Viele Medien befinden sich in privaten Besitzverhältnissen, sind verstärkt nationalen und internationalen Konzentrationsprozessen unterworfen. Der schrumpfende Markt der Print-Zeitungen und Zeitschriften, mittlerweile große Teile des Rundfunks und natürlich die weiten Welten der Social Media sind in privatem Besitz, letztere überwiegend Eigentum US-amerikanischer Digital- und Plattformkonzerne. Privatwirtschaftliche Medienkonzerne stehen unter kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Bedingungen selbstverständlich prinzipiell zum Verkauf, aber im Fall der Medien ist privater Besitz nicht gleichbedeutend mit der (vollständigen) Kontrolle der Inhalte. Das berufliche Ethos der Journalisten und die Funktion der Medien für die Herstellung der Öffentlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft beseitigen den Einfluss der Eigentümer oder Zensurinteressen der Staaten zwar nicht, begrenzen aber z. B. das uneingeschränkte Schalten und Walten selbst der mächtigsten Medienmogule wie Rupert Murdoch oder die Geheimhaltungsinteressen des Militärs – siehe den Fall WikiLeaks.
Friedrich August von Hayek schrieb in The Intellectuals and Socialism bereits in den 40er Jahren in anderer Hinsicht kritisch über das Medienparadox. Die ökonomische Kontrolle der Medien durch kapitalistische Eigentümer werde durch den redaktionellen Einfluss der Journalistinnen und Journalisten gebrochen. Weil diese »second hand dealers in ideas« aufgrund des verbesserten Zugangs zu höherer Bildung zunehmend aus den Kreisen der Mittelschichten und unteren Klassen kämen, stünden sie unter dem Einfluss oppositioneller Intellektueller und neigten dem Sozialismus zu. Für Hayek war dies der Grund für die Entwicklung von Thinktanks, um neoliberale Positionen im Kampf der Ideen besser zu positionieren.
Lobby im journalistischen Kräftegeflecht
Bis heute hält sich dieses Paradox à la Springer und Wallraff, wobei der privatwirtschaftliche oder strategische Einfluss in den Medien in vielen Ländern noch durch einen großen öffentlich-rechtlichen Sektor gebremst wird, der zum Beispiel in Deutschland durch parteipolitisch ausbalancierte Rundfunkräte kontrolliert wird. Medien beobachten und informieren nicht nur, sondern sind auch selbst Gegenstand einer argwöhnischen und kritischen Beobachtung aus unterschiedlichsten Perspektiven: Ökonomische und politische Konkurrenz spielt dabei eine mindestens ebenso große Rolle wie die professionelle Neugierde des journalistischen Berufsstandes und die Betroffenheit derjenigen, über die berichtet wird.
In einem solchen, sich durch ökonomische, technologische und politische Entwicklungen fortlaufend ändernden Kräftegeflecht operieren Lobbyakteure, die sich gleichwohl stets Einfluss in der und auf die Öffentlichkeit sichern wollen – bis hin zum »Kauf«. Das geschieht legal über Presseerklärungen und die Bereitstellung vielfältigen Inputs für Journalisten, über gekaufte Anzeigen und Werbung, aber auch in Grauzonen der strategischen Einflussnahme auf Medienschaffende und normenwidrig durch Manipulation. Dabei sind die Grenzen fließend: Die Furcht vor dem Verlust von Werbeeinnahmen kann die Berichterstattung bereits ebenso beeinflussen wie die Möglichkeiten zur privilegierten Verteilung von Informationen, neuerdings durch die Gestaltung von Algorithmen der Suchmaschinen. Das Thema der Elitenbindung des Journalismus in Edward S. Hermans und Noam Chomskys Buch Manufacturing Consent steht dabei in eindeutigem Kontrast zu Hayeks Befürchtung der Entfremdung von Elite und Massenjournalismus und neuerdings der jugendlichen Influencer und ideologischer Bubbles. Im Vergleich zu den berühmt-berüchtigten polit-ökonomischen Skandalen der »gekauften Republik« ist der Einfluss in den Medien zunächst eines: unübersichtlich.
