Es ist gerade einmal 100 Jahren her, dass Frauen erstmals an Technischen Hochschulen in Deutschland zu diplomierten Architektinnen ausgebildet werden konnten. Welche Ideen sie, nicht selten gegen massive Widerstände, durchsetzen konnten, welchen Beitrag zur Disziplin sie im 20. und 21. Jahrhundert geleistet haben, zeigt derzeit eine Ausstellung im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt am Main (DAM) unter dem Titel »Frau Architekt«.
Beate Tröger, freie Autorin und Kritikerin, sprach mit Mary Pepchinski, Professorin für Entwerfen in Dresden, und Wolfgang Voigt, bis 2015 stellvertretender Direktor des DAM und heute freier Architekturhistoriker, zweien der drei Kurator/innen.
Beate Tröger: Anfang September ist Kate Millett gestorben, die mit Sexus und Herrschaft. Die Tyrannei des Mannes in unserer Gesellschaft Anfang der 70er Jahre zu einer Ikone der Frauenbewegung wurde. Sie schrieb: »Ein wirklich revolutionärer Umschwung auf dem Gebiet der Geschlechter muss sich auf die Beziehung der Geschlechter untereinander auswirken.« Wo sehen Sie die Errungenschaften der Frauenbewegung und wo steht diese heute?
Wolfgang Voigt: Frauen sind heute viel präsenter als noch vor drei, vier Jahrzehnten, aber noch lange nicht am Ziel. Die Ungerechtigkeiten in den Geschlechterverhältnissen sind die alten. Im Feld der Architektur studieren viel mehr Frauen. Sie fassen in dem Beruf Fuß, aber in der oberen Hierarchie sind sie nur wenig vertreten.
Mary Pepchinski: Viele Frauen interessieren sich für ihre Situation, aber die organisierte Bewegung der 70er und 80er Jahre, die auch in den Medien präsent war, z. B. in der EMMA oder in US-amerikanischen Fernsehserien, ist heute nicht mehr existent. Damals war man stärker geprägt von der Idee, Feministin zu sein. Man nahm sich ernst, studierte für das Ziel zu arbeiten, etwas zu tun für die Sache. Heute ist es nebulöser. Frauen sind in hohen politischen Ämtern. Junge Frauen bekommen meist sofort eine Stelle. Man stößt nicht mehr so unmittelbar auf Vorurteile. Evtl. is das ein Grund für das Ende der breiten Frauenbewegung.
Tröger: Wie kam es zu der Ausstellung »Frau Architekt«?
Voigt: 2013 erzählte Mary, dass sie gelesen hatte, dass Frauen schon seit über 100 Jahren im Architekturberuf vertreten sind. Da habe ich gesagt: »Lass uns daraus eine Ausstellung machen.« Im Deutschen Architekturmuseum wurde das Thema begeistert aufgenommen. Der weibliche Anteil im Architekturstudium liegt inzwischen bei mehr als 50 %. Aber allzu viele Frauen geben später auf, und oben kommen sie nicht an. Im DAM haben auch die an Genderthemen nicht hauptsächlich Interessierten verstanden, dass man den Ursachen nachgehen muss. In den 33 Jahren seit Gründung des Museums gab es rund 100 mehr oder weniger monografische Ausstellungen zu Männern und ganze vier über Frauen. Das sprach für sich. Dass uns die Bundeskulturstiftung unterstützt hat, ist ein großes Glück.
Tröger: Die Ausstellung geht chronologisch und biografisch vor, war das von Beginn an klar?
Pepchinski: Wir sehen Geschichte als etwas sehr Lebendiges an und Bauten als Ausdruck davon, wie Menschen gelebt haben. Deswegen also die 22 Biografien, mehr oder weniger chronologisch angeordnet – wobei wir Geschichte selbst nicht chronologisch, sondern als brüchig begreifen. Ich unterrichte Architektur an der HTW Dresden und bin zusätzlich Expertin für Gender Studies und Gendertheorie. Studierende sind nicht immer an Theorie interessiert, es geht ihnen ja um die Architekturpraxis. Gehe ich aber von den Biografien aus, interessieren sie sich plötzlich doch, diskutieren angeregt darüber, was es bedeutete zu leben wie etwa Lotte Stam-Beese, die mit einem sehr bekannten Architekten ein Kind bekommen hatte, weswegen sie 1930 das Bauhaus verlassen musste und alleinerziehend dastand. Im Erzählen der Lebensgeschichten berührt man auch Fragen der Intersektionalität, etwa bei Victoria zu Bentheim und Steinfurt, einer Prinzessin aus reicher adliger Familie, die nach ihrem Architekturstudium im Familienkontext sehr produktiv und ungehindert planen und bauen konnte.
