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Die Feindbilder der Rechtspopulisten Konstruierter Hass

Der Rechtspopulismus sonnt sich im Licht politischer Konjunktur. Mit diesem Terminus assoziieren wir zunächst einmal politische Parteien, von der AfD in Deutschland oder der FPÖ in Österreich über den Front National in Frankreich, die PVV in den Niederlanden, die SVP in der Schweiz bis zur polnischen KNP oder der Lega Nord in Italien. Und da ist noch nicht die Rede von der polnischen PiS-Partei (deren Abgeordnete im EU-Parlament in der EU-Fraktion der Konservativen und Reformer sitzen), vom ungarischen Fidesz (deren EU-Abgeordnete nach wie vor in der Fraktion der Europäischen Volkspartei beheimatet sind) und auch nicht von den rechtsextremen, teils neonazistischen Parteien wie der NPD, der ungarischen Jobbik oder der griechischen Chrysi Avgi (»Goldenes Morgengrauen«), die im EU-Parlament allesamt isoliert, weil fraktionslos, sind. Die Übergänge sind manchmal fließend.

Rechtspopulismus propagiert Polarisierung: unten gegen oben, innen gegen außen, Nation gegen Globalisierung; jedenfalls »wir« gegen »die Anderen«. In diesem Sinne ist Rechtspopulismus politische Strategie bzw. politische Taktik. Rechtspopulistische Parteien kommen aber nicht gänzlich ohne inhaltliche Positionierung aus – und hier kommen Feindbilder ins Spiel. Wenngleich nun die Feindbilder (teilweise) austauschbar sind, lohnt dennoch ein genauerer Blick darauf. Treffend polarisieren lässt sich mit Ausländer/innen, mit Fremden. Xenophobie wird dabei häufig mit Islamophobie gekoppelt. Jede/r, der/die der gängigen Physiognomie, dem gewohnten Erscheinungsbild, der vermuteten ideologischen Positionierung, der jeweils angestammten Bevölkerung nicht zu entsprechen scheint, kann problemlos als anders, in der weiteren Folge als nicht-dazugehörig, als fremd bezeichnet werden. Dabei ist es für Rechtspopulisten wichtig, die eigene Position nicht zu hinterfragen, sondern den Eindruck zu perpetuieren, dass ohnehin jede/r wüsste, wer nun dem präferierten Bild entspricht und damit zur Wir-Gruppe gezählt wird. Würde dies thematisiert, müsste auch diskutiert und hinterfragt werden, was denn nun die Wir-Gruppe so auszeichne, so besonders mache.

Diese Stigmatisierung des Anderen ist seit Nine Eleven deutlich in Richtung Muslime und Islam gelenkt worden. Der Islam wird dabei als homogene Religion gesehen, die für Fundamentalismus anfälliger sei als andere Religionen: Es ist weder die Rede vom Fundamentalismus als genereller antidemokratischer Haltung noch vom Fundamentalismus anderer Religionsgemeinschaften – als ob es ihn dort nicht gäbe. Angesichts der Präsenz von Muslimen in zahlreichen europäischen Ländern können scheinbare Probleme und Missstände auf jene Gruppe projiziert werden, die in der gesellschaftlichen, medialen und politischen Wahrnehmung seit Jahrzehnten eher ausgegrenzt wurden und nur sehr, sehr zögerlich als Teil von uns gesehen werden.

Das Feindbild Islam ist eines der zentralen Themen des rechtspopulistischen Diskurses in Ländern mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Muslimen wie Frankreich, den Niederlanden, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Belgien oder Großbritannien. Aber auch in Ländern mit vergleichsweise geringer muslimischer Bevölkerung (z. B. Litauen, Finnland, Lettland, Polen oder Ungarn) lässt sich mit Islamophobie bestens polarisieren und negativ emotionalisieren.

Durch diverse Terroranschläge (wie in Nizza, Paris, Brüssel oder Berlin) wird Wasser auf die Mühlen dieses Rechtspopulismus gegossen. Dadurch kann die Forderung nach rigoroser Abschottung leichter aufgestellt und auf größere Gruppen (z. B. auf Flüchtlinge generell) übertragen werden.

Ein anderes beliebtes Feindbild sind Sinti und Roma. Diese zu allen Zeiten diskriminierte Gruppe wird nach wie vor in zahlreichen Ländern menschenunwürdig behandelt, von anderen Teilen der Gesellschaft isoliert und kann umso leichter als Feindbild und Sündenbock verwendet werden, weil es eben immer schon leicht war, gegen Roma und Sinti zu hetzen, sie auszugrenzen oder in der Vergangenheit gar zu vernichten. Dies zeigen uns exemplarisch die Vorkommnisse in der kleinen ungarischen Stadt Gyöngyöspata, in der im Frühjahr 2011 eine brutale Hetze gegen Roma betrieben wurde.

