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Die Alarmsignale nehmen zu Klimaschutz: Reifeprüfung der Menschheit

Obwohl Klimawandelleugner wie der US-amerikanische Präsident Donald Trump es nicht glauben wollen: Der Mensch bringt das Treibhaus Erde aus dem Lot. Die wissenschaftlichen Belege sind erdrückend. Spurengase bilden über unseren Köpfen eine Art unsichtbares, die Erde umspannendes Dach, das die kurzwellige Sonnenstrahlung aus dem Weltraum nahezu ungehindert hineinlässt, aber die zurückstrahlende langwellige Wärme aufhält. So ergibt sich heute eine globale Durchschnittstemperatur von rund 15 Grad Celsius. In diesem Treibhaus ist der Mensch zu einem Temperaturregler geworden, der die »Atmosphärenfenster« schließt. Die Effekte des menschlichen Handelns auf die Umwelt werden immer schwerwiegender. Die Warnsignale nehmen zu, sogar die ökologische Selbstvernichtung des Menschen wird denkbar.

Die Wissenschaft liefert immer weitere Beweise, dass sich die industrielle Zivilisation aufschwingt, das Erdsystem, das in den letzten Jahrtausenden zur Heimat des Menschen wurde, in kurzer Zeit so zu verändern, dass sich die Menschheit am Ende selbst zerstört. Sie steuert auf einen Kipppunkt zu, planetare Grenzen werden überschritten. Die vergleichsweise geringe Vermehrung an Treibhausgasen, die dennoch eine gewaltige Menge an Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffmonoxid (N2O) und Ozon (O3) enthalten, wird in der großen Masse Luft die Chemie und Dynamik der Troposphäre – wie die untere Luftschicht, in der sich das Wettergeschehen bildet, genannt wird – so gravierend verändern, dass die globale Temperatur gleich um mehrere Grad Celsius ansteigen wird. Die Grenze des Verträglichen liegt bei 1,5 Grad Celsius, schon zwei Grad machen einen Teil der Weltbevölkerung zum Opfer des Klimawandels.

Die Erderwärmung hat sich in den letzten Jahrzehnten gewaltig beschleunigt. Nach dem langen Vorlauf seit der industriellen Revolution Mitte des 18. Jahrhunderts sind die Treibhausgasemissionen insgesamt allein seit 1970 um rund 80 % gestiegen. Die anthropogene Erderwärmung erreicht damit bereits mehr als ein Grad Celsius. Die Menschheit gerät auf eine abschüssige, ungewisse Bahn. Zudem müssen zwei dramatische Fakten gesehen werden, die in den Folgen einem ökologischen Kolonialismus gleichkommen: Zum einen gibt es eine Zeitverzögerung von rund vier Jahrzehnten zwischen der Verursachung und der Umsetzung der steigenden Treibhausgaskonzentration. Beim Anstieg des Meeresspiegels durch das Abschmelzen der großen Eisschilde ist diese Anpassungsfrist noch viel länger. In der Zwischenzeit nehmen die Wetterextreme zu. Erst dann werden sich die Folgen umfassend auswirken. Das heißt: Ein großer Teil der Verursacher wird die Folgen seines Verhaltens nicht mehr zu spüren bekommen. Zum anderen sind für eine längere Zeit die Hauptbetroffenen des Klimawandels die Menschen in den armen Weltregionen, die zur Verursachung vergleichsweise wenig beitragen. So ist beispielsweise der ökologische Fußabdruck der USA rund siebenmal größer als der Afrikas. In dieser Disparität liegt eine Hauptursache der weltweiten Fluchtbewegung, gegen die sich die Industriestaaten abzuschotten suchen.