Tröger: Haben Sie »Lieblingsfrauen« oder solche, deren Geschichte Sie exemplarisch finden?
Pepchinski: Man verliebt sich ja oft ein bisschen, während man seine Expertise entwickelt. Ich sage zu zweien etwas: Wera Meyer-Waldeck hat als eine von 16 Frauen am Bauhaus Architektur studiert. Mies van der Rohe hat ihren Abschluss betreut, ihr Diplom unterschrieben. Das Bauhaus war nicht besonders frauenfreundlich. Aber Meyer-Waldeck konnte sich durchsetzen. Nach dem Zweiten Weltkrieg machte sie ein Büro in Bonn auf und gestaltete unter anderem die Inneneinrichtung des Bundeshauses. Und sie wurde Feministin, griff leitende Figuren an, kritisierte z. B. die »Darmstädter Gespräche«, bei denen sie sprechen wollte und abgewiesen wurde, als frauenfeindlich.
Die andere ist Marie Frommer. Sie ging 1936 mit 46 Jahren aus Berlin ins Exil, weg von ihrem gut laufenden Büro, wo sie mehrere Angestellte hatte und eine Villa, Silber und Gemälde, für die sie nach dem Krieg Anträge auf Wiedergutmachung stellte. 1936 zog Frommer zuerst nach London und 1939 nach New York, wo sie ein neues Büro aufbauen musste. Sie tat das in der West 57th Street, direkt neben der Carnegie Hall, wo viele Künstler und Jazzmusiker lebten und arbeiteten. Es ist beeindruckend, wie sie in einer so schwierigen Situation wieder etwas aufbauen konnte und ihr Leben genossen hat.
Voigt: Ich hatte das Glück, 2004 mit Verena Dietrich eine der porträtierten Frauen kennenzulernen. Es war klar, dass sie bald an Krebs sterben würde. Trotz ihrer Situation war sie überhaupt nicht traurig, sondern unglaublich stolz, dass sie nach Lucy Hillebrand die zweite Frau neben 37 Männern war, deren Gesamtwerk das DAM archivierte. Dietrich war eine großartige Architektin und konnte wie kaum eine andere mit Stahl umgehen. Sie hat für ein Kölner Stadion eine tolle Tribüne gebaut und eine fantastische Brücke im Kölner Medienpark, jeweils mit leichten Stahlkonstruktionen. Für uns ist sie auch deshalb interessant, weil sie 1986 das weltweit erste Buch über Architektinnen veröffentlicht hat. Es hatte sie gewurmt, dass Architektinnen nicht gewürdigt werden.
Pepchinski: Dietrich hat in den 80er Jahren auch Zusammenkünfte in Köln initiiert, zu denen Frauen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kamen. Sie wollte eine eigene Frauenbewegung gründen.
Voigt: Sie hatte gehofft, dass sich die 62 Architektinnen, die sie vorgestellt hatte, aktivistisch zusammentäten. Das war aber nicht der Fall. Denen, die absagten, warf sie Verrat vor.
Pepchinski: Wir haben ähnliche Erfahrungen gemacht. Auch diesmal wollten manche nicht mitmachen, nicht mit einem Frauenprojekt identifiziert sein.
Voigt: Die zweite Frau, über die ich sprechen möchte, ist Gerdy Troost. Ihr Mann Paul Ludwig Troost war Hitlers erster Architekt. Er starb 1934, als die ersten Nazibauten in München geplant, aber noch nicht gebaut waren. Gerdy Troost übernahm sein Büro und betreute Bauten, die für die nationalsozialistische Architektur bestimmend wurden – die sogenannten Führerbauten, die Ehrentempel am Königsplatz und das Haus der Deutschen Kunst, die sie zwar nicht selbst gezeichnet hatte, aber in ihrer Umsetzung leitete. Selbst geplant hat sie die Interieurs für Hitlers privateste Sphäre, etwa den Berghof auf dem Obersalzberg oder seine Wohnung in München.
