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Trotz vieler Herausforderungen und Rückschläge in den letzten Jahren hat sich die gesundheitliche Situation vieler Menschen weltweit über Jahrzehnte hinweg erfreulicherweise enorm verbessert. So wurde beispielsweise die Kinder- und Müttersterblichkeit zwischen 2000 und 2020 um etwa 34 Prozent gesenkt. Dies konnte insbesondere durch Impfprogramme, eine Verbesserung der Ernährungssituation und einen besseren Zugang zu Gesundheitsdiensten – einschließlich professioneller Betreuung rund um Schwangerschaft und Geburt – erreicht werden. Krankheiten wie die Pocken wurden ausgerottet und die Verbreitung von Polio ist drastisch zurückgegangen. Infektionskrankheiten wie HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose sind durch globale Initiativen wie den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) besser kontrollierbar geworden.
»Die gesundheitliche Situation vieler Menschen hat sich weltweit erfreulicherweise enorm verbessert.«
Die COVID-19-Pandemie hat uns zudem gezeigt, welche Fortschritte in der internationalen Gesundheitszusammenarbeit in kürzester Zeit möglich sind. Beispielsweise hat die COVID-19 Global Vaccine Access Facility (kurz COVAX-Facility genannt) fast zwei Milliarden Impfdosen in die ärmsten Länder der Welt geliefert und so mehr als 2,7 Millionen Menschenleben gerettet.
2022 wurde außerdem der internationale Pandemiefonds (Pandemic Fund) gegründet, der das Ziel hat, die Lücke in der internationalen Pandemievorsorge zu schließen indem er laufenden Programmen zusätzliche finanzielle Anreize bietet um etwa in die Stärkung von Laborkapazitäten und von Überwachungssystemen zur Früherkennung von Infektionskrankheiten zu investieren.
Deutschland hat zu all diesen Initiativen wichtige Beiträge geleistet und wird dies weiterhin tun.
Ohne bessere und fairere Gesundheitssysteme weltweit ist das Menschenrecht auf Gesundheit nicht erreichbar. Insbesondere Infektionskrankheiten breiten sich sehr viel schneller aus und schwere volkswirtschaftliche Schäden durch die Unterbrechung von Lieferketten (zum Beispiel durch Grenzschließungen) und hohe Krankenstände können entstehen.
»Es gibt keine universelle Lösung für funktionierende Gesundheitssysteme.«
Viele Länder haben mit Erfolg in den Auf- und Ausbau ihrer Gesundheitssysteme investiert und wurden dabei nicht zuletzt auch durch die deutsche Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Ein Beispiel hierfür ist die Einführung von Krankenversicherungssystemen für arme Menschen in Indien und Indonesien. In diesen Ländern hat sich seit dem Jahr 2000 die Zahl der Menschen, die essenzielle Gesundheitsdienste in Anspruch nehmen können – ohne durch Gesundheitskosten zu verarmen – etwa verdoppelt. Trotzdem gilt: Es gibt keine universelle Lösung für funktionierende Gesundheitssysteme. Vielmehr müssen die Systeme an die spezifischen Gegebenheiten, Bedarfe und kulturellen Hintergründe der jeweiligen Länder angepasst werden.
Aktuelle Herausforderungen
Trotz vieler Fortschritte gibt es nach wie vor erhebliche Lücken in der Versorgung. In vielen Ländern sind die Gesundheitssysteme weiterhin unterentwickelt und erreichen nicht alle Bevölkerungsgruppen. Besonders in ländlichen Gebieten und unter ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen bleibt der Zugang zu Gesundheitsdiensten oft eingeschränkt. So hatten im Jahr 2021 etwa 4,5 Milliarden Menschen keinen vollständigen Zugang zu essenziellen Gesundheitsdiensten. Daten aus fast 70 Ländern zeigen, dass jede vierte Frau keine freien Entscheidungen über ihre Gesundheitsversorgung fällen und jede zehnte Frau keine Wahl bei Verhütungsmitteln treffen kann. Darüber hinaus verarmen jährlich Millionen von Menschen durch die Kosten von Gesundheitsdienstleistungen. Die COVID-19-Pandemie hat zudem viele Fortschritte wieder zurückgedreht: Aufgrund von Lockdowns und eingeschränktem Zugang zu Gesundheitseinrichtungen konnten beispielsweise Routineimmunisierungen bei Kindern nicht wie geplant durchgeführt werden. Auch viele Frauen konnten Vorsorgeuntersuchungen während ihrer Schwangerschaft nicht in Anspruch nehmen.
Gleichzeitig beeinträchtigen Kriege und Konflikte sowie die daraus resultierenden Fluchtbewegungen und Vertreibungen zunehmend die Gesundheitsversorgung in vielen Regionen. So verschlechtert beispielsweise der Krieg in der Ukraine massiv die dortige Gesundheitsinfrastruktur, insbesondere durch die russischen Angriffe auf ukrainische Gesundheitseinrichtungen. Die schrecklichen Bilder des russischen Angriffs auf das Kinderkrankenhaus in Kiew vom Juli haben wir noch gut vor Augen.
Zunehmende klimabedingte Krankheitslasten vor dem Hintergrund sinkender finanzieller Ressourcen.
Gleichzeitig werden in Krisen- und Konfliktsituationen mehr psychische Behandlungsmöglichkeiten benötigt. Und schließlich belastet die stark steigende Zahl von nichtübertragbaren Krankheiten wie Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Gesundheitssysteme. Zusätzlich führen steigende Temperaturen und vermehrte Extremwetterereignisse zu einer Erhöhung an Krankheitsrisiken weltweit. Die Zunahme an Infektionskrankheiten – wie bei Malaria, Zika, Dengue oder Cholera – ist bisher vor allem in unseren Partnerländern augenscheinlich. Dabei sind ebenfalls fast zwei Drittel der in Europa vorkommenden Krankheitserreger für Mensch und Tier klimasensitiv und auch Länder wie Deutschland müssen sich neben Hitzeschutzmaßnahmen ebenfalls auf zunehmende klimabedingte Krankheitslasten bei Infektionskrankheiten einstellen. All dies geschieht vor dem Hintergrund sinkender finanzieller Ressourcen, sowohl bei Gebern als auch bei unseren Partnern.
