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Wie sich die klimasoziale Transformation gestalten lässt Es fehlt die steuerpolitische Flankierung

Bisher war die Energiewende in Deutschland vor allem eine Stromwende: Im Zuge der Transformation zur Klimaneutralität wird vor allem Kohlestrom zunehmend durch Erneuerbare Energie ersetzt. Für die Bürgerinnen und Bürger ändert sich dadurch nicht viel. Für sie kommt der Strom nach wie vor aus der Steckdose, egal welche »Farbe« er hat, also wie er produziert wird. Doch angesichts des gesetzlich festgeschriebenen Ziels von netto null Treibhausgasemissionen spätestens im Jahr 2045 ist klar, dass jeder Sektor einen Beitrag liefern muss. Damit rückt die Transformation näher an die Menschen heran, über die Veränderungsprozesse etwa in den Bereichen Wohnen und Mobilität. Und damit rücken auch die Verteilungsfragen stärker in den Blick.

Klima- und Sozialpolitik sind im politischen Diskurs zunehmend miteinander verwoben. Entweder weil sie pauschal als Gegensätze wahrgenommen werden. Oder aber, weil bei differenzierter Betrachtung klar wird: Jeder staatliche »Eingriff« über Klimaschutzinstrumente hat Verteilungswirkungen, die dann immer auch sozialpolitisch flankiert werden müssen. Dabei ist klar, dass die jeweilige Politik möglichst zweckgerichtet sein muss. Klimapolitik sollte nicht anstreben, die bessere Sozialpolitik zu sein und zu reparieren, was man dort nicht hinbekommen hat. Und umgekehrt sollten sozialpolitische Entlastungsmaßnahmen nicht die Klimapolitik konterkarieren, wie es beispielsweise der Tankrabatt im Sommer 2022 getan hat. Sondern es geht darum, diese beiden Komponenten wesentlich stärker integriert zu denken.

Wie dringend nötig ein solcher umfassender Ansatz ist, wird deutlich in der derzeitigen, durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelösten Energiekrise: Klimaschutz und Soziales wird gegeneinander ausgespielt, das führte zum Beispiel dazu, dass die schon längst beschlossene jährliche Erhöhung des nationalen CO2-Preises für 2023 ausgesetzt worden ist. Der Konflikt um diesen vermeintlichen Gegensatz von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit muss proaktiv angegangen werden, wenn wir die Transformation erfolgreich gestalten wollen. Dabei geht es vor allem um die Wahl der richtigen klimapolitischen Instrumente. Denn jedes der zur Auswahl stehenden Instrumente hat direkte oder zumindest indirekte Verteilungswirkungen.

Direktzahlungskanal aufbauen und Klimageld einführen

Im Zentrum der Erwartungen, aber auch der Besorgnisse, steht dabei der CO2-Preis. Er belastet den Verbrauch von Kohle, Öl und Gas gemäß ihrem Kohlenstoffgehalt, macht CO2-arme Technologien wie Windräder, Solarmodule, Elektroautos oder Wärmepumpen wettbewerbsfähig und entfaltet so eine Lenkungswirkung. Dagegen wird eingewandt, man dürfe den Klimaschutz nicht wie einen Ablasshandel organisieren, zumal den Ärmeren im Land das Geld fehle, das zu bezahlen. Doch unzweifelhaft ist der CO2-Preis unter dem Gerechtigkeitsaspekt auf doppelte Weise attraktiv.

Zum einen setzt er nach dem Verursacherprinzip bei der Menge der klimaschädlichen Emissionen an, also am CO2-Fußabdruck – der bei denen, die mehr Geld haben, in aller Regel größer ist. Ohne eine Belastung nach dem Verursacherprinzip werden ja die Folgen, also die Klimaschäden, einfach auf die Allgemeinheit abgewälzt, und zudem sind ärmere Haushalte ihnen besonders wehrlos ausgesetzt. Zum anderen hat das Instrument der CO2-Bepreisung den Vorteil, dass es Einnahmen generiert, die sich für eine sozial ausbalancierte Rückverteilung nutzen lässt.