Nach dem Krieg sagte sie der Spruchkammer klar, dass sie immer noch vom Nationalsozialismus überzeugt sei, von den Gräueltaten aber nichts gewusst habe. Sie wurde als minderbelastet eingestuft, bekam zehn Jahre Berufsverbot, und arbeitete danach noch mehrere Jahrzehnte weiter. Man hat uns gefragt, wieso wir sie ausgewählt haben und sie etwa neben die exilierte Jüdin Karola Bloch stellen. Aber zur deutschen Geschichte gehören nicht nur die Pionierfrauen, sondern auch solche wie Gerdy Troost. Zu ihr gibt es eine Anekdote. Der Grafiker Bernd Kreuz hatte für unsere Ausstellung ein Plakat entworfen. Die Überschrift lautet: »Die Zukunft der Architektur«. Auf dem Plakat folgen dann alle 22 Vornamen der Frauen, die gezeigt werden. Spät fiel uns auf, dass Troost ja nun wahrlich nicht die Zukunft der Architektur verkörpern kann. Wir haben sie auf dem Plakat gelassen, den Namen aber durchgestrichen. Wir erklären das nicht, der Besucher wird in der Ausstellung selbst herausfinden, warum das so ist.
Tröger: War Ihnen vorher bewusst, dass sich über die Biografien eine Kultur- und Geistesgeschichte Deutschlands des 20. Jahrhunderts, aus der Perspektive des Berufsstandes ablesen lassen würde?
Voigt: Wir hatten es geahnt, aber dann wurde es uns natürlich noch deutlicher.
Pepchinski: Es gab noch einmal einen richtigen Schub bei einem Treffen des wissenschaftlichen Beirates im März 2017. Da wurde ganz deutlich, dass die Frauen eben Position beziehen mussten, um zu bauen, und das oft zu Widersprüchlichkeiten führte. Gerdy Troost kann man klar als Hitlers Designerin bezeichnen. Aber sogar die Bauhaus-Dozentin Lilly Reich hat für die Nationalsozialisten Ausstellungen gemacht, 1934 in Berlin und 1937 für die Pariser Weltausstellung. Prinzessin Victoria zu Bentheim und Steinfurt war auch in der Partei. Gleichzeitig hat sie im Nationalsozialismus Juden versteckt, während sie in Bayern lebte. Lotte Cohn war Zionistin, hat 1967 den Sechstagekrieg unterstützt, weil sie den Zionismus durch die Palästinenser bedroht sah.
Voigt: Architekten müssen immer Position beziehen, weil sie im öffentlichen Raum arbeiten und die Bauherren ihnen Vorgaben machen. Da kann man nicht leicht neutral bleiben.
Tröger: Kommen wir auf die Ästhetik zu sprechen. Die Frage »Bauen Frauen anders?« kann man mit Blick etwa auf die Westberliner Architektin Sigrid Kressmann-Zschach und ihre Großbauten klar verneinen. Gibt es aber im Kontext der Ausstellung ästhetisch und/oder konstruktiv herausragende Beispiele?
Pepchinski: Lilly Reich, geboren 1885, machte als junge Frau aus der Mittelschicht um 1900 eine Ausbildung in weiblich geprägten Bereichen, vor allem in der Mode, Textilkunst und Innenraumgestaltung. In den 20er und 30er Jahren gestaltete sie mit Mies van der Rohe Ausstellungen, die Bildgeschichte geschrieben haben. Da nutzte sie die Materialität und die Farben von Textil, und setzte ihr Wissen darüber in der Architektur ein.
Merete Mattern, die Tochter zweier Landschaftsarchitekten, entwarf große organische landschaftsähnlichen Formen und entwickelte in den 70er und 80er Jahren ein Bewusstsein für Ökologie. Das wurde als »Frauenarchitektur« begrüßt, hat aber weniger damit zu tun, dass Frauen anders entwerfen, sondern damit, wie diese Frauen geprägt waren und welche Chancen sie hatten. Karola Bloch und Lucy Hillebrand arbeiteten beide im sozialen Bereich: Bloch hat in der DDR Kindertagesstätten und Hillebrand spannende soziale Projekte wie Kinderheime, Grundschulen und eine Kirche für Geflüchtete entwickelt.