Deutschland liegt in gemäßigten, ökologisch stabilen Breiten und verfügt über weitaus mehr finanzielle und technische Mittel, um sich besser gegen den Klimawandel zu schützen als die allermeisten Länder der Erde. Was dennoch auf uns zukommt, hat der Rekordsommer von 2003 gezeigt. Er erreichte Temperaturwerte, die seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht mehr gemessen wurden. Auch die Dekade von 2000 bis 2009 wurde zur wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1781. Glutwellen, Starkregen und Überschwemmungen drohen auch in unserem Land zur Regel zu werden. Besonders gravierend werden die Austrocknungen in den Böden und die Verschiebungen im Wasserhaushalt sein, die Flüsse verzeichnen in der Sommerzeit immer häufiger lang anhaltendes Niedrigwasser.

Erdregionen in Asien, Afrika und Ozeanien werden weit stärker betroffen sein. Dem nördlichen Afrika droht eine Ausweitung der Wüstengebiete in diesem Jahrhundert um mehr als 40 %. Verursacht durch die starke Erwärmung der Deckschichten im Indischen und Pazifischen Ozean übersteigen die Temperaturen häufig die kritische Grenze von 27 Grad Celsius, sodass es durch die aufsteigende Wärme (Energie) immer häufiger und heftiger zu Orkanen kommt. Indonesien ist z. B. gar nicht in der Lage, seine mehr als 6.000 bewohnten Inseln zu schützen. Wälder, Böden und Tiere werden unter extremer Dürre leiden. Die landwirtschaftlichen Anbaugebiete geraten unter großen Anpassungsstress.

In den hohen Breiten der Arktis ist die Erwärmung besonders stark. Im Jahr 2008 war es in unserem historisch überschaubaren Zeitraum erstmals möglich, den Nordpol entlang der Küsten des Nordmeeres zu umrunden. Die Nordwest- und die Nordostpassage waren gleichzeitig eisfrei. Das Nordmeer wird bald im Spätsommer mehr oder minder eisfrei sein. Wenn das Meereis schrumpft, wird auch der Spiegel kleiner, der das einfallende Sonnenlicht zu 90 % in den Weltraum zurückstrahlt. Während in Grönland Tauwetter herrscht, sodass der Meeresspiegel um bis zu sechs Meter ansteigen kann, versinken die tiefgelegenen Inselstaaten in den südlichen Meeren. Auch die großen Flussdeltas von Ganges, Mekong oder Brahmaputra, an denen Millionen von Menschen leben, werden überschwemmt.

Keine andere Menschheitsherausforderung wurde in den letzten Jahren wissenschaftlich so intensiv bearbeitet wie der Klimawandel. Dennoch kommt der Schutz der Erdatmosphäre – wenn überhaupt – nur langsam voran. Seit dem UN-Erdgipfel »Umwelt und Entwicklung« 1992 in Rio de Janeiro, auf dem die Weltgemeinschaft einstimmig festgelegt hat, dass die Treibhausgasemissionen auf ein verträgliches Maß gesenkt werden müssen, haben sich die Kohlendioxidemissionen nahezu verdoppelt. Es waren über 25 verlorene Jahre.

Verspieltes Vertrauen

Die Vereinten Nationen begannen 1979 die Debatte über den Klimawandel. Bereits 1988 wurde in Nairobi das zwischenstaatliche Gremium zum Klimawandel (IPCC) gegründet. In demselben Jahr fand die Klimakonferenz in Toronto statt, die einen Zusammenhang mit dem Brundtland-Bericht der UNO aus dem Jahr 1987 herstellte. Die ehemalige norwegische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der nach ihr benannten UN-Kommission Gro Harlem Brundtland verglich den Klimawandel darin mit einer schleichenden Atombombe. Damals gaben die Industriestaaten das Versprechen ab, ihre Treibhausgase auf freiwilliger Basis bis zum Jahr 2005 um 20 % zu reduzieren. Es blieb jedoch nur bei dem Papier.

