»Totgesagte leben länger« betitelte Hermann Schueler das Kapitel über die Neugründung des Vorwärts nach 1945 in seiner einschlägigen Chronik Trotz alledem. Das klingt fast euphorisch angesichts der Probleme, die der Neustart der Parteizeitung nach ihrem Verbot durch die Nationalsozialisten und ihrem vorübergehenden Erscheinen im Exil mit sich brachte.
Dafür gab es verschiedene Gründe. Zum einen war es mit großen Schwierigkeiten verbunden, für die SPD-Zeitung eine Lizenz von den Alliierten zu bekommen. Die Hoffnung der SPD-Journalisten und sozialdemokratischen Politiker, im Nachkriegsdeutschland eine führende Rolle beim Wiederaufbau spielen zu können, zerschlug sich schnell. Die Sozialdemokraten zählten, trotz ihres von Anfang an ungebrochenen Widerstands gegen die Diktatur, nicht zu den Lieblingen der Alliierten.
Das Lizenzverfahren für Zeitungen verlangte – grundsätzlich nachvollziehbar – auch ausführliche Personenangaben über die Verantwortlichen. Aber dass ausgerechnet ausgewiesene Hitler-Gegner und Widerstandskämpfer wie Kurt Schumacher, der zehn Jahre in einem Konzentrationslager gelitten hatte, ihre Integrität nachweisen mussten, mutet schon sehr zynisch an.
Zum anderen aber war es in den sozialdemokratischen Kreisen der direkten Nachkriegszeit auch nicht das erste Anliegen, die Parteizeitung wiederzubeleben. Anderes stand im Vordergrund: Die Wieder- und Neugründung der Partei musste betrieben und die Genehmigung dafür bei den Alliierten eingeholt werden. Dort, wo sich Sozialdemokraten oder Kommunisten sammelten, war die Frage der »Einheitspartei« ein großes Thema: Die gemeinsame Erfahrung der Verfolgung sprach dafür, die Erinnerungen aus der Weimarer Zeit dagegen. Nicht zuletzt beschäftigten die Genossen auch die Differenzen zwischen jenen, die ins Exil geflüchtet waren und jenen, die in Deutschland Widerstand geleistet hatten.
Die Parteizeitung jedenfalls war weder bei dem ersten großen Treffen 1945 in Wennigsen noch beim ersten Parteitag 1946 in Hannover ein Thema. Erst auf dem Parteitag 1947 in Nürnberg wurde die Gründung eines neuen Zentralorgans beschlossen, im Jahr darauf der Lizenzantrag von den Alliierten genehmigt und pünktlich zum 3. Parteitag der SPD im Düsseldorfer Planetarium, am 11. September 1948, konnte der Neue Vorwärts dann endlich erscheinen. Die Namensgebung machte deutlich, dass er auch erkennbar in der Tradition der Exilzeitung stehen sollte. Herausgeber waren Kurt Schumacher, Fritz Heine und Alfred Nau. Verantwortlicher Chefredakteur war Gerhard Gleissenberg.
Viel leichter wurde es in den Folgejahren für das Blatt nicht. Der Anspruch von Schumacher »mit einem geschlossenen Programm unumstößlicher Erkenntnisse aufzuwarten«, traf nicht den Lesergeschmack der Nachkriegsgesellschaft, die sich nach einem Stück heiler Welt und Sorglosigkeit sehnte. Das Zentralorgan, das in den Anfängen ein wichtiges Instrument zur Bildung der Mitglieder und Arbeiter war, war in dieser Form nicht mehr gefragt. Und das staatstragende, meinungsmachende Blatt der Weimarer Republik hatte in der Bonner Demokratie mit bunten Illustrierten große Konkurrenz bekommen.
Aber der vorwärts, wie er heute wieder heißt, mit seinem Onlineauftritt vorwärts.de hat sich allen Widrigkeiten zum Trotz behauptet und ist auch heute, im Zeitalter der Multimedia-Gesellschaft, für Zweidrittel der Genossinnen und Genossen die Informationsquelle in Sachen SPD.
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