Menü

© picture alliance / dpa | Sebastian Kahnert

Warnungen des Club of Rome blieben weitgehend folgenlos Ernüchternde Bilanz nach einem halben Jahrhundert

Vor 50 Jahren erschien das Buch Die Grenzen des Wachstums, der erste Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit und zur Zukunft der Weltwirtschaft. Umweltprobleme waren in Fachkreisen bereits ein Thema: Man sprach vom Ökozid, wusste um die Klimaerwärmung und war mit Abfallproblemen und Emissionen verschiedenster Art konfrontiert. Die absehbare Wachstumsdynamik war exponentiell, der massive Anstieg bei Industrieproduktion, Bevölkerung und Ressourcennutzung könnte mittel- bis langfristig größere ökologische und gesellschaftliche Schäden verursachen. Einzelne Szenarien wiesen für die erste Hälfte des 21. Jahrhunderts auf einen Kollaps hin.

Der Bericht wurde sehr kontrovers aufgenommen: Einerseits verlieh er der neu entstehenden Umweltbewegung einen starken Schub und stellte den bis dahin nahezu unangefochtenen Glauben an immerwährendes wirtschaftliches Wachstum infrage. Andererseits wurde er stark kritisiert, u. a. weil er den menschlichen Erfindergeist, der künftige Probleme lösen würde, nicht berücksichtigt habe oder einfach aufgrund seiner pessimistischen Szenarien.

Dass diese aber durchaus im Bereich des Möglichen lagen, zeigte Graham M. Turner 2008 in seinem Artikel »A comparison of The Limits to Growth with 30 years of reality«. Das Fazit war eindeutig: Aus der Betrachtung der Entwicklung über knapp vier Jahrzehnte wurde klar, dass dem globalen System in der Mitte des 21. Jahrhunderts der Zusammenbruch drohe, sollte der Kurs der Welt unverändert beibehalten werden, also einem sogenannten standard run scenario folgen. Einer der Hauptautoren, Dennis Meadows, sah die Menschheit 2012 definitiv auf dem Weg Richtung Kollaps; es seien nicht zeitig genug Maßnahmen ergriffen worden, sodass nun die langen Reaktionszeiten ökologischer und klimatologischer Prozesse zu wirken begännen.

Trotz des Berichts von 1972, vielen weiteren und gleichfalls alarmierenden Folgeveröffentlichungen sowie zahlreichen internationalen Kommissionen und Konferenzen (z. B. 1992 die UN-Konferenz in Rio de Janeiro an der sich die Staatengemeinschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtete) gaben seither Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dem Wirtschaftswachstum Vorrang und stellten den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen hintan. Die Folge, nämlich die Verschärfung der multiplen ökologischen und – oft folgend – sozialen Krisen, ist heute allgegenwärtig.

Auch wenn die Wachstumsorientierung in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Vorrang hat, so stellen doch wissenschaftliche Erkenntnisse diese Orientierung zunehmend infrage und untermauern somit Kritik und die Forderung nach Veränderung. Im Folgenden werden einzelne wichtige Erkenntnisse vorgestellt:

Erstens: Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) galt lange als Indikator für gesellschaftliches Wohlergehen. Kritik daran begann bereits in den 60er Jahren, verstärkte sich ab den 80er Jahren und dauert bis heute an. Zu Recht, denn der Indikator ignoriert beispielsweise einerseits unbezahlte Versorgungs- und Familienarbeit, Ehrenamt sowie die ökologischen und sozialen Kosten des Wirtschaftens und er sagt nichts über die soziale Verteilung aus. Andererseits aber steigt er z. B. durch Reparaturkosten bei Unfällen oder Katastrophen. Auch konnte gezeigt werden, dass ab einer bestimmten Schwelle der Wirtschaftsleistung das Wohlergehen der Menschen trotz Wachstum (BIP) nicht mehr zunimmt. Reiche Industrieländer haben diese Schwelle längst überschritten.

Angesichts dieser Schwächen des Indikators und der Tatsache, dass das BIP nie als Wohlstandsmesser konzipiert wurde, arbeiten Forschung und Verwaltung – auch in internationalen Organisationen – seit Jahrzenten an Ersatzindikatoren, wodurch zahlreiche neue Indikatorensets entstanden. Doch sie konnten die Dominanz des BIP bisher nicht durchbrechen. Einzelne Länder allerdings beginnen, ihre Politik an Maßzahlen des Wohlergehens auszurichten, so etwa Neuseeland mit dem Living Standards Framework, welches neben rein wirtschaftlichen Maßstäben auch Faktoren wie Gesundheit, Sicherheit, Kultur und Nachhaltigkeit einbezieht.

