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Eine heikle Versuchung Fallstricke der Benennungspolitik

Den Gegner durch eine für ihn ungünstige, wenn möglich vernichtende Benennung zu schädigen, ist für politische Akteure eine allgegenwärtige Versuchung. Das hat in jüngster Zeit niemand so deutlich vor Augen geführt wie die Bundes-CDU mit ihrem aus der Zeit gefallenen Versuch, dem Begriff »links« im Namen der führenden Thüringer Regierungspartei einen Drall ins Kommunistisch-Undemokratische zu verleihen, sodass diese für »wahre Demokraten«, voran die Urheber der Kampagne selbst, für keinerlei Kooperation in Betracht kommen dürfe. Die CDU hatte in dieser Art semantischer Machtpolitik, bei der »links« und »kommunistisch« eine Gleichung bilden, eine jahrzehntelange Übung, die zu Adenauers Zeiten durchaus von Erfolg gekrönt war. Damals drohte diese christliche Partei auf Wahlplakaten, dass alle »Wege des Marxismus«, vorrangig natürlich der sozialdemokratische, »nach Moskau« führen. Dort lauerte hinter der Kremlmauer die furchteinflößende Fratze eines kommunistischen Kommissars auf die leichte Beute gutmütiger Westdeutscher. Das zog eine Zeitlang. Die »Rote-Socken«-Kampagne gegen SPD und PDS in den 90er Jahren war dann nicht so erfolgreich, weil sich noch zu viele Wähler frisch erinnerten, dass sie ausgerechnet von einer Partei kam, deren ostdeutscher Flügel sich soeben noch in der DDR in ihrem Grundsatzprogramm zum Aufbau des Sozialismus unter der Führung der marxistisch-leninistischen Partei bekannt und das auch eifrig praktiziert hatte.

Aber sie können es nicht lassen. Die Partei Die Linke und ihre mögliche Regierungsbeteiligung war (und ist), wie das Thüringer Beispiel gerade wieder zeigte, für konservative Strategen bis in die Führung der CDU wahlweise »linksradikal« oder »linker Rand«, auf alle Fälle in einem den Verdacht der demokratischen Unzuverlässigkeit weckenden Sinne »links«. Ein machtpolitisches Manöver, das der »demokratischen Linken«, SPD und Grüne, in den Augen der Öffentlichkeit einen naheliegenden Koalitionspartner rauben und dem CDU-eigenen rechten Rand eine Art Trost dafür bietet, dass er nicht mit dem »rechten Rand«, alias AfD koalieren darf. Aber das »Instant Karma«, die Sofortstrafe der Geschichte hat diesmal prompt zugeschlagen, indem die Provinzstrategen der CDU in Erfurt ihrem anti-linken Impuls den Vorzug gaben, und sich in den Fallstricken einer heimlichen Kollision mit ihrer lokalen AfD verhedderten. Dabei handelt es sich nun ausgerechnet um den Teil dieser Partei, in dem mit Björn Höcke ein Akteur den Ton angibt, der provokativ auf der Grenzlinie zum Rechtsextremismus balanciert und dabei häufig ausrutscht.

Die Ereignisse in Erfurt Anfang Februar nach dem Einknicken der CDU vor dem Werben der AfD bei der Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten haben den eigentlichen politischen Zweck der absurden Ausgrenzung der Linkspartei und ihres nahezu »bürgerlichen« Ministerpräsidenten Bodo Ramelow offenbart. Es geht den maßgeblichen Parteistrategen um zwei taktische Ziele. Der Drang ihres rechten Flügels zur Kollusion mit der AfD soll durch die falsche Semantik der »zwei extremen Ränder« abgewürgt werden (CDU- Hufeisentheorie: »Es gibt kein Wackeln nach rechts wie links«). Die sachlich unhaltbare Tabuisierung der Linkspartei ist der Köder, um die dafür anfälligen breiten Ränder der eigenen Partei vom Ausscheren nach Rechtsaußen wegzulocken. Und mit dem für SPD und Grüne ein Mehrheitsbeschaffer im Bund »verbrannt« werden soll. Darum holt die CDU ihre alte semantische Taktik hervor, »links« für allfällige Gelegenheiten mit potenziell »linksextremistisch« gleichzusetzen. Dafür spricht im Fall der »Linkspartei« für jeden, der einen Blick ins Grundgesetz riskiert, heute rein gar nichts mehr.

Der taktische Missbrauch der politischen Semantik und die darauf gegründeten Strategien haben immer einen politischen Preis, der sehr hoch sein kann. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer musste ihn, angeschlagen wie sie längst war, mit ihrem Rücktritt sofort entrichten. Für die Thüringer CDU wird er bei der nächsten Wahl fällig. Der Schaden betrifft jedoch das ganze Land, denn er bringt die Maßstäbe des Politischen aus dem Lot, verdirbt die demokratische Kultur der Fairness und vergiftet die ordnenden Begriffe, indem sie aus einem Mittel der Orientierung zu Waffen der Machtpolitik deformiert werden.