Das Thema der gekauften Politik ist in Deutschland insbesondere mit einem Namen assoziiert. Das Buch Flick – Die gekaufte Republik, erschienen 1984 bei Rowohlt. Die Journalisten Hans Werner Kilz und Joachim Preuss berichteten darin über 900 Millionen D‑Mark, die der Flick-Konzern sparte, weil das FDP-geführte Wirtschaftsministerium die Steuerschuld aus Aktienverkäufen erlassen hatte, angeblich damit das Geld reinvestiert werden konnte. Anfang der 80er Jahre erhielt die Steuerfahndung Kenntnis von großen Spenden an die Wirtschaftsminister Hans Friderichs und Otto Graf Lambsdorff, an Franz Josef Strauß und Helmut Kohl und in geringerer Höhe auch an den SPD-Finanzminister Hans Matthöfer. Der Flick-Lobbyist Eberhard von Brauchitsch bezeichnete das Spendensystem als »politische Landschaftspflege«. Parallel zum Flick-Lobby-/Korruptionsskandal wurde die Geldwäsche-Praxis der Parteien bekannt, die Spendengelder auf dem Umweg über gemeinnützige Organisationen und ausländische Banken verschleierten. Im Anschluss an den doppelten Skandal wurden das Gemeinnützigkeitsrecht und das Parteienfinanzierungsgesetz geändert, um solchen Praktiken einen Riegel vorzuschieben.
Die Aufdeckung der engen Verflechtung von Großkonzernen und Spitzenpolitik in den späten Jahren der Bonner Republik lieferte einen Beleg für die von Jürgen Habermas bereits 1962 in seiner Schrift Strukturwandel der Öffentlichkeit vorgetragene These von der Gefahr der Vermachtung der Öffentlichkeit, die von den großen Organisationen der Wirtschaft und des Staates ausgeht. Im Zentrum der Kritik standen Anfang der 80er Jahre neben den Lobbyisten der Konzerne die Vertreter der Parteien. Die Medien nahmen die Rolle der Vierten Gewalt wahr; eine kritische Öffentlichkeit begleitete die juristische Aufarbeitung. 1982 brachte der Journalist Hans Leyendecker die Flick-Affäre mit einer Titelgeschichte im Spiegel mit Fokus auf die Minister Friderichs und Lambsdorff ins Rollen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre vergangen, in denen die »Landschaftspflege« ohne mediale Störung funktionierte. Wussten wirklich keine Journalistinnen oder Journalisten von den Machenschaften oder waren parteinahe private und öffentliche Medien auch Teil der Landschaftspflege?
Fast Forward 2008: Es erscheint das Buch der Journalisten Sascha Adamek und Kim Otto mit dem (beinahe) geklonten Titel Der gekaufte Staat bei Kiepenheuer und Witsch. Adamek und Otto analysieren das Austauschprogramm von Beamten aus Bundesministerien und Konzernmanagern (»Leihbeamte«), welches sich ausgerechnet Otto Schily, der zuvor von den Grünen zur SPD gewechselte Innenminister ausgedacht hatte. Zum Zeitpunkt der Flick-Affäre hatte sich Schily lautstark über das mangelnde Rechtsbewusstsein der involvierten Parteien beklagt. Das offiziell als »Seitenwechsel« bezeichnete Programm war dagegen im Verständnis von Schily und weiteren Spitzenvertretern in Politik und Wirtschaft ein Paradeprojekt moderner Verwaltung. Mehr als 100 Wirtschaftsvertreter, die in ihrer befristeten Tätigkeit im Dienste der Öffentlichkeit von ihren privaten Arbeitgebern bezahlt wurden, gelangten in diesem Rahmen in für die Unternehmen zentrale Abteilungen der Bundesministerien und konnten dort in laufenden Gesetzgebungsverfahren mitwirken: Fraport-Vertreter im Bundesverkehrsministerium, Mitarbeiter der Investmentbranche im Finanzministerium, Beschäftigte von Pharma-Konzernen im Gesundheitsministerium etc. Im Nachgang zur Recherche der Monitor-Journalisten dokumentierte die NGO LobbyControl akribisch die zahlreichen Einzelfälle. Das Programm wurde schließlich vom Bundesrechnungshof aufgrund zahlreicher Interessenkonflikte offiziell bemängelt. Neue Verwaltungsrichtlinien sorgen seitdem für eine Dokumentation befristeter Verträge in Ministerien und für öffentliche Transparenz, also am Ende vielleicht wirklich für so etwas wie eine moderne Verwaltung.