Es ist intuitiv klar: Wenn die gesamten Einnahmen aus CO2-Bepreisung in Form einer einheitlichen Pro-Kopf-Zahlung rückerstattet werden, dann haben ärmere Haushalte tendenziell mehr Geld zur Verfügung als vorher. Denn sie haben ja einen kleineren CO2-Fußabdruck: Sie haben kleinere Wohnungen, oft kein Auto und fliegen nicht oder nur sehr selten in den Urlaub – zahlen also einen geringeren CO2-Preis als reichere Haushalte, bekommen aber genauso viel zurück. Eine Pro-Kopf-Zahlung ist also gerade keine Entlastung mit der Gießkanne, sondern im Ergebnis werden zielgerichtet die bessergestellt, die einen geringen CO2-Ausstoß verursachen.

Auf Basis der empirischen Daten zur Ausgabenstruktur privater Haushalte wurde das am Berliner Klimaforschungsinstitut MCC durchgerechnet: Die untersten 20 Prozent der Haushalte haben bei einem CO2-Preis von 50 Euro je Tonne CO2 am Ende des Jahres rund 100 Euro mehr zur Verfügung als ohne einen CO2-Preis. Bei einem mittleren Haushalt halten sich die Mehrausgaben wegen des CO2-Preises und die Pro-Kopf-Rückzahlung die Waage. Und die reichsten 20 Prozent zahlen im Schnitt 100 Euro drauf.

In Deutschland gibt es seit 2021 einen solchen für die Bürgerinnen und Bürger unmittelbar spürbaren CO2-Preis für Wärme und Verkehr, bisher in geringer Höhe von 30 Euro. Eine Pro-Kopf-Rückverteilung immerhin eines Teils der Einnahmen hat die Bundesregierung im Koalitionsvertrag als sogenanntes »Klimageld« angelegt. Das beinhaltet den technischen Aufbau eines »Kanals« für eine solche Direktzahlung an alle, was bedauerlicherweise nur schleppend vorangeht. In der Energiepreiskrise wurde im letzten Jahr überdeutlich, wie sehr ein solcher Kanal fehlt, sodass der Staat Umwege wählen musste, über die Arbeitgeber (beim Energiegeld) oder die Energieversorger (bei der Gaspreisbremse).

Sozial ausgewogene Politikpakete

Ein CO2-Preis kombiniert mit einem Klimageld, das die vollen Einnahmen rückerstattet, wäre also eine sehr faire Art, Klimaschutz zu betreiben. Zusätzlich könnte man noch eine nachgelagerte Besteuerung und auch eine Einkommensgrenze für den Bezug des Klimagelds festsetzen, sodass dessen Verteilungswirkung noch progressiver ausfiele. Die Einführung weiterer sozialer Kriterien wäre dagegen im ersten Schritt kontraproduktiv, da dies den Aufbau eines solchen Kanals zu kompliziert machen würde, könnte aber in einem zweiten Schritt ergänzt werden. Härtefälle, die wenig Einkommen haben, aber aufgrund ihrer Lebensumstände besonders hohe CO2-Abgaben zahlen, sollten allerdings noch einmal gesondert adressiert werden. Und außerdem gibt es noch ein anderes, oft unterschätztes Problem: An den beiden Enden der Einkommensskala hapert es beim CO2-Preis mit der Lenkungswirkung.

Denn Ärmere können es sich womöglich nicht leisten, zum Beispiel einen neuen, energieeffizienteren Kühlschrank zu kaufen. Selbst wenn sie mit CO2-Bepreisung plus Klimageld finanziell gut fahren, wohnen sie womöglich weiter in unsanierten Wohnungen, sie fahren alte und verbrauchsstarke Verbrennerautos, und viele sind auf dem Land vom Bus- und Bahnverkehr abgeschnitten. Nicht notwendigerweise aus Verteilungs-, aber eben aus Klimasicht sollten also frühzeitig weitere Politikinstrumente entwickelt werden, die es den Ärmeren ermöglichen, schneller auf einen CO2-armen Kapitalstock umzusteigen.

