»Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert.« Die ehemalige CEO von Hewlett-Packard Carly Fiorina beschrieb mit diesem einen Satz vor über zehn Jahren kurz und knapp einen Prozess, der immer mehr unser aller täglich Leben durchzieht. Digitale Bestellmöglichkeiten oder Zahlungsmethoden sind eher die Regel als die Ausnahme, mit Begriffen wie Smart Home oder Smart City kann mittlerweile (fast) jeder Mensch etwas anfangen und auch die Digitalisierung der Arbeitswelt nimmt immer mehr Fahrt auf.
Wenn man nach den größten Herausforderungen der nächsten zehn Jahre für Deutschland gefragt wird, wird Digitalisierung im gleichen Atemzug mit dem Klimaschutz genannt. Das unterstreicht den Stellenwert, den die Digitalisierung mittlerweile einnimmt – zu Recht. Denn im Bereich der Digitalisierung liegt ein enormes Potenzial, was wir noch immer nicht ausreichend ausschöpfen. Digitalisierung muss den Menschen zugutekommen und darf keine Ängste hervorrufen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten muss daher gelten: Soziale und ethische Aspekte der Digitalisierung sind unerlässliche Bestandteile und müssen immer mitgedacht und gleichzeitig vermittelt werden. Nur so werden wir es schaffen, bei der Digitalisierung alle Menschen mitzunehmen.
Stichwort Gesundheit: Auch in diesem für uns alle mittlerweile mehr ins Bewusstsein gerückten Bereich macht Digitalisierung nicht halt. Dazu empfiehlt sich die Lektüre des im letzten November erschienenen E‑Health-Monitor von McKinsey, in dem der derzeitige Zustand der digitalen Gesundheitsversorgung untersucht wurde. Positiv dabei hervorzuheben ist die Vielzahl an digitalen Angeboten in Deutschland, die es von Gesundheitseinrichtungen oder Krankenkassen für Patienten oder Anwenderinnen mittlerweile gibt. Die Pandemie hat zudem das Angebot an Video-Sprechstunden regelrecht explodieren lassen. Auch ist der Großteil der Ärztinnen und Apotheker mittlerweile an eine Telematik-Infrastruktur angeschlossen. Weiterhin lässt sich feststellen, dass die Akzeptanz und der Nutzungsgrad digitaler Gesundheitslösungen bei Patient/innen außerordentlich hoch sind. In den letzten zwei Jahren hat zudem der Deutsche Bundestag viele Gesetze auf den Weg gebracht, die die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben: die elektronische Patientenakte oder die Möglichkeit zur Erstellung eines elektronischen Rezeptes, wie das E‑Health-Gesetz, das Terminservice- und Versorgungsgesetz oder das Digitale-Versorgungs-Gesetz mit der App auf Rezept.
Dennoch: Die Corona-Pandemie legte die Schwachstellen des digitalen Status quo im Gesundheitswesen in Deutschland offen. Uns allen bleibt dazu sicherlich prägend in Erinnerung, dass die Gesundheitsämter per Fax die aktuellen Corona-Zahlen an das Robert-Koch-Institut übermitteln mussten. Oder auch die Tatsache, dass es zumeist noch eines Aufklebers im gelben Impfbuch bedurfte, um die Impfung gegen das Corona-Virus zu dokumentieren. Oder, dass die Impfung höchstens eine Minute dauert, während der bürokratische Aufwand für die Ärzte um ein Vielfaches größer ist.
Unser analoges Gesundheitssystem wird weltweit als vorbildlich angesehen. Doch andere Länder sind gerade dabei, uns hier den Rang abzulaufen. Während der Pandemie haben wir am Beispiel Israel erleben können, welche reaktionsschnellen Auswirkungen eine digitale Vernetzung im Gesundheitsbereich haben kann. Weiterhin sind unsere europäischen Nachbarn schlichtweg schneller gewesen, beispielsweise hinsichtlich der Einführung eines digitalen Impfausweises.
Wie erwähnt haben wir im Deutschen Bundestag inzwischen vieles auf den Weg bringen können, was die Digitalisierung im Gesundheitswesen in den verschiedenen Bereichen voranbringen oder zum Durchbruch verhelfen wird. Wir wollen unser hoch angesehenes Gesundheitssystem ins digitale Zeitalter bringen und somit zukunftsfester machen. Dazu gehört vor allem auch das Anfang Mai im Bundestag beschlossene »Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetz« (DVPMG).
Besonders wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind stolz darauf, dass wir dieses wichtige Gesetz endlich auf den Weg bringen konnten, weil wir diesen Punkt aus unserem Regierungsprogramm in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt hatten. Wichtig wird sein, dass die nun beschlossenen Punkte – Ausbau der Telemedizin, bessere digitale Vernetzung und zusätzliche Einsatzmöglichkeiten in der Telematikinfrastruktur, Weiterentwicklung der elektronischen Patientenakte und des E-Rezeptes, neue digitale Anwendungen auch in der Pflege – schnell umgesetzt werden.
