Er twitterte über Zölle, die er für europäische Produkte erheben will, er kritisierte die EU dafür, dass diese Migrant:innen willkommen hieß, statt sie abzuweisen. Und schon damals verbreitete er Fake News über eine angeblich gestiegene Kriminalität infolge irregulärer Einwanderung. »Big mistake made all over Europe in allowing millions of people in who have so strongly and violently changed their culture!«, twitterte er im Juni 2018.
Trump zielt auf die Zerstörung Europas
Jetzt, da er zum zweiten Mal Präsident ist und im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit zumindest anfangs weniger chaotisch und doch unberechenbar agiert, zeichnet sich das Ziel seiner »Europapolitik« umso deutlicher ab: Er verachtet die liberale europäische Idee, er will Europa zerstören.
»Sicherheit und Frieden in Europa sind erstmalig seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ernsthaft bedroht.«
Das scheint man nun auch in Europa verstanden zu haben. Der provozierte Eklat zwischen Trump, dessen Vize J. D. Vance und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Ende Februar im Oval Office hat die europäischen Staaten in einem Maße aufgeschreckt, wie das bis dahin nicht der Fall war. Sicherheit und Frieden in Europa sind erstmalig seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ernsthaft bedroht – und die EU versucht sich in großer Einigkeit zu üben. Sie will militärisch aufrüsten, die Rede ist von Krediten in Höhe von 800 Milliarden Euro, die dafür nötig sind, es steht die Idee einer gemeinsamen europäischen Armee im Raum. Vor allem aber soll die Ukraine in ihrem Kampf gegen den Aggressor Russland militärisch unterstützt werden. Denn: Verliert die Ukraine den Krieg, steht die Existenz Europas auf dem Spiel, zumindest eines Europas, wie wir es kennen.
Die neue europäische Einigkeit suggeriert eine Standhaftigkeit gegen die USA und ihren erratisch agierenden Präsidenten. Nur hat diese Einigkeit Lücken - und Trump versucht, in jene Bruchstellen im europäischen Gefüge einzudringen, von denen er annimmt, dass er über sie Europa sprengen kann.
Mangelnde Einigkeit Europas
Da wäre die Unterstützung der Ukraine. Die bleibt ohne den amerikanischen Rückhalt einzig Europa überlassen. Das ist so klar wie kompliziert, auf dem EU-Sondergipfel am 6. März einigten sich 26 der 27 EU-Länder auf eine Erklärung, in der sie den russischen Angriffskrieg verurteilten und der Ukraine volle Rückendeckung bescheinigten. Ungarn und dessen Regierungschef Viktor Orbán verweigerten sich der Ukraine-Erklärung. Stattdessen warf Orbán den EU-Staaten vor, den Krieg in der Ukraine verlängern zu wollen. Anfang April empfing Orbán einen Trump-Freund, den israelischen Premier Benjamin Netanjahu, obwohl es gegen ihn einen Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gibt. Orbán steht damit an der Seite Trumps und des russischen Präsidenten Putins – und nicht an der Seite Europas.
Nun ist Ungarn zu klein und zu unbedeutend, auf Ungarn allein kann Trump als zersetzendes Element nicht setzen. Aber da sind auch noch die Slowakei und Serbien, deren Präsidenten einen Putin-freundlichen Kurs fahren. Der slowakische Präsident Robert Fico besuchte Kreml-Chef Putin, liefert der Ukraine keine Waffen und liebäugelt mit einem Austritt aus der EU und der Nato.
Grundsätzlich mangelt es der EU an politischen Strategien und überzeugenden Zukunftsszenarien, mit den im Raum stehenden 800 Milliarden Euro für Aufrüstung allein ist es nicht getan. Ohnehin will Brüssel nur 150 Milliarden Euro bereitstellen, und die auch nur als Schulden, den Rest müssen die Länder stemmen. Doch die haben bekanntlich selbst kein Geld, und ob sie die aktuellen Kreditmöglichkeiten nutzen, ist ebenso fraglich. Staaten wie Polen und die baltischen Länder treibt die Angst vor einem russischen Angriff stärker um als Irland, Italien, Spanien, Portugal. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk mahnt daher zu Recht an, dass die jüngsten EU-Beschlüsse nicht ausreichen. Und schon jetzt ist klar, dass selbst 650 Milliarden Euro nicht ausreichen werden – nicht für die europäische Verteidigung und ebenso wenig als Signal an Trump: Wir schaffen das.
»Die Idee einer europäischen Verteidungsunion ist umstritten.«
Will sich Europa erfolgreich gegen Trumps Feldzug verteidigen, braucht es ein gemeinsames europäisches Militär, vielleicht sogar einen europäischen Außenminister, doch das ist ziemlich utopisch. Putin würde es, sollte er den Ukraine-Krieg mit Hilfe Trumps gewinnen, nicht bei der Ukraine belassen, beschreibt der österreichische Politikwissenschaftler und Militärexperten Gustav Gressel ein dramatisches Szenario. Die Chance für einen europäischen Krieg sei »derzeit größer, als dass es diesen Krieg nicht gibt«, sagte er Anfang März im Deutschlandfunk. Europa sollte also gerüstet sein - aber die Idee einer europäischen Verteidigungsunion ist umstritten. Ihre Kritiker:innen verweisen auf die Vergangenheit: Ein solches Vorhaben sei schon 1954 gescheitert. Stattdessen rief der britische Premier Keir Starmer eine »Koalition der Willigen« aus. Doch dieser, wie auch immer sie aussehen könnte, mangelt es nicht nur an militärischen Fähigkeiten, sondern auch an ausreichend funktionierendem militärischem Gerät.
Mit Zollpolitik gegen Europa
Seit Anfang April verschärft Trumps Zollhammer die Situation. Trump erhebt Zölle gegen sehr viele Staaten, selbst für Inseln, auf denen nur Pinguine leben oder die gar nichts exportieren. Im Blick hat Trump insbesondere die EU, der er vorwirft, nur gegründet worden zu sein, um sich an den USA zu bereichern. Das ist zwar Unsinn, aber gefährlich ist Trumps stümperhaftes Vorgehen trotzdem.
Denn in einer wirtschaftlichen Bredouille ist Europa schon jetzt: Die Länder mussten viel Geld für die Energiekrise mangels russischem Gas ausgeben, gleichzeitig die eigenen Rüstungsausgaben steigern, Mittel für den Wiederaufbau für die Ukraine zur Verfügung stellen – und eigene Sozialausgaben stemmen, um den rechten und rechtspopulistischen Kräften nicht zu noch mehr Aufwind zu verhelfen. Das überfordert die Finanzkraft der meisten Mitgliedstaaten, könnte manche Länder implodieren lassen - und so die Spaltung Europas kräftig vorantreiben.
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