Und bei den Reichen fragt man sich wiederum, inwieweit sie sich durch die bei ihnen anfallenden Mehrkosten in ihrem Lebensstil beeinflussen lassen. Auch hier könnten Instrumente entwickelt werden, die das gezielt berücksichtigen, etwa eine Vielflieger-Abgabe, wie sie in Großbritannien diskutiert wird. Im Fokus steht hier nämlich der Bereich Mobilität und speziell der Flugverkehr. Etwa 30 Prozent der Deutschen fliegen nie und weitere 40 Prozent nur sehr selten. Und gerade erst hat die Internationale Energieagentur festgestellt, dass man auf Flugzeugsitzen in der Premiumklasse anteilig dreimal so viel Kerosin verbraucht wie in der Economyklasse.

Auch wenn es in Zukunft den sozialen Ausgleich über das Klimageld geben sollte: Es braucht für effektiven Klimaschutz und die volle Entfaltung der Lenkungswirkung des CO2-Preises also noch weitere Instrumente, die den ungleichen CO2-Fußabdruck entlang der Einkommensklassen adressieren. Instrumente am unteren Rand kosten Geld, die am oberen Rand bringen Geld, sofern die Politik sich traut, eine gesellschaftliche Diskussion über negative finanzielle Anreize zu moderieren – nicht um Neidreflexe zu bedienen, sondern um die Transformation zur Klimaneutralität wirklich in der notwendigen Geschwindigkeit voranzubringen. Grundsätzlich könnte man die Probleme des ungleichen CO2-Fußabdrucks auch direkt über eine adäquate Steuer- und Sozialpolitik adressieren. Während es dafür derzeit wahrscheinlich keine politische Mehrheit gibt, könnte das bei einer explizit so deklarierten Anti-Klimakrise-Notmaßnahme anders aussehen, noch dazu, wenn es nur sehr hohe Einkommen träfe.

Generell steht das Steuersystem auf dem Prüfstand für die Transformation zur Klimaneutralität. Denn auch in anderen Bereichen, wie der Landwirtschaft, also der Ernährung, oder der Gesundheit ist es die politische Aufgabe, negative Klima- und Umweltfolgen zu adressieren. Das ist leichter zu bewerkstelligen und auch leichter zu vermitteln, wenn sie als Teil einer grundlegenden Reform verstanden wird: eine neue Steuerpolitik für die klimapolitische Zeitenwende.

Das derzeitige Steuersystem Deutschlands basiert generell stark auf Abgaben auf Lohn- und sonstigen Einkommen, vernachlässigt aber das Potenzial von Umwelt- und Lenkungssteuern. Nicht nur die CO2-Bepreisung setzt Anreize, umweltbelastendes oder gesundheitsschädliches Verhalten zu vermeiden. Das tun auch intelligente Mautsysteme zur Verkehrslenkung, Abgaben mit Blick auf die Klimaeffekte des Fleischkonsums, auf Schadstoffe in Luft und Wasser oder auf die Plastikverschmutzung. Zudem bestehen im derzeitigen Steuersystem eine Menge klimapolitischer Fehlanreize, wie das Dienstwagenprivileg, und weitere umweltschädliche Subventionen.

Eine intelligent durchdachte Steuerpolitik kann die Güternachfrage der Verbraucherinnen und Verbraucher in eine nachhaltige Richtung lenken – und Einnahmen generieren, die andere Steuern ersetzen oder ergänzen und für sozialen Ausgleich nutzen können. Um dieses Potenzial zu heben, braucht es eine Reform der Finanzverfassung mit Einführung von Lenkungs- und Umweltsteuern als neuem explizitem Steuertyp.

Diese Aspekte einer sozial ausgestalteten Klimapolitik hin zur Klimaneutralität 2045 betten sich ein in die themenübergreifende Frage einer »Just Transition« für Deutschland. Denn es finden verschiedene Transformationen gleichzeitig statt: neben der Klimawende die Neugestaltung des Industriestandortes Deutschland und Europa auch infolge der geopolitischen Situation, die Digitalisierung und die breite Anwendung von künstlicher Intelligenz im Produktionsalltag sowie der demografische Wandel. Das alles gilt es im Blick zu halten. Denn klar ist: Die Transformation zur Klimaneutralität muss sich einfügen in eine umfassend sozial ausgerichtete Politik. Sonst wird sie nicht gelingen.

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