnergenerationen betreffen wird – eben auch unsere. Warum leben wir bei diesen Themen nach dem Motto »der Staat wird es schon richten, wenn es soweit ist« und vertrauen hier blind auf staatliches Handeln, obwohl wir ihm in so vielen Bereichen – darunter beim Klimaschutz – die Kompetenz absprechen und die Sache selbst in die Hand nehmen? Große Fragen, die wir uns als junge Menschen stellen und für mehr Eigenverantwortung und Eigeninitiative appellieren – für einen Weitblick in eigener Sache.

Denn nicht nur beim Klimaschutz herrscht ein Generationenkonflikt, sondern auch beim Thema Rente, da der Anteil der Rentnerinnen und Rentner an der wahlberechtigten Bevölkerung steigt. Daraus ergibt sich ein schwieriges Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der aktuell jüngeren und der älteren Generation und politische Entscheidungen werden aus machtpolitischen Interessen oft zulasten künftiger Rentnergenerationen getroffen – wie auch beim Thema Klimaschutz. Neben dieser allgemeinen Feststellung verschärft die demografische Entwicklung die Situation, da auf immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner/innen kommen.

Ein zuverlässiges Rentensystem ist nötig, wofür sowohl die Stärkung der gesetzlichen und der betrieblichen Altersvorsorge als auch die Suche nach jungen, neuen und kreativen Lösungen elementar sind. Das Engagement junger Menschen für ihre Rente geht jedoch zurück, obwohl sich in der Jugendstudie 2019 von MetallRente, einer gemeinsamen Gründung von IG Metall und Gesamtmetall und dem nach eigener Angabe größten Versorgungswerk Deutschlands, 68 % der jungen Menschen vor Altersarmut im Ruhestand fürchten und zudem die Befragten die Herausforderung des demografischen Wandels kennen. Wenn wir uns dieser Problemlage bewusst sind, aber trotzdem nicht handeln, bräuchten wir hier vielleicht Stéphane Hessels Botschaft »Empört Euch!«?

Empörung setzt Wissen über das Thema voraus. Die Jugendstudie zeigt jedoch, dass lediglich 29 % der Befragten angeben, »sehr gute« oder »gute« Kenntnisse beim Thema Rente zu haben. Die Komplexität der Rentensysteme und die Vielzahl an Konzepten sind hierfür wohl die entscheidenden Gründe.

Zugleich stellt sich die Frage, wer dafür verantwortlich ist, Menschen vor Altersarmut zu bewahren: Welche Verantwortung trägt dabei jede/r Einzelne und welche der Staat? Dies gilt insbesondere mit Blick auf das Zusammenspiel der drei Säulen der Rente: (1.) gesetzliche Altersvorsorge und Ausbildungs- und Beitragsjahre sowie Beitragshöhe, (2.) betriebliche sowie (3.) private Altersvorsorge. Während Friedrich Merz eine Stärkung der privaten Altersvorsorge auf Grundlage von Aktien fordert, wünschen sich laut Studie junge Menschen eine stärkere Rolle des Staates in der Altersvorsorge. Erfreulich daran ist ihr Vertrauen in den Staat – das darf jedoch nicht einhergehen mit sinkender Eigenverantwortung.

Die Autoren der Jugendstudie fordern eine Veränderung bei der betrieblichen Altersvorsorge: Sobald man in einen Betrieb mit der Möglichkeit einer betrieblichen Altersvorsorge einsteigt, soll man automatisch in dieses Versicherungssystem aufgenommen werden. Die Option, nicht Teil dieses Systems zu sein, bliebe den Menschen offen. Diese Veränderung findet auch die Unterstützung junger Menschen und wäre eine Stellschraube, die Altersvorsorge zu stärken.

Gerade die Sozialdemokratie darf sich aber bei diesem Generationenkonflikt nicht zurücklehnen und muss weiter dafür kämpfen, dass es zu Mindestlöhnen kommt, die sicherstellen, dass Menschen im Ruhestand nicht auf die Grundsicherung angewiesen sind. Denn es ist eine soziale Frage, die das Land spaltet und auch in Zukunft spalten wird. Fragen sozialer Gerechtigkeit, sozialen Ausgleichs und Absicherung haben unmittelbar Einfluss auf das politische Klima in unserem Land. Es bewegt uns alle, weil es uns alle etwas angeht. Es ist vielleicht nur eine Frage der Zeit, dass die jungen Menschen dieser Welt die Nebenwirkungen zu spüren bekommen und die Fehler vergangener Generationen nicht nur ausbaden müssen, sondern auch reproduzieren. Oder es ist eine Frage der Eigeninitiative: Gerade, weil es uns alle etwas angeht, dürfen sich junge Menschen nicht wegducken. Nein, gerade jetzt können sie Antworten geben auf soziale Fragen und das politische Klima beeinflussen.

Wie bei »Fridays for Future« kommt es ganz entscheidend auf uns als junge Generation an. Ohne frische und kluge Ideen der heutigen jungen Generation werden die Herausforderungen der Altersvorsorge nicht zu bewältigen sein. Auch wenn die Mobilisierungsfähigkeit im Gegensatz zum Klimaschutz (mit globaler Reichweite) beim Thema Rente (und ihrer Verankerung im staatlichen Rahmen) niedriger ausfällt, sind weitsichtiges Handeln und das Einfordern von Rechten auch hier dringend erforderlich. Wie »Fridays for Future« und andere Bewegungen zeigen: Junge Menschen haben eine Stimme die gehört wird. Das Gewicht der Demonstrationen auf der medialen Agenda bis in die ersten Reihen der Politik hinein sowie der politische Druck, den die junge Generation ausüben kann, war vielen Teilnehmer/innen dieser Aktionen zu Beginn sicherlich nicht bewusst. Heute ist klar: Das Modell zeigt Wirkung. Und so enden wir unsere Gedanken über die Weitsicht in eigener Sache mit einem Appell an unsere Generation: Wir jungen Menschen werden gehört, wir können Großes bewirken und sollten die Deutungshoheit auch beim Thema Rente beanspruchen. Rente ist ein Zukunftsthema, das uns schon jetzt unmittelbar betrifft, und daher brauchen wir auch hierfür eine starke Stimme und nicht zuletzt Eigenverantwortung sowie Eigeninitiative.

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