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird uns dabei unterstützen, eklatante Schwachstellen in unserem Gesundheitssystem endlich angehen zu können. Hierzu zählt insbesondere der hohe bürokratische Aufwand, der zeitraubend und teuer ist. Oder auch die alltägliche Arbeit des chronisch überarbeiteten Pflegepersonals in den Kliniken und Pflegeheimen. Damit ist nicht gemeint – um es zugespitzt auszudrücken – dass künftig nur noch künstliche Intelligenz das Essen ans Krankenbett bringen wird, damit wir Personal einsparen können. Mein Punkt ist ein anderer: Die Ärzteschaft und das Pflegepersonal müssen wir von der »Zettelwirtschaft« befreien, damit sie sich mehr dem Wohle der Patientinnen und Patienten widmen und mehr Zeit für diese aufbringen können. Denn das ist deren originäre Aufgabe. Daher ist es auch wünschenswert, dass beispielsweise die digitale Patientenakte schnell Einzug hält in die alltägliche Arbeit in Pflegeheimen und Kliniken. Auch eine bessere Vernetzung von Ärzten, Apotheken oder weiteren medizinischen Einrichtungen würde einiges vereinfachen.
Eine bessere Vernetzung ist besonders dort von großer Bedeutung, wo die Dichte an Arztpraxen, Krankenhäusern oder Apotheken nicht so hoch ist wie in den Großstädten. Dazu zählt insbesondere der ländliche Raum in Deutschland. Oftmals wird verdrängt, dass die Vielzahl der Menschen in Deutschland nämlich genau dort wohnt, lebt und arbeitet. Eine gute Gesundheitsversorgung ist daher dort ebenso von essenzieller Bedeutung, wie sie in großstädtischen Ebenen bereits vorhanden ist. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens würde nicht nur dazu führen, dass wir die bestehenden Strukturen besser miteinander vernetzen können und somit Wege sprichwörtlich kürzer werden, sondern auch, dass wir den Standort »ländlicher Raum« stärken und dort schlummernde Potenziale heben können. Daraus können sich zukunftssichernde Standortvorteile für den gesamten ländlichen Raum und damit den Gesundheitsstandort Deutschland ergeben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich Start-ups im Bereich Gesundheitswirtschaft dort ansiedeln und vom Bund geförderte Pilotprojekte zur Digitalisierung starten. Dabei würde, wie der E-Health-Monitor gezeigt hat, auch die Aufgeschlossenheit der Bevölkerung gegenüber digitalen Gesundheitslösungen unterstützend wirken.
Denn vielerorts ist zu erleben, dass sowohl junge als auch ältere Menschen immer mehr ihre digitalen Endgeräte nutzen, um Termine auszumachen, Fitness-Apps herunterzuladen, um ihren sportlichen Aktivitäten nachzugehen oder der Krankenkasse ihre Vorsorgeuntersuchungen mitzuteilen, um an Bonusprogrammen teilnehmen zu können. Sicherlich werden auch die digitalen Helfer bei der Pflege, die wir im Gesetz festgelegt haben, bald Erfolge zeitigen können. Da immer weniger junge Menschen immer mehr Älteren gegenüberstehen, wird der Bereich der Pflege ohne digitale Angebote künftig nicht mehr auskommen können, wenn wir den hohen Qualitätsstandard bei der Pflege aufrechterhalten wollen.
Mir ist sehr daran gelegen, dass wir die bei der Bevölkerung gestiegene Bereitschaft zur Nutzung digitaler Formate nun nutzen, und digitale Angebote weiter ausbauen. Start-ups können hierzu entscheidende Impulse setzen, der Staat dazu die finanziellen Mittel bereitstellen. Wir dürfen bei den finanziellen Mitteln zudem nicht knausern, sondern müssen regelrecht klotzen. Es ist bei all den Digitalisierungsvorhaben gut angelegtes Geld. Die später daraus erwachsende Effizienz wird dafür umso mehr Kosten einsparen, alleine, weil der bürokratische Aufwand entfällt. Wie unser Gesundheitssystem der Zukunft aussehen wird, entscheidet das nächste Jahrzehnt. Es ist daher umso wichtiger, dass wir daraus ein sozialdemokratisches Jahrzehnt machen. Denn nur bei der Sozialdemokratie können sich die Menschen sicher sein, dass soziale Aspekte im Bereich der Digitalisierung mitgedacht werden. Die beschlossenen Gesetze zur Digitalisierung unseres Gesundheitssystems sind erste wichtige und große Schritte, weitere werden und müssen folgen, damit wir es auch zukunftsfest machen.
Bei aller Kritik, die von Seiten der Ärzteschaft oder von Digital-Verbänden dazu kommt: Wir sollten uns jetzt nicht ins Klein-Klein begeben, sondern sukzessive daran arbeiten, dass die Umsetzung des Gesetzes und die Anwendung der einzelnen Vorhaben schnell vorankommen. Das geht nur gemeinsam. Man wird bei einem solch großen Gesetzesbereich sicherlich an der einen oder anderen Stelle immer wieder mal gesetzgeberisch nachsteuern müssen. Dennoch sollten wir jetzt schnell und umfassend damit beginnen, unser Gesundheitssystem zu digitalisieren, um es gleichzeitig noch besser zu machen. Damit wir in diesem Bereich auch künftig weltweit als Vorbild gelten.
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