Zweitens: Entkopplung. Kritik an den ökologischen Folgen des Wirtschaftswachstums wurde über Jahrzehnte mit der Aussicht auf Entkopplung begegnet: Mit besseren Technologien, Effizienzsteigerungen und höherer Wirtschaftsleistung sollen Umweltverbrauch und Wirtschaftswachstum entkoppelt werden. Diese Annahme lässt sich angesichts verschiedener neuerer Studien nicht aufrechterhalten: Eine absolute Entkopplung – und damit auch ein grünes Wirtschaftswachstum – scheinen sehr unwahrscheinlich. Um die Umweltbelastung und den Ressourcenverbrauch zu senken, führt also kein Weg daran vorbei, das Wirtschaftswachstum als Ziel aufzugeben. Dies wird in Politik und öffentlicher Verwaltung (noch) ignoriert, doch beginnen einzelne internationale Organisationen vorsichtig Wachstum zu hinterfragen.

Drittens: Effizienz und Rebound. Eine weitere Argumentation gegen Wachstumskritik ist die Erhöhung der Effizienz. Demnach soll die Effizienz der Ressourcennutzung so weit gesteigert werden, dass die Umweltprobleme minimiert werden oder sich ganz auflösen. Vor der Jahrtausendwende war von Faktor 4 (und Faktor 5) die Rede; der Wohlstand sollte bei halbiertem Ressourcenverbrauch verdoppelt werden können. Allerdings zeigt die Diskussion über Rebound-Effekte, die Anfang des Jahrtausends zunahm, dass Effizienzpotenziale meist nicht ausgeschöpft werden bzw. eingesparte Ressourcen in neue Verwendungen fließen.

Grob wird von durchschnittlich bis zu 30 Prozent Rebound-Effekten ausgegangen, d. h. Effizienzpotenziale kommen nur zu 70 Prozent zur Umsetzung. Die Rebound-Effekte gaben der Diskussion und Forschung zu Suffizienz Auftrieb und stärkten das Argument, dass neben Effizienzstrategien auch Suffizienzstrategien (z. B. ressourcenschonendere Lebens- und Produktionsweisen) zum umweltpolitischen Instrumentarium gehören müssen, auch wenn sie sich negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken könnten.

Viertens: Soziale Ungleichheiten. Man könnte erwarten, dass durch Wirtschaftswachstum die sozialen Ungleichheiten geringer werden, weil sozial Schwächere am Zuwachs teilhaben können. Tatsächlich argumentiert Thomas Piketty, dass die hohen Wachstumsraten zwischen 1945 und 1975 die sozialen Ungleichheiten verringert haben, während seither die soziale Ungleichheit wieder größer wird. Auch die OECD berichtet über das Problem zunehmender sozialer Unterschiede, die trotz Wachstum größer wurden.

Gleichwohl gilt weiterhin in Politik und Gesellschaft die Annahme, Wachstum würde soziale Unterschiede und Armut verringern. Diese Annahme findet explizit Ausdruck im Konzept des »inclusive growth«, das u. a. die OECD empfiehlt. Dieses Themenfeld bedarf weiterer Forschung und vor allem öffentlicher Diskussion zu den Zusammenhängen von Wachstum, Wohlstand und sozialer Verteilung und zu Politiken, die soziale Ungleichheiten bei ausbleibendem oder rückläufigem Wachstum verringern können.

Fünftens: Umweltgerechtigkeit. Seit zwei bis drei Jahrzehnten hat sich das Wissen über den Zusammenhang von BIP, Einkommen und Umweltbelastung deutlich verbessert und differenziert. Demnach steigt mit dem BIP der Umweltverbrauch. Ebenso zeigt sich auf individueller Ebene, dass Umweltverbrauch bzw. CO2-Emissionen deutlich mit Einkommen und Vermögen korrelieren.