In Deutschland veröffentlichten im Juni 1987 die Klimaforscher Hartmut Graßl und Klaus Heinloth das Manifest Warnung vor drohenden Klimaänderungen. Ein erster Durchbruch war die Klimaenquete des Deutschen Bundestages mit ihrem Bericht »Schutz der Erde« von 1990. Zentrales Ergebnis: Die Treibhausgase könnten durch Substitution, Einsparungen, Effizienzsteigerung und erneuerbare Energien, aber auch durch Verbote allein in den alten Bundesländern sozial und wirtschaftlich verträglich bis 2005 um 33 % reduziert werden, auch bei einem Ausstieg aus der Atomenergie. In den neuen Bundesländern wäre eine noch höhere Reduktion möglich. Differenziert nach Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern wurden Minderungsziele erarbeitet, mit denen eine globale Erwärmungsobergrenze von 1,5 Grad Celsius eingehalten werden könnte. Das ist nun fast 30 Jahre her.

Auf dieser Grundlage fasste die Regierung von Helmut Kohl 1990 den Beschluss, bis zum Jahr 2005 zu einer Reduktion der Treibhausgase in den alten Bundesländern um mindestens 25 % und in den neuen Bundesländern um einen weitaus höheren Anteil zu kommen. Mit diesem ehrgeizigen Ziel wurde Deutschland zum Vorreiter im Klimaschutz. Das geschah in dem kleinen Zeitfenster, in dem sich die Lobbygruppen der »fossilen Welt« noch nicht formiert hatten. Durch den Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft und die Modernisierung Ostdeutschlands kam es in den neuen Bundesländern zu einer Reduktion der Kohlendioxidemissionen um rund 50 %. In den alten Bundesländern blieb die Senkung dagegen minimal.

Der Widerspruch zwischen Wissen und Handeln wurde größer, auch unter Rot-Grün. Die Regierung unter Gerhard Schröder mit dem Umweltminister Jürgen Trittin gab das »25-%-Ziel« auf und orientierte sich an den Vorgaben des Kyoto-Protokolls, die für Deutschland zwar höher als in den anderen EU-Staaten waren, aber dennoch deutlich niedriger als die vorherigen Ziele. Zur positiven Ausnahme wurden die erneuerbaren Energien. Ihr Aufstieg zeigt, was Politik zu bewirken vermag. Doch die Bilanz der internationalen Klimaschutzpolitik mit ihren jährlichen Vertragsstaatenkonferenzen (COP) war ernüchternd, obwohl kein anderer multilateraler Prozess so transparent ist und sich demokratische Prinzipien derart zu eigen macht. Sowohl China mit seinen 1,4 Milliarden Menschen als auch der Pazifikstaat Niue mit 1.611 (Stand 2011) Einwohnern haben sich darauf eingelassen. Doch der Weg von Rio über Berlin, Kyoto, Marrakesch, Bali, Doha oder Kopenhagen bis Paris war von Blockaden und Rückzügen, von faulen Kompromissen, wirtschaftlichen Machtinteressen und der Flucht aus der Verantwortung bestimmt.

Unter dem Druck des auslaufenden Kyoto-Protokolls, weltweit ohne ein Klimaschutzabkommen dazustehen, versuchte Ende 2015 der französische Staatspräsident François Hollande mit großem Aufwand, in Paris zu einem Neustart zu kommen. Die Hoffnung bleibt, dass es tatsächlich eine Wende war, auch weil China und Indien jetzt mitmachen. Doch es besteht eine große Skepsis, weil es innerhalb der Gesellschaften starke wirtschaftliche Interessen gibt, die den Klimaschutz blockieren. Zudem verteilt sich der Klimawandel auf tragisch ungerechte Weise zulasten der Armen und künftiger Generationen, deren Einfluss auf die sozialökologische Transformation gering ist. Aber eine solche Transformation ist unabdingbar, um auf einen nachhaltigen Kurs zu kommen. Die konkreten Maßnahmen jedoch bleiben deutlich hinter dem Notwendigen zurück.

Deregulierung und Liberalisierung sind das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Eine wichtige Neuerung im Pariser Abkommen ist die Vorgabe, dass konkrete Zahlen der nationalen wie globalen Emissionsbudgets bekannt gemacht werden müssen, sowohl die realen Daten als auch die geplanten Reduktionsschritte. Damit wird transparent, wo der Klimaschutz aktuell steht und was zu tun ist, um die vorgegebenen Ziele einzuhalten.