Auch in diesem Fall der Berliner Republik spielten Journalisten eine positive Rolle im Sinne der Vierten Gewalt. Dieses Mal verging sogar nur relativ kurze Zeit zwischen der Einrichtung des Programms im Jahr 2004 und dem ersten Bericht über die Problematik der »Seitenwechsel« im Fernsehmagazin Monitor im Jahr 2006. Allerdings war es laut Adamek und Otto ein Zufall, der ihre Recherche ins Rollen brachte. Ein ins Finanzministerium gewechselter Mitarbeiter der Nordbank erzählte einem als wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Fraktion der Linkspartei gewechselten Kollegen von seiner neuen Tätigkeit im Ministerium. Weder die Abgeordneten im Bundestag noch die Hauptstadtjournalistinnen und -journalisten waren bis dahin proaktiv an dieser Form des Insider-Lobbyismus interessiert.
Infrage gestellt wird das Bild von der positiven Rolle der Vierten Gewalt und der unabhängigen Presse aber durch zahlreiche Lobbyskandale der jüngeren Vergangenheit, bei denen die Beeinflussung von Medien und Öffentlichkeit im Vordergrund standen. Zwei Beispiele sind besonders geeignet, problematische Sachverhalte zu veranschaulichen: Der Berliner Thinktank berlinpolis und die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) der Metallarbeitgeberverbände.
Medien hinter den Medien
Anfang der Nullerjahre gerieten die Privatisierungspläne des Managements der kommerzialisierten Deutschen Bahn unter Führung von Hartmut Mehdorn unter Druck. Privatisierungsgegner agierten erfolgreich in der Öffentlichkeit für Volksaktien und eine Gemeinwohlbindung. Gegen privatisierungskritische Medienberichte ging die Bahn mit Anzeigenboykotts und ab 2007 mithilfe einer verdeckten Kampagne vor, in deren Zentrum die Arbeit des 2000 gegründeten Thinktanks berlinpolis e. V. stand. Finanzielle Mittel für berlinpolis in Höhe von 1,7 Millionen Euro wurden von der Deutschen Bahn – noch im staatlichen Besitz – über die Brüsseler Lobbyagentur EPPA bereitgestellt. Mit dem Geld fabrizierte und lancierte berlinpolis Studien und Umfragen mit bahn- und privatisierungsfreundlichen Ergebnissen, die über die »neutrale« Informationsplattform »Zukunftmobil« verbreitet wurde. Man setzte sich auch mit Leserbriefen und Kommentaren für die Privatisierung ein. Der Thinktank unterstützte die Bahn zudem in der Öffentlichkeitsarbeit während des Tarifkonflikts mit der Gewerkschaft der Lokführer. Die Kampagne flog im Jahr 2009 auf, nachdem ein Whistleblower die Informationen u. a. an LobbyControl weitergab. Die juristischen Folgen waren gering: eine Rüge des Deutschen Rats für Public Relations. Allerdings musste sich der Thinktank 2010 auflösen. Dieses Instrument der politischen Kommunikation war verbrannt. Eine weitere Recherche von LobbyControl zeigte auf, dass die verdeckte Kampagne kein Einzelfall war. Vergleichbar war der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie e. V. im Jahr 2008 vorgegangen, ebenfalls unter Beteiligung von EPPA und berlinpolis.
Berlinpolis hatte im Laufe seiner kurzen Existenz von einem Jahrzehnt auch mit der medial vielleicht einflussreichsten Lobbyorganisation kooperiert: der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Sie hat seit dem Jahr 2000 zwischen sieben und neun Millionen Euro pro Jahr in Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit investiert. Zum Vergleich: Das Budget der lobbykritischen NGOs Transparency International und LobbyControl bewegte sich bis in die jüngste Vergangenheit jeweils (weit) unter einer Million.