Was da hilft, ist der Rat des weisen Konfuzius: »Wer die staatliche Ordnung erhalten will, der muss vor allem die Begriffe ordnen.« Denn sie leiten die Wahrnehmung des Politischen sowie Urteilsbildung und Handeln der Bürger. Wenn die verwirrt werden droht Chaos. Diese Warnung gilt freilich in alle Richtungen. Thüringen wirft die ungeklärte Frage neu auf: Was charakterisiert eigentlich die AfD als Ganze? In der Öffentlichkeit purzeln die Antworten wild durcheinander. Diese Verwirrung hat die AfD in den letzten Jahren mehr gestärkt als geschwächt. Im Angebot sind auf der ideenpolitischen Skala Begriffe wie »nationalkonservativ«, »völkisch national«, »rechtspopulistisch« bis hin zu »faschistisch«. Auf der richtungspolitischen Skala finden sich die Zuordnungen »rechts«, »rechtspopulistisch«, »rechtsradikal« und »rechtsextrem«. Das Verwirrspiel beginnt, sobald der Eindruck erweckt wird, »rechts« ohne Attribut schließe alle Varianten dieser Richtung jenseits der Mitte schon ein: »Die Rechten, alle auf Kriegsfuß mit der Demokratie«. Viele der Protestwähler der AfD dürften vermuten, dass deren Charakterisierung als rundum »rechtsextrem« eher dem Willen zu ihrer Schädigung als der Aufklärung über sie entspringt. Das hilft ihr, denn diese Wähler merken, wenn sie auf AfDler in anderen Regionen blicken (wie Jörg Meuthen in Baden-Württemberg, Uwe Junge in Rheinland-Pfalz, Georg Pazderski in Berlin), dass es sich im Ganzen gesehen eher um eine rechtspopulistische bzw. rechtsnationale Partei handelt, die freilich viele Rechtsextremisten enthält.

In einem anderen, dem ideengeschichtlichen Register, sind für unterschiedliche Personen und Strömungen dieser Partei die Bezeichnungen »nationalkonservativ«, »identitär«, »populistisch« und »völkisch-national« in Gebrauch. Der jüngste Erfolg der AfD ist auch darauf zurückzuführen, dass nichts von alldem ganz, aber das meiste davon doch irgendwie zuzutreffen scheint. Damit fungiert sie als breit angelegte widersprüchliche Projektionsfläche für unterschiedliche Mentalitäten und Profile rechts der Mitte. Diese schillernde Vielfalt der Flügel, Gruppen und Repräsentanten ist nicht etwa eine Schwäche, sondern ihre verborgene Stärke. Schon deshalb ist zu erwarten, dass der Partei an Eindeutigkeit oder gar Einheitlichkeit nicht gelegen ist. Die künstliche Vereinheitlichung von außen, die trotz dem erkennbaren Mangel an Passgenauigkeit den schärfsten Begriff »rechtsextrem« auf den ganzen Verein anwendet, hält wenige von ihr ab, und treibt ihr viele zu. Was also sind die Unterschiede zwischen den »rechten« Schattierungen?

Was ist rechts?

Aus politikwissenschaftlicher Sicht sind folgende Unterscheidungen sinnvoll:

1. »Rechts« im allgemeinen Sinn ist genau wie »links« eine legitime und notwendige Richtung im politischen Pluralismus der modernen Demokratie, die alles jenseits der imaginären Mitte umfasst, von den politisch Konservativen, über die Kulturkonservativen bis zu den Nationalkonservativen. Sie sind in Deutschland eine gewichtige Größe, vertreten in CDU und FDP, aber auch ein nennenswerter Faktor in der AfD. Es handelt sich dabei zunächst um einen Relationsbegriff, der auf das eher dem Status quo Verhaftete (in der Kultur), das Ungleichheiten Duldende (besonders bei der Gleichstellung der Geschlechter), das eher Autoritäre sowie das den starken Sicherheitsstaat und das Nationale Verehrende zutrifft.

2. »Rechtspopulismus« benennt Positionen mit dem Anspruch, die Stimme des Volkes gegen die demokratischen Institutionen und die Eliten zu vertreten und einfache Lösungen für komplexe politische Prozesse zu besitzen – in der Regel ohne »völkische« (ethnische) Verengung des Volksbegriffs. Dazu gehören auch das Aussondern von Sündenböcken (nicht notwendig rassistisch) und die Neigung zum politischen Autoritarismus. Die dabei ins Spiel gebrachten kritischen Impulse haben zumeist eine reale Basis und stehen nicht prinzipiell mit der Demokratie auf Kriegsfuß.

3. Letzteres ergibt sich erst dann, wenn die Populisten »das Volk«, das sie vertreten wollen, »völkisch« fassen und die Tendenz zum Autoritarismus den Rechtsstaat und die Demokratie unterminiert. Wo er diese Grenze überschreitet, geht der rechte Populismus (mitunter fließend) in den »Rechtsextremismus« über, weil er damit die Grundsätze der Bürgergleichheit und des Pluralismus verletzt. Dies scheint das besondere Kennzeichen des sogenannten »Flügels« in der AfD zu sein. »Rechtsextremismus« ist eine rechtlich sanktionierbare Verletzung verfassungsrechtlicher Normen.