Grundlegender Wandel noch nicht in Sicht

Ein Beispiel: Im Entwurf des Pariser Abkommens stand, dass in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts eine »Klimaneutralität« in dem Sinne erreicht werden muss, dass die anthropogenen Prozesse keine das Klima verändernde Wirkung mehr haben dürfen – insbesondere durch die Dekarbonisierung der Energiesysteme (Strom, Wärme und Mobilität) mithilfe von Einsparungen, einer Effizienzrevolution und Umstellung auf 100 % erneuerbare Energien. Diese Definition der Klimaneutralität wurde aus dem Text gestrichen. Im Abkommen steht nur noch, dass nicht mehr Treibhausgase emittiert werden dürfen, als etwa durch die Anpflanzung von schnell wachsenden Bäumen oder durch technische Maßnahmen – womit auch Geoengineering oder der Ausbau der Nuklearwirtschaft gemeint sein kann – absorbiert werden.

Auch Paris verfolgt nicht das Ziel, zu einer grundlegenden Wende in technisch-wirtschaftlichen Prozessen zu kommen: In erster Linie geht es um kompensatorische Maßnahmen. Der technische Fortschritt ist natürlich von hoher Bedeutung, auch um die durch Technik angerichteten Schäden zu beseitigen. Doch die zentrale Aufgabe, der Umbau von Wirtschaft und Technik, ist im Abkommen nicht erwähnt. Das ist jedoch unabdingbar, damit es zu einem dauerhaften Klimaschutz kommt. Im Kern blieb es in Paris bei dem alten Denken: Probleme werden durch immer neue Techniken und wirtschaftliches Wachstum gelöst. Das ist aber falsch.

Der Weltklimagipfel COP 21 stellte die seit Jahren stagnierenden UN-Klimaverhandlungen auf neue Gleise. Das ist vielleicht die letzte Chance, eine totale Katastrophe abzuwenden. Doch die dort von den 195 Regierungen vorgelegten Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus. Würden sie eins zu eins umgesetzt, dann läge der Anstieg der globalen Temperatur bei 2,6 bis 3,1 Grad Celsius. Mehr als zwei Jahre später hat sich jedoch nicht viel getan. Auch in Deutschland steigen die Kohlendioxidemissionen wieder an. Das schon stark abgespeckte Klimaschutzprogramm des Bundesumweltministeriums fand keine Unterstützung bei der Kanzlerin. Es gibt keine klare Aussage zum Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Auch die Auseinandersetzung um den Diesel dringt nicht zum Kern durch: Die heutige motorisierte Mobilität ist längst an Grenzen gestoßen. Mit dem Pariser Vertragswerk begann die Arbeit erst.

Wir erreichen soziale und ökologische Grenzen des Wachstums. Die Menschheit überschreitet planetare Grenzen. Die neue geologische Erdepoche des Anthropozäns erfordert neue Antworten. Unsere Gesellschaft ist nämlich, wie es bei Ulrich Beck heißt, zu einer Industrieproduktionsfolgengesellschaft geworden. Sie braucht einen neuen, einen reflexiven Fortschritt. In der Umwelt-Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus heißt es: »Infolge einer rücksichtslosen Ausbeutung der Natur läuft der Mensch Gefahr, sie zu zerstören und selbst Opfer dieser Zerstörung zu werden.« Doch das Versagen beim Klimaschutz zeigt, dass wir in einer niedergehenden Epoche gebunden sind, in den Denkweisen der ersten Moderne.

Beim Klimawandel geht es nicht um Ergänzungen oder Teilkorrekturen, sondern um eine sozialökologische Transformation. Solange diese nicht angegangen wird, kommt der Klimaschutz kaum voran. Sie ist nicht nur eine naturwissenschaftliche Herausforderung, sondern vor allem eine gesellschaftliche und politische.

 

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