Die INSM schafft Medieninputs durch wissenschaftliche Auftragsstudien, repräsentative Meinungsumfragen und Vergleichsrankings, die über Medienpartnerschaften mit führenden Printmedien (z. B. Handelsblatt, Super Illu, Die Welt etc.) und Anzeigen in den auflagenstärksten Zeitungen (Bild etc.) verbreitet werden. Eine Studie von LobbyControl brachte 2006 ans Licht, dass die PR-Kampagne der INSM auch über verdeckte Botschafter in Talkshows (Sabine Christiansen) entwickelt wurde, wo prominente Politiker ohne Nennung der Beziehung als Experten auftraten. Besonders skrupellos war darüber hinaus die Platzierung von INSM-Inhalten zu Themen wie Steuersenkung oder unternehmerischem Denken in der ARD-Vorabendserie Marienhof. Außerdem wurden Dokumentarfilme mit einschlägigem Inhalt bezuschusst. In einer Studie von Christian Nuernbergk konnte ermittelt werden, dass INSM-Inhalte von Medien häufig einfach übernommen werden.
Die Arbeit des PR-Arms von Gesamtmetall zielt nicht immer auf die mediale Öffentlichkeit. Eine beim Centrum für Europäische Politik in Freiburg bestellte Studie lieferte während der heißen Phase der Finanz- und Eurokrise Argumente gegen Eurobonds, die an einen ausgewählten Adressatenkreis in Politik und Wirtschaft verteilt wurde. Damit wurde die innerparteiliche Diskussion beeinflusst, die bekanntlich in der schroffen Ablehnung von Eurobonds durch Angela Merkel endete (»nur über meine Leiche«).
Gegenüber dem in der Debatte zur »Mediendemokratie« betonten Einfluss der Medien geht es mithin häufig insbesondere um die Macht von Medien hinter den Medien. Allerdings: Weil die Medien gegenüber Parlament, Parteien und Verbänden aufgewertet wurden im Kampf um die Durchsetzung von Positionen, richtet sich die Aufmerksamkeit von Lobbykräften stärker auf die Vielfalt der geeigneten Inputs und Kanäle. Die wachsende Abhängigkeit der Politiker von zentralen Medien, die unübersichtliche Fragmentierung der Medienlandschaft und die Attraktion der erweiterten medialen Reichweite bieten strategisch versierten Lobbykräften Möglichkeiten und Spielräume, die es in der Vergangenheit nicht gab. Die Twitter-Politik des amerikanischen Präsidenten ebenso wie die vom Hedgefonds des Mercer-Clans finanzierte Online-Zeitschrift Breitbart, die nahezu aus dem Nichts zur wichtigsten Informationsquelle der republikanischen Wählerschaft avancierte, liefern prominente Beispiele.
Unter den neuen Bedingungen der digitalen Medienlandschaft wird in der verstärkt fragmentierten Öffentlichkeit nur noch mit Mühe das Medienparadox gewahrt. Investigativ-Teams mit Journalistinnen und Journalisten aus verschiedenen Ländern und NGOs im In- und Ausland wie spinwatch, digitalcourage oder Corporate European Observatory sind kaum in der Lage, den Substanzverlust der traditionellen Redaktionen und Fachjournalisten zu kompensieren. Gleichzeitig veranschaulicht der Aufstieg von neuen Transparenz- und Investigativ-Organisationen verschiedenster Art den andauernden und steigenden Bedarf, den Einfluss auf oder gar Kauf von Medien und wachsenden Teilen der fragmentierten Öffentlichkeit zu begrenzen. Fachliche Qualifikation und finanzielle Unabhängigkeit sind und bleiben eine zentrale Voraussetzung für den Beitrag der kritischen Öffentlichkeit, der möglicherweise nicht mehr so gut wie in der Vergangenheit über den privaten Medienmarkt gewährleistet wird.
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