Tröger: Und Margarete Schütte-Lihotzky wäre die Küchenarchitektin?
Voigt: Ernst May hatte ihr die Sache angetragen. Schütte-Lihotzky hat die »Frankfurter Küche« hervorragend entwickelt und ist deshalb so berühmt geworden. Aber sie wollte irgendwann nicht mehr darauf angesprochen werden. Sie hatte May wohl auch gefragt: »Warum soll ich das machen? Ich kann doch gar nicht kochen.« Als Architektin konnte sie aber Arbeitsvorgänge analysieren und den knappen Raum entsprechend ergonomisch und sinnvoll gestalten.
Pepchinski: Für uns war es wichtig, in der Ausstellung die Frauen aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu zeigen, wie Gertrud Schille mit ihren Planetarien oder Ingeborg Kuhler mit dem Technoseum in Mannheim, Verena Dietrich mit ihren Stahlbauten und Merete Mattern mit ihren riesigen Landschaften, die weder eine tolle Kita noch eine schöne Küche gebaut haben, obwohl das auch sehr wichtig und notwendig ist.
Tröger: Noch einmal zurück zur Historie: Während meines Studiums Ende der 90er Jahre in Berlin wohnte ich mit einer Frau aus Dresden in einer WG. Sie hatte als Schülerin in der DDR in der Produktion Kühlschrankroste geschweißt. Das war üblich. In unserer Wohnung reparierte sie den Toaster so anstandslos wie das Radio. Ich als BRD-Sozialisierte war zu all dem nicht in der Lage. Hat die DDR Vorteile für Frauen in technischen Berufen, ja überhaupt für berufstätige Frauen, geboten? Und, wenn ja, warum wurde das nach der Wende nicht stärker verteidigt?
Pepchinski: Ich arbeite seit 1992/93 in Dresden und habe die Nachwendezeit miterlebt. Wenn ich in einem Seminar vor 25 Studierenden stehe und frage, wer in der Krippe oder Kita war, gehen mindestens 23 Hände hoch. Seit zwei Generationen ist es dort selbstverständlich, dass man Babys in die Krippe gibt, damit Mama wieder arbeiten kann. Den Begriff »Rabenmutter« gab es in der DDR nicht. So wurden dort sehr früh viel mehr Frauen auch Architektinnen. In den 80er und 90er Jahren ist es auch im Westen normaler geworden. Aber in der DDR war das alles schon eine Generation früher möglich. Eine unserer Architektinnen, die heute über 80-jährige Iris Dullin-Grund, erlangte ihre führende Position Mitte der 60er Jahre. Und sie ist sehr stolz und froh, dass sie ihre Karriere in der DDR machen konnte.
Tröger: Hat das etwas mit der etwas künstlichen Opposition »Kreativität versus Technik« zu tun? War der technische Aspekt in der DDR wichtiger?
Pepchinski: Die Architekten in der DDR waren kaum in privaten Büros tätig. Das Gros arbeitete für den Staat. Es gab Vorzeigebauten, wo man kreativ sein konnte. Aber bei den herkömmlichen Platten- und Industriebauten war die Technik wichtiger. Aber vor allem war die Gesellschaft anders aufgebaut. Als junge Frau bekam man einen Arbeitsplatz und selbstverständlich hat man mit 18, 19 oder 20 Jahren studiert und Kinder bekommen, man war ja jung und gesund. An anderer Stelle gab es sowohl in der DDR und der BRD patriarchalische Strukturen, so waren im Bund Deutscher Architekten alle Vorstände Männer, im Osten wie im Westen.
Tröger: Beim Lesen der Biografien habe ich einen Bruch empfunden. Immer wieder wird die Schieflage von Karrieremöglichkeiten zwischen männlichen und weiblichen Architekten konstatiert. Die erfolgreichen Architektinnen heute sprechen aber wenig davon, inwiefern sie ihre Rolle als Frau als Problem wahrgenommen haben. Wie ist das zu erklären?
