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Biomilch ist teurer; Biofarbe ist teurer; natürliche Dämmstoffe sind teurer; Kleidung aus unbehandelten Rohstoffen und noch dazu fair hergestellt und gehandelt ist teurer – jedenfalls im Durchschnitt und im direkten Endkunden-Preisvergleich. Viele weitere Beispiele ließen sich anschließen. Klar ist zugleich: Der Preisvergleich darf nicht mit dem Kostenvergleich verwechselt werden. Nimmt man die externen Effekte mit in den Blick ist Biomilch »billiger« – ebenso Biofarbe, natürlicher Dämmstoff und so weiter, um bei den genannten Beispielen zu bleiben. Die übliche Verschiebung von versteckten Folgekosten auf die Allgemeinheit erschwert es jedoch, die wahren Kosten zu ermitteln – dennoch fallen sie an. Dadurch können andere Investitionen – ob in Bildung, Gesundheit, mehr Schienenverkehr, Energieinfrastruktur oder anderweitige Leistungen der Daseinsvorsorge – nicht getätigt werden.
Vergesellschaftung externer Effekte
Ökologisch und sozial betrachtet ist es somit folgerichtig, eine Bepreisung von Externalitäten vorzunehmen und darüber hinaus auch etwa die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen anzugehen. Ökologisch betrachtet, weil es nicht vertretbar ist, die planetaren Grenzen in den Rahmenbedingungen einer Marktwirtschaft nicht abzubilden. Sozial betrachtet, weil es schon nach dem Verursacherprinzip nicht sein kann, Folgekosten auf die Allgemeinheit – hinsichtlich des Biodiversitätsverlustes, Klimawandels und des Atommülls auch auf die nachfolgenden Generationen – abzuwälzen. Die in vielen Bereichen jenseits einer öffentlichen Wahrnehmung vollzogene Vergesellschaftung externer Effekte widerspricht letztlich dem Anspruch und Wesen der sozialökologischen Marktwirtschaft.
Ressourcenbedeutsame ökologische Folgeeffekte wirken sich aber auch unmittelbar auf Chancen und Teilhabe aus: Gehen Ressourcen zur Neige entstehen Verknappungseffekte – inklusive Kostensteigerungen und mit diesen einhergehende Verteilungsungleichheiten. Daraus resultieren gleich mehrfache politische Herausforderungen: Physische Unterversorgung muss vermieden und notfalls ausgeglichen werden. Auch verknappungsbedingte Verteuerungseffekte müssen dort staatlich flankiert werden, wo andernfalls ökonomisch bedingte Unterversorgung droht, sowie zur Vermeidung sozialer Schieflagen. Die fossile Gaspreiskrise führte uns diesen Effekt aktuell deutlich vor Augen.
Staatliche Hilfen dürfen ihrerseits – Stichwort klimaschädliche Subventionen – keine Wettbewerbsverzerrungen zulasten nachhaltiger Alternativen bewirken. Denn je länger die Menschheit von fossilen Ressourcen abhängig bleibt, desto eher ist sie den benannten Folgeeffekten ausgesetzt.
Wiederum am Beispiel der fossilen Energiepreiskrise galt und gilt es insofern zu beachten, dass die Energiepreisbremsen weder Einsparbemühungen noch den weiteren Markthochlauf etwa von Technologien Erneuerbarer Energien ausbremsen.
Staatliche Ausgleichsmaßnahmen, wie sie etwa 2022 mit den Entlastungspaketen im Umfang von insgesamt rund 300 Milliarden Euro geschaffen wurden, stehen zudem für staatliche Mittel, die an anderen Stellen entsprechend weniger verfügbar sind. So sehr dies in gesonderten Notsituationen wie 2022 ein unausweichlicher Schritt war, so sehr muss dies auch auf eben solche singulären Situationen beschränkt bleiben. Immer wiederkehrende Entlastungspakete zum Ausgleich nicht mehr bezahlbarer Energie überforderten die Staaten und führten zu reduzierter Handlungs- und Investitionsfähigkeit.
Garant für soziale Teilhabe und Frieden
Die soziale Dimension ist eine noch weit dramatischere: Das Erreichen planetarer Grenzen – sei es durch Klimawandelfolgeschäden, Biodiversitätsverluste oder verbrauchte endliche Ressourcen – kommt nicht von heute auf morgen, sondern verursacht über Zugangserschwernisse und Verteilungsungleichheiten eigene Konflikte, wenn nicht gar Kämpfe. Kriege um Öl (etwa im Irak) oder Landkäufe in Afrika (insbesondere durch China) waren und sind bereits heute Realität. Je länger die Menschheit abhängig vom Verbrauch fossiler Ressourcen bleibt, desto verwundbarer macht sie sich für Kriege um dieselben, die dann immer wahrscheinlicher und unvermeidbarer werden. Die Loslösung von Abhängigkeiten ist somit auch eine friedenspolitische Kernaufgabe.