CO2-Emissionen spiegeln auch soziale Unterschiede wider: Gemäß »World Inequality Database« verursacht z. B. das eine Prozent der deutschen Top-Emittent/innen und Top-Ressourcenverbraucher/innen 118 Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf (verschiedene Klimagase aggregiert), während die zehn Prozent Geringst-Emittent/innen in Deutschland für drei Tonnen CO2-Äquivalent pro Kopf Rechnung tragen. Diese Zahlen weisen darauf hin, dass sich spürbare ökologische Entlastungen durch Verbrauchsreduktionen bzw. die Umverteilung von Einkommen und Vermögen – auch von Wachstumsgewinnen – v. a. bei den Top-Emittent/innen und Top-Ressourcenverbraucher/innen ergeben dürften.

Sechstens: Preise und Steuern. In den letzten Jahrzehnten wurde die Preisbildung für natürliche Ressourcen gut nachvollziehbar herausgearbeitet: Natürliche Ressourcen haben insofern keinen Preis, als lediglich die Förderung, Verteilung und Gewinne bezahlt werden, aber keine Rücklagen für die Wiederherstellung (oder den Ersatz) der Ressourcen gebildet werden, wie es bei jedem Produktionsgut üblich ist.

Es gibt auch eine umfangreiche Argumentation, dass ökonomische und politische Machtverhältnisse die Preise für natürliche Ressourcen aus den Ländern des Südens niedrig halten und so den Überkonsum im Globalen Norden ermöglichen (diese niedrigen Preise sind ein wichtiges Element im Konzept der imperialen Lebensweise nach Ulrich Brand und Markus Wissen von 2017). Konsumentenaufklärung über die sozialen und ökologischen Folgen des Konsums (vor allem im Globalen Süden) und Labels haben das Konsumverhalten in breitem Umfang nicht verändert, vielmehr entscheidet zumeist der Preis beim Kauf.

Schließlich hat sich in der Ökonomie der Konsens gefestigt, dass das Wirtschaften externe Kosten verursacht, die zu internalisieren sind. Nur: Bislang findet kaum eine Internalisierung statt, obwohl unzählige Instrumente und Vorgehensweisen dafür entwickelt und auch politisch diskutiert wurden –als einzelne umweltpolitische Maßnahmen, als ökologische Steuerreformen oder Finanzreformen. Ein zentraler Grund für das Ausbleiben der Internalisierung ist, dass sie Wirtschaftswachstum bremsen könnte. Die Internalisierung wird also unter Wachstumsvorbehalt gestellt.

Das Fundament bröckelt

Die großen Wissensfortschritte seit 1972 haben begrenzt Einfluss auf die Umweltpolitik und die fundierte Kritik an der Wachstumsgesellschaft wird bisher ignoriert. Ein zentraler Grund ist, dass unsere Ökonomien und Gesellschaften existenziell von Wirtschaftswachstum abhängig sind. So ist beispielsweise der Fortbestand der Sozialsysteme, so wie sie heute aufgebaut sind, auf Wachstum angewiesen; auch das Ideal der Vollbeschäftigung mit der 35–40-Stunden-Woche sowie die individuelle existenzielle Abhängigkeit von Erwerbsarbeit braucht Wachstum, damit immer neue Erwerbsarbeitsplätze geschaffen werden können; die öffentlichen Kassen brauchen Wachstum, um steigende Erwartungen und Aufgaben zu finanzieren.

Ziel einer Politik, die die sich anbahnenden ökologischen Katastrophen ernst nimmt, muss deshalb Wachstumsunabhängigkeit sein, weil dies die nötigen Handlungsräume für Umweltpolitik eröffnet und sie nicht weiter unter Wachstumsvorbehalt stellt. Notwendig ist ein Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Dies muss einhergehen mit dem Ziel, dass Wirtschaft und Gesellschaft die planetaren Grenzen einhalten.

50 Jahre nach Erscheinen des Berichts Die Grenzen des Wachstums sind wir diesen Grenzen deutlich näher, haben einzelne überschritten und bewegen uns weiter auf unumkehrbare Veränderungen des Erdsystems zu. Das Wissen um die Grenzen des Wachstums hat enorm zugenommen, doch dies erschüttert die Wachstumsideologie kaum. Gleichwohl: Ihr Fundament bröckelt mit zunehmenden Erkenntnissen – und den ökologischen Katastrophen und ökonomischen Einbrüchen als Folge dieser Ideologie.

(Die beiden Autorinnen haben zwei Bücher zur Postwachstumsgesellschaft herausgegeben: Zuletzt erschien 2019: »Tätigsein in der Postwachstumsgesellschaft«.)

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Nach oben