Es stellt sich also die Frage: Wie wird sich Deutschlands ökonomische Potenz entwickeln? Es geht um viel. Wirtschaftswachstum ist kein Fetisch. Nur mit einer erfolgreichen Wirtschaft lassen sich Sozialstaat, Infrastruktur und innere wie äußere Sicherheit finanzieren. Es liegt also im Interesse aller Menschen in Deutschland, dass es wirtschaftlich wieder nach oben geht. Die Rahmenbedingungen müssen so gestaltet werden, dass der Standort dauerhaft attraktiv wird.
Die Konjunktur stagniert seit Jahren, es gibt weniger Investitionen aus dem Inland und dem Ausland – und dafür mehr Insolvenzen. Täglich laufen für den Standort schlechte Nachricht über die Nachrichtenagenturen. Eine aktuell noch schleichende Deindustrialisierung wird von Teilen der Ampel als Kollateralschaden der Klimapolitik in Kauf genommen. In der Arbeits- und Sozialpolitik fehlt der Wille zu einem großen Reformwurf wie der Agenda 2010. Mit dem Bürgergeld ist sogar noch ein Instrument entwickelt worden, das in Kombination mit Wohngeld und anderen sozialstaatlichen Zahlungen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkt.
Lösbare Probleme
Die Gründe für die schlechte Performanz sind zahlreich: Fach- und Arbeitskräftemangel, lähmende Bürokratie, langwierige Genehmigungsverfahren, verschlafene Digitalisierung, hohe Steuern, viel zu hohe Energiekosten und ein dysfunktionales Sozialsystem, das Arbeit immer weiter verteuert. Die Regierung hat die Grenze von 40 Prozent bei den Lohnzusatzkosten längst überlaufen.
Doch so groß die aktuellen Probleme auch sind: Sie sind lösbar – mit dem nötigen politischen Willen. Damit Deutschland auch in Zukunft ein lebenswertes, demokratisches und wohlhabendes Land mit einer starken Wirtschaft bleibt, braucht es tiefgreifende Reformen.
Der, der arbeitet, muss immer mehr haben als der, der nicht arbeitet.«
Die Politik muss im Rahmen einer guten Politik für den Standort den Wert von Arbeit ins Zentrum ihres Handelns rücken. Klar muss sein: Der, der arbeitet, muss immer mehr haben als der, der nicht arbeitet.
Arbeit muss wieder attraktiver werden
Vor einem guten Jahr habe ich mit dem Satz »Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit« viel Gegenwind ausgelöst. Ich bleibe bei meinen Aussagen: Arbeit muss in Deutschland wieder attraktiver werden. Arbeit muss sich lohnen. Wer mehr Netto von seinem Brutto auf seinem Konto findet, der geht auch motivierter zur Arbeit. Spätestens seit der Antike fußt der Erfolg von Gesellschaften auf harter Arbeit. Ich kann Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, beipflichten: »Arbeit ist kein Ponyhof.«
Teile der Ampel vernachlässigen hingegen den Wert von Arbeit – und konzentrieren sich in erster Linie auf die Bedingungen von Nicht-Arbeit oder weniger Arbeit. Der Sozialstaat muss maßvoll und gerecht sein – das ist er aktuell nicht. Das Bürgergeld ist das Symbol des alimentierenden Sozialstaats. Deutschland braucht aber einen aktivierenden Sozialstaat.
Für einen maßvollen Sozialstaat
Der Katalog an Sozialleistungen ist auf mehr als 170 Einzelmaßnahmen angeschwollen. Dieser Wirrwarr an Maßnahmen ist ineffizient, kostenintensiv und in der Wirkung fraglich. Jede einzelne Maßnahme gehört auf den Prüfstand. Der Sozialstaat benötigt eine Generalüberholung – auch um wieder Glaubwürdigkeit bei den Steuerzahlern zu erlangen.