Pepchinski: Wer das Pech hat, in die Rolle des Opfers zu geraten, und sei es auch nur in einer vermeintlich harmlosen Situation, will vielleicht nicht unbedingt noch schreien, es ist so schon verletzend genug für die eigene Identität. Oft ist es Selbstschutz, es nicht zum Thema zu machen. Im Katalog schreibt Eva Schweizer über die Situation der Architektinnen in Berlin nach 1990 und zitiert Gesine Weinmiller, die als junge Architektin den 2. Preis im Wettbewerb für die Neugestaltung des Reichstags gewonnen hatte. Bei der Preisverleihung hielten sie viele für die Sekretärin von Norman Forster. Und Almut Grüntuch-Ernst gesteht ein, dass sie fünf Kinder haben kann, weil Oma und Opa in der Nähe wohnen und mithelfen.
Die etwas älteren Frauen äußern sich offener kritisch. Ulrike Lauber, Architektin und Professorin für Stadt- und Regionalplanung, sagt, dass Frauen ihrer Generation im Beruf eher auf Kinder verzichten mussten, wenn es um die Karriere ging.
Tröger: Nach einer Erhebung der Bundesarchitektenkammer von 2016 beträgt der Anteil von Frauen im Bereich freischaffender Hochbauarchitekten gerade einmal knapp 22 %. Bei gewerblich tätigen Stadtplanern sind es sogar nur 9 %. Frauen verdienen deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen, im Schnitt 20 %.
Pepchinski: Diese Statistik ist womöglich nicht uneingeschränkt aussagekräftig. Sie kommt von der Kammer und viele Architektinnen sind dort gar nicht organisiert, weil sie privat oder im öffentlichen Dienst arbeiten. In der Kammer wird Berufspolitik gemacht und viele haben dazu vielleicht nicht die Zeit. Die Mitgliedschaft kostet Geld, man muss das Versorgungswerk bezahlen.
Tröger: Können Sie aus Ihrer Forschungs- und Ausstellungserfahrung politische Forderungen formulieren? Kann man die Kategorie »gender« noch isoliert von »race« und »class« diskutieren? Und: Wie geht es jetzt für Sie weiter?
Voigt: Ich bin im Übergang von einem Gender-Forschungsprojekt ins nächste. Gemeinsam mit Uwe Bresan mache ich ein ebenfalls biografisch angelegtes Buch über queere Architekten seit dem 18. Jahrhundert. Diese Männer waren mit ihren Bauten immer präsent, aber in den Zeiten, in denen Homosexualität strafverfolgt wurde – in der Bundesrepublik war das bis 1994 der Fall – mussten sie ihre sexuelle Orientierung verstecken. Anders als die Frauen sind sie nicht am Arbeiten gehindert worden, haben aber in ständiger Angst gelebt, denn ihre bürgerliche Existenz war gefährdet.
Zum Wunsch: Mehr mutige Frauen, die ihr eigenes Büro gründen. Das kann gut gehen! Auf kommunaler oder staatlicher Ebene halte ich die Quote für ein Mittel, um gerechtere Verhältnisse herzustellen.
Pepchinski: In »Frau Architekt« sieht man, dass eigentlich alle der gezeigten Frauen mehr oder minder privilegiert waren. Falls wir »Frau Architekt 2« machen – wir würden uns freuen, wenn das möglich wäre und uns wieder jemand unterstützt –, wäre es sinnvoll, in die Gegenwart zu blicken. An der Frankfurter FH beispielsweise studieren Leute aus vielen verschiedenen Ländern. Man könnte fragen, wer sie sind, welchen Hintergrund und welche Ziele sie haben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland die Ausbildung nichts kostet. Das tangiert das Thema »class« und ermöglicht Veränderungen.
Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm, in dem wir solche Aspekte in Gesprächen, Diskussionen und Tagungen erörtern. Ich wünsche mir, dass aus der Ausstellung und dieser Vielfalt weitere Perspektiven, Projekte und Veränderungen entstehen.
Die Ausstellung »Frau Architekt. Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architektenberuf« läuft noch bis zum 8. März 2018 im Deutschen Architekturmuseum, Frankfurt am Main. Das umfangreiche Begleitprogramm findet sich unter: www.dam-online.de.
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