Tatsächlich ist somit das »Nicht-Ökologische« unserer Wirtschaftsgüter das Unsoziale. Je länger unsere Abhängigkeit von fossilen Ressourcen fortbesteht, desto stärker laufen wir Gefahr, dass Staaten in ihrer Haushaltsgesetzgebung von Lenkenden zu Gelenkten werden.
Preisschraube allein greift zu kurz
Die Erfahrung zeigt zugleich, dass die Preissetzung allein dennoch sowohl sozial als auch ökologisch betrachtet an ihre Grenzen stößt und uns politisch eine Differenzierung abverlangt. Das ist am Beispiel des CO2-Preises zu erkennen: Mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz ist eine zeitlich gestaffelte CO2-Preiserhöhung vorgesehen. Diese wurde im Zeichen der Energiekrise 2022 mit einem Moratorium aufgehalten. Eine weitere CO2-Preiserhöhung wäre parallel zu den gestiegenen Energiepreisen sozial nicht zumutbar gewesen, selbst wenn das Unterlassen der Erhöhung zugleich mit Blick auf die Vergesellschaftung emissionsbedingter Folgewirkungen wie gesehen – grundsätzlich – ebenso sozial nicht zumutbar ist.
Und auch ökologisch betrachtet existieren entsprechende Dilemmata: Ein steigender CO2-Preis reduziert beziehungsweise beseitigt zwar einerseits Wettbewerbsverzerrungen, die im Verkehrssektor den Marktzugang für alternative Antriebstechnologien erschwerten. Andererseits werden auch Produktionsprozesse von alternativen Antriebstechnologien während ihres Markthochlaufes von steigenden CO2-Preisen erfasst.
Solche Effekte gelten auch in der Energiewirtschaft: Solange wir noch nicht bei 100 Prozent Erneuerbaren Energien angelangt sind, bekommen auch Hersteller von Windkraftanlagen einen erhöhten CO2-Preis zu spüren.
Gleiches galt im Zuge der Diversifizierung von Gasimporten: Deutschland entschied mit Europa die Loslösung von Energieimporten aus Russland. Innerhalb weniger Monate wurde der Großteil durch andere Importe ersetzt; mit der Sabotage an Nord Stream 1 und 2 fiel auch der Rest der Importe aus Russland im Umfang von einst 55 Prozent des deutschlandweiten Bedarfs weg. Der Fortfall verlangt auch Einsparungen, zumal die Preise sich vervielfachten.
Die effektivsten Einsparungen, die vermeiden würden, mehr als nur irgend nötig extrem teures Gas einzukaufen, ließen sich – so die einhellige Einschätzung aller Energieökonomen – über den Preis erreichen: Je teurer Energie, desto mehr wird gespart. Doch so einfach ist und war das nicht. Denn etwa die Menschen in schlecht gedämmten Häusern, die ohnehin schon kaum noch etwas zurücklegen können oder gar mehr Ausgaben als Einnahmen haben und bereits so wenig wie möglich heizen, träfe dies dann verhältnismäßig am härtesten. Auch Unternehmen wie kleine Bäckereien kapitulieren angesichts steigender Gaspreise. Kurzum: Der Preis allein schafft für den Zeitpunkt des Bedarfs noch keine Alternative.
Beschleunigte Energiewende als Preisgarantie
Da die Abhängigkeit von fossilen Ressourcen die Risiken enthält, starke soziale Schieflagen beim Zugang zu Energie und deren Bezahlbarkeit zu erzielen, ist die Beschleunigung des Transformationsprozesses so bedeutsam – auch unabhängig von der Dringlichkeit des Gegensteuerns gegen den Klimawandel.
Auch ohne diesen müsste dieselbe Loslösung vom Verbrauch fossiler Ressourcen in ebenbürtiger Beschleunigung bereits aus sozialen Gründen verfolgt werden: Sobald Verknappungseffekte bei Ressourcenverfügbarkeiten aufgrund ihrer Endlichkeit auftreten, werden panikartige Effekte und Preissteigerungen jedwedes gesellschaftliches Handeln deutlich erschweren, wenn nicht gar lahmlegen – mit massiven sozialen Schieflagen. Schließlich ist der Zugang zu Ressourcen und Energie wie gesehen für jedwedes zivilisatorische Wirken unverzichtbar und auch für gesellschaftliche Teilhabe elementar. Wird der Zugang zur Frage der Bezahlbarkeit, wird daraus für die Gesellschaft eine Zerreißprobe.
Der Preis kann nur bei verfügbaren Alternativen lenken
Gefragt ist insofern eine kluge Regulatorik, die die genannten benachteiligenden Effekte meidet, statt sie unfreiwillig gar noch zu befördern. Wie am Beispiel des Brennstoffemissisonshandelsgesetzes und dem dies ergänzenden CO2-Kostenaufteilungsgesetz zu erkennen, mit dem der steigende CO2-Preis auf Mietende und Vermietende aufgeteilt wird, kann ein steigender CO2-Preis für Wärme etwa bei Mietenden nur insofern technologiebezogen lenkend wirken, als dass sich Mietende ihrerseits am Wechsel zu Alternativen beteiligen können. Ist ihnen dies – wie etwa bei Zentralheizungen – nicht möglich, bleibt die Lenkung von Mietenden reduziert auf das individuelle Einsparverhalten. Insofern hatte die SPD von Beginn an darauf gedrungen, die Kostenaufteilung des CO2-Preises so zu gestalten, dass auch die Vermietenden die Lasten tragen, die der Vermietenden-Verantwortung gerecht werden. Den Mietenden sollten hingegen keine Kosten auferlegt werden, für die sie keine Verantwortung tragen.
In diesem Sinne muss etwa auch beim Abbau klimaschädlicher Subventionen differenziert werden: Sind sie fester Bestandteil von etablierten Strukturen, bis hin zur Entwicklung des ländlichen Raums, wie dies etwa für die Pendlerpauschale zutrifft, hat diese eine andere Dimension, als wenn es um das Dienstwagenprivileg geht, dessen Abschaffung keine sozialen Schieflagen erzeugt, sondern ein wichtiges Signal an eine zukunftsfähige Automobilwirtschaft und für den Erhalt hiesiger Arbeitsplätze wäre. Die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen muss somit auch immer die Sozialverträglichkeit entsprechender Änderungen sowie interdisziplinäre Verknüpfungen beziehungsweise Folgeeffekte beachten.
Bei allein monetären Maßnahmen muss auf die Vermeidung von Lock-In-Effekten geachtet werden, da sie sonst insbesondere in sozialer Hinsicht zu Abhängigkeiten führen. Wenn etwa zur Vermeidung klimaschädlicher Restemissionen heute verstärkt die Anwendung von Negativemissionstechnologien gefordert wird, Carbon-Capture and Storage, also die Abscheidung von CO2 und unterirdische Endlagerung, widerspricht dies nicht zuletzt dem sozialen Anspruch einer schnellstmöglichen Loslösung unserer Abhängigkeiten von fossilen, endlichen Ressourcen.
Indem staatliche Förderungen über diesen Strang vermeintlicher Klimaneutralität den Anlass des Klimaschutzes verlieren, um den Verbrauch fossiler Ressourcen zu beenden und hiermit möglicherweise eine verlängerte Nutzung fossiler Ressourcen erzielt wird, verschärft dies im Sinne eines Lock-In-Effektes unsere Abhängigkeit von fossilen Ressourcen mit all ihren sozialen Folgerisiken. Bei allen regulativen Eingriffen gilt es immer die Folgeeffekte mit zu kalkulieren.
Zu kurz griffe es, die soziale Dimension ökologischer Fragen rein aus der kompensierenden Betrachtung zu bewerten. Will heißen: Die Sozialverträglichkeit von ökologischen Leitplanken generiert sich nicht allein darüber, durch entsprechende Regulatorik entstehende Verteuerung auszugleichen. Kennzeichen ökologischer Leitplanken muss vielmehr sein, in der Breite die Teilhabe an entsprechenden Veränderungen zu ermöglichen. Das Zusammenwirken der sozialen und ökologischen Frage verlangt somit eine Regulatorik, die alle Menschen befähigt, den Transformationsprozess in ihrem beruflichen wie auch sozialen Leben abzubilden. Wenn das Tierwohl gesellschaftliches Ziel ist, muss eine Regulatorik dafür sorgen, dass es auch kontrolliert wird und man darf es nicht der Aufgeklärtheit von Verbraucher/innen überlassen, nachfrageseitige Lenkungswirkungen zu erzielen.
Wenn Sonne und Wind keine Rechnung schicken, ist es unsere soziale und friedenspolitische Pflicht, dies für alle Menschen greifbar zu machen.
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