Entschlossene Reformen sind auch beim Thema Einwanderung nötig. Aktuell ist es für Migranten deutlich einfacher, in unser Sozialsystem einzuwandern als in unseren Arbeitsmarkt. Das muss sich ändern. Wir brauchen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt – allen voran durch qualifizierte Fachkräfte. Hier muss die Politik nachsteuern: Bürokratie abbauen, Integration in den Arbeitsmarkt erleichtern, Anreize für Erwerbsmigranten schaffen. Das würde unseren Sozialstaat entlasten und unsere Wirtschaft stärken.
Es ist für Migranten einfacher in unser Sozialsystem einzuwandern als in unseren Arbeitsmarkt.
Nicht zuletzt benötigt Deutschland ein Bildungssystem, in dem die Schülerinnen und Schüler fit gemacht werden für den Arbeitsmarkt. Zu viele junge Menschen verlassen die Schule ohne Abschluss, es sind pro Jahr mehr als 50.000. Es gilt, den traditionellen Leistungsbegriff wieder in den Kern der Bildungspolitik zu rücken. Lesen, schreiben, rechnen, und zwar mit wenig Fehlern – das muss wieder drin sein. Nur so können wir das Aufstiegsversprechen halten. Das heißt: Die Schule muss grundsätzlich jeder Schülerin und jedem Schüler den Grundstein legen können für sozialen Aufstieg und Karriere.
Reformpaket »Perspektive 2035«
Damit Deutschland wieder auf die Beine kommt, brauchen wir ein breit angelegtes Reformpaket, eine Perspektive 2035. Ich skizziere ein paar weitere wichtige Punkte:
Die Babyboomer gehen bald in Rente. Eine erste Stellschraube ist die abschlagsfreie »Rente ab 63«. Diese muss schnellstmöglich abgeschafft werden. Um unseren Wohlstand zu erhalten, werden wir länger und mehr arbeiten müssen, nicht weniger. Diskussionen um die Vier-Tage-Woche passen nicht in die Zeit.
Bürokratie frustriert alle – Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es ist peinlich, dass viele kleine europäischen Länder uns bei der Digitalisierung längst überholt haben. Wir brauchen hier weniger Vorschriften und mehr Gestaltungsfreiheit, weniger Fax-Geräte und mehr Künstliche Intelligenz.
Die deutsche Wirtschaft braucht eine effiziente öffentliche Verwaltung. Doch Personalaufbau und Performance des öffentlichen Dienstes passen an vielen Stellen nicht mehr zusammen. Mittlerweile ist rund jeder zehnte Arbeitnehmer dort beschäftigt. In Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels brauchen wir die Beschäftigten nicht in Amtsstuben, sondern in der Wertschöpfung.
Viele Menschen sind gut ausgebildet und wollen mehr arbeiten, sind allerdings zeitlich eingeschränkt, weil sie auf ihre kleinen Kinder aufpassen oder ihre kranken Eltern pflegen müssen. Es wird Zeit für eine Offensive für mehr Kitaplätze, gute Ganztagsschulen und mehr Unterstützung in der Angehörigenpflege. Alle reden darüber, aber es passiert seit Langem zu wenig.
Deutschland ist ein Hochsteuerland – das muss sich ändern. Unternehmen müssen hier viel mehr abgeben als etwa in Frankreich, den USA und so gut wie allen anderen Industrieländern. Die hohen Steuern sind in Kombination mit den hohen Lohnzusatzkosten ein gravierender Standortnachteil.
Gute Politik muss nicht viel kosten
Keine der aufgeführten Maßnahmen wäre besonders kostspielig – im Gegenteil, zum Teil würden sie Geld sparen. Gute Politik muss nicht viel Geld kosten. Die Schuldenbremse darf nicht gelockert werden. Der einfache Grundsatz: Geld, das wir ausgeben wollen, muss zunächst erwirtschaftet werden. So lassen wir auch künftigen Generationen Gestaltungsspielraum – wer weiß, vor welchen Herausforderungen sie stehen werden.
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