Unterstützung für Sinti und Roma war auch in der Vergangenheit die Ausnahme. Im Gegenteil: Wer in Ungarn, Tschechien oder Rumänien, der Slowakei oder Bulgarien gegen Roma hetzt, kann sich der Unterstützung Vieler sicher sein. Dass das Feindbild »Zigeuner« aber auch in Ländern wie Österreich, Frankreich oder Italien auf fruchtbaren Boden fällt, belegen täglich neue Beispiele.

Der Antiamerikanismus der Rechtspopulisten hat mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten kurzfristig einen Rückschlag erlitten. Zum einen wurden von Trump die antiamerikanischen Klischees zu wenig bedient, zum anderen zeigte er mit seinem Auftreten, seinem Hang zur Polarisierung, seinen menschenverachtenden Parolen zu viele Ähnlichkeiten zu (europäischen) Rechtspopulisten. Gerade mit seiner Hetze gegen Muslime und seiner prononcierten Anti-EU-Positionierung trifft er den Puls von Geert Wilders, Marine Le Pen, Frauke Petry und Konsorten.

Antiamerikanismus war und ist häufig eng verknüpft mit Antisemitismus. Während aber in Ländern wie Deutschland oder Österreich auch aufgrund des Holocausts Antisemitismus nur in selteneren Fällen offen artikuliert wird, kann in Polen oder Ungarn offen antisemitisch polemisiert werden. Aber auch in den Reihen der AfD, der FPÖ oder des FN wird Antisemitismus immer wieder sichtbar. Es sei in diesem Zusammenhang nur an die unsäglichen Auftritte des AfD-Hetzers Björn Höcke erinnert.

Ein zentrales und allumfassendes Feindbild rechtspopulistischer Parteien ist ihre ablehnende Haltung gegenüber der EU. Dies hat zunehmend weniger mit EU-kompatiblem Skeptizismus zu tun, sondern zeigt mehr und mehr Züge einer dezidierten Anti-EU-Positionierung, eines harten Antieuropäismus. Nach dem Brexit kündigte Marine Le Pen für den Fall ihrer Präsidentschaft ein EU-Austrittsreferendum in Frankreich an; andere rechtspopulistische Politiker/innen würden, nimmt man ihre bisherigen Positionierungen als Anhaltspunkt, diesem Beispiel ohne große Bedenken folgen.

Antiamerikanismus und Anti-EU-Positionierungen gehen zudem Hand in Hand mit der Instrumentalisierung der Globalisierung als mächtiger Außengefahr.

Beliebt, weil sehr gut geeignet zur negativen Emotionalisierung, ist die Stigmatisierung jener Personen, die etwa Menschenrechte immer wieder einfordern: der »Gutmenschen«. Parallel zu dieser Verspottung werden die Menschenrechte implizit verachtet, wobei paradoxerweise deren Einhaltung durch andere durchaus eingefordert werden kann. Kritisiert wird etwa, dass Frauen durch fremde Männer sexuell belästigt oder – in den Augen rechtspopulistischer Akteur/innen – durch den Islam unterdrückt würden. Geht es aber generell um strengere Gesetze gegen sexuellen Missbrauch, sind sie häufig sehr zögerlich und zurückhaltend.

Kultur und kulturelle Inkompatibilität

Gero Fischer und Peter Gstettner analysierten bereits 1990 in ihrem Buch Am Kärntner Wesen könnte diese Republik genesen über den rechten Rand Europas: »Sie sagen Kultur und meinen Rasse, sie sagen das eine und meinen das andere«. Das zentrale Thema der Rechtspopulisten ist Kultur und damit Zugehörigkeit. Wer dazugehört, wer das Privileg besitzt, dazugezählt zu werden, entscheiden nur vordergründig Kultur und Werte, tatsächlich entscheidend ist zunächst einmal die Abstammung, konkret also Ethnizität und Biologie. Um aber dem seit der NS-Zeit negativ besetzten Begriff »Rasse« zu entgehen, wird »Kultur« strapaziert. Kultur als das uns einende, uns vereinende und uns gegen andere abgrenzende Charakteristikum. Kultur muss nicht weiter definiert werden, es genügt anzunehmen, was als eigen, was als zu eigenen Werten gehörig betrachtet wird und was nicht. Würde dieser Kulturbegriff näher definiert werden, bestünde vielmehr die Gefahr, dass nicht mehr so eindeutig sein könnte, was darunter zu verstehen ist. Und Kultur könnte sich als wesentlich heterogener herauskristallisieren als es den Vereinfachern lieb ist.

Die Definitionsmacht liegt in den Händen der Pauschalisierer und Homogenisierer. Ebenso in ihren Händen liegt die Definition der Ausgrenzung. Auch hier wird nicht näher definiert, was die Anderen zu Anderen macht, außer dass sie eben nicht das sind (bzw. sein können), was »wir« sind: Sie sind und bleiben die Anderen; jene, deren (fiktive und zugeschriebene