4. »Rechtsradikal« ist ein unterbestimmter Begriff, der oft verwendet wird, wenn »Rechte« sich durch provokante, regelverletzende öffentliche Auftritte und überzogene (disruptive) politische Forderungen an der Grenze zum Extremismus bewegen, aber offen bleibt, ob und inwieweit sie diese tatsächlich überschreiten wollen.

Ob eine Partei »rechtsextremistisch« ist, entscheidet allein das Bundesverfassungsgericht. Dazu gehört außer den angedeuteten programmatischen Kriterien auch das »tatsächliche Verhalten«, und im Fall des Verbots auch noch ein Erfolg ermöglichendes Gewicht der Partei.

Der problematischste Kandidat im semantischen Gewirr dieser Tage ist der »Faschismus«, zumal wegen seiner direkten historischen Anbindung. Er wird heute bedenkenlos allen politischen Gegnern auf der Rechten angeheftet, sodass seine einzigartig alarmierende Semantik nahezu abgenutzt ist. Von den berühmten »14 Merkmalen des ewigen ›Urfaschismus‹« Umberto Ecos passen die meisten zum rechten Populismus, fast alle anderen treffen auf den Rechtsextremismus zu, etwa die rassistische Identitätspolitik. Speziell den Faschismus beschreiben nur die heroische Ideologie, die Militarisierung der Bewegung und die Vorstellung vom fortwährenden politischen Kampf als Selbstzweck. Aus der Geschichte hinzuzufügen wären das absolute Freund-Feind-Denken und der sozialdarwinistische Zivilisationsbruch, der die physische Gewalt bis hin zum Mord zum legitimen Mittel der politischen Auseinandersetzung werden ließ. »Faschisten« in genau diesem Sinne gibt es heute eine ganze Menge in größeren und kleineren organisierten Gruppen. Es wäre aber ein doppelter definitorischer Fehlgriff, diesen Extrembegriff als Waffe gegen die parlamentarische Rechte in Stellung zu bringen. Er trifft im eigentlichen Sinne auf sie nicht zu und er lässt den äußersten Alarmismus zu einem Dauerzustand werden, dem die Worte fehlen werden, wenn echter Faschismus die politische Bühne betritt.

Eine lose verkoppelte Anarchie

Die vorliegenden Untersuchungen sprechen dafür, dass in der AfD gegenwärtig alle genannten Varianten rechter Gesinnung und Politik vertreten sind und sich das Kräfteverhältnis zwischen ihnen im Wandel befindet. Sie ist »eine Koalition heterogener Kräfte« (Wolfgang Schroeder). Das macht zugleich die Stärke und die Schwäche dieser Partei aus. Die Schwäche, weil nur die extremistischen Spielarten auffallen und das öffentliche Bild der Partei bestimmen. Die Stärke, weil sich die Vielzahl der Strömungen und das Schillern des Gesamtbildes als Anlegestelle für eine große Vielfalt von Vorstellungen und Hoffnungen anbietet, auch bei Menschen, denen rechtsextremistische Positionen fremd sind. Für die hohe Zahl an Protestwählern (mitunter rund 40 %) gibt Wolfgang Schroeder eine nachvollziehbare Erklärung: »Rechtspopulistische Wähler stehen für zentrale, ungelöste Fragen einer sich globalisierenden Moderne.« Es ist für beide, die rechten Populisten und die Extremisten charakteristisch, dass sie auf diese wirklichen Fragen falsche Antworten geben, die zur Lösung der Probleme nichts beitragen oder sogar Menschenrechte verletzen.

Die bisher dominante Strategie der Ausgrenzung der AfD durch einen summarischen Extremismusverdacht war nicht erfolgreich. Eine Politik der überzeugenden Antworten auf die echten Fragen verspricht eher Erfolg, vor allem, wenn sie sich mit einem der diffusen Wirklichkeit gerecht werdenden Bild von ihr verbindet. Das dürfte die Überzeugungskraft der Kritik an ihr in den Augen vieler Protestwähler und mancher Mitglieder erhöhen. Die Ergebnisse von Nachwahluntersuchungen lassen vermuten, dass mehr als ein Drittel der AfD-Stimmen von Protestwählern stammt, die einem vagen Rechtspopulismus, aber keinem harten Rechtsextremismus zuneigen, wenn sie ihre »Denkzettel« verteilen. Es ist ratsam, die semantische Brandmauer der Demokratie so zu platzieren, dass nicht alle Wähler der AfD pauschal dem Rechtsextremismus zugeschlagen werden. Das würde wohl bei vielen den Eindruck verschärfen, dieser Vorwurf träfe dann wohl diese Partei ebenso wenig wie sie selbst. Der Verfassungsschutz, der die inneren Verhältnisse dieser Partei sehr genau kennt, hat das mit seiner Entscheidung klug in Rechnung gestellt und vorerst nur den »Flügel« von Björn Höcke zum »Beobachtungsfall« erklärt. Der Historiker Michael Wilde hat Recht: »Wir müssen die AfD bekämpfen als das, was sie ist – und nicht als das, woran sie uns erinnert.«

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