Wie agiert die Politik?
Mehr denn je steht für uns deshalb eine gute Koordination in der Zusammenarbeit mit internationalen und bilateralen Partnern im Fokus. Die Weltgesundheitsorganisation spielt bei der Koordinierung globaler Gesundheitsmaßnahmen eine zentrale Rolle. Ein Beispiel hierfür ist der aktuelle Verhandlungsprozess für ein internationales Pandemieabkommen, welches die Prävention, Vorsorge und Reaktion auf künftige Pandemien verbessern soll. Das Abkommen soll dafür unter anderem eine stärkere internationale Zusammenarbeit bei der Bereitstellung von Impfstoffen, Therapeutika und Diagnostika sicherstellen.
»Ein wesentliches Instrument zur Finanzierung und Unterstützung globaler Gesundheitsprojekte sind multilaterale Fonds.«
Ein wesentliches Instrument zur Finanzierung und Unterstützung globaler Gesundheitsprojekte sind multilaterale Fonds. Der bereits erwähnte GFATM investiert in Programme zur Bekämpfung der drei Infektionskrankheiten sowie die Stärkung von Gesundheitssystemen, um die Investitionen langfristig zu sichern. Die Impfallianz Gavi fördert Impfprogramme in den ärmsten Ländern der Welt, um die Kindersterblichkeit zu senken und den Zugang zu lebensrettenden Impfstoffen zu erweitern. Durch die Arbeit von GFATM und Gavi konnten seit ihrer Gründung schätzungsweise 76 Millionen Todesfälle verhindert werden. Als eine der größten Geber für beide Fonds hatte Deutschland einen erheblichen Anteil an diesem Erfolg. Ein weiteres Beispiel ist die Global Financing Facility for Women, Children and Adolescents (GFF). Diese strebt an, vermeidbare Todesfälle von Müttern, Neugeborenen, Kindern und Jugendlichen durch eine nachhaltigere Finanzierung bis 2030 signifikant zu verringern.
Um Erfolge zu erzielen, ist die Eigenverantwortung der Partnerländer zentral. Um diese zu stärken und Mittel zudem effizienter einzusetzen, bedarf es guter Koordinierung der Akteure und die Angleichung an Ländersysteme. In Umsetzung der Lusaka Agenda sind konkrete Schritte dazu vereinbart.
Auf europäischer Ebene spielt die Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten eine zentrale Rolle. Als »Team Europe« bündeln die EU-Institutionen, -Mitgliedstaaten und -Finanzinstitutionen Ressourcen, um koordinierte Antworten auf weltweite Herausforderungen – wie die globale Gesundheit – zu geben. So strebt die Team Europe Initiative etwa zur Herstellung von und zum Zugang zu Impfstoffen, Arzneimitteln und Gesundheitstechnologien (MAV+) eine verbesserte Produktion und Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten an, mit einem besonderen Fokus auf Afrika.
BMZ-Strategie für Gesundheit, soziale Sicherung und Bevölkerungsdynamik
Auch für Deutschland ist Gesundheit eine entwicklungspolitische Priorität. Die 2023 veröffentlichte BMZ-Kernthemenstrategie für Gesundheit, soziale Sicherung und Bevölkerungsdynamik legt dar, wie Partnerländer dabei unterstützt werden können, Gesundheitssysteme nachhaltig zu stärken. Sie betont dabei die Bedeutung einer umfassenden Gesundheitsversorgung, die alle Bevölkerungsgruppen erreicht, insbesondere ausgegrenzte und verletzliche Gruppen.
Besonderes Augenmerk auf die Geschlechtergleichstellung und selbstbestimmte Familienplanung.
Ein besonderes Augenmerk wird dabei auch auf die Geschlechtergleichstellung und selbstbestimmte Familienplanung gelegt. Die feministische Entwicklungspolitik zielt darauf ab, die Rechte und die Gesundheit insbesondere von Frauen und Mädchen weltweit zu stärken. Dies umfasst unter anderem den Zugang zu Verhütungsmitteln, die Verbesserung der Müttergesundheit und die Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt. Seit 2011 trugen beispielsweise bilaterale Maßnahmen im Rahmen der BMZ-Initiative »Selbstbestimmte Familienplanung und reproduktive Gesundheit für alle!« dazu bei, dass 44 Millionen Paare verhüten konnten. Außerdem wurden mehr als 50.000 Fachkräfte in Geburtshilfe aus- und fortgebildet.
Die Entwicklungen im Bereich der globalen Gesundheit zeigen sowohl beeindruckende Fortschritte als auch erhebliche Herausforderungen. Die internationale und deutsche Politik muss deshalb weiterhin entschlossen handeln, um eine gerechte und nachhaltige Gesundheitsversorgung für alle Menschen zu gewährleisten – auch in Zeiten einer angespannten Haushaltslage. Gleichzeitig müssen innovative Lösungen und die Potenziale der Digitalisierung noch stärker genutzt werden, um den zunehmenden Belastungen durch nichtübertragbare Krankheiten und den Folgen des Klimawandels entgegenzuwirken. Denn nur durch eine ganzheitliche und koordinierte Herangehensweise kann das Ziel »Gesundheit und Wohlergehen für alle« (das dritte der nachhaltigen UN-Entwicklungsziele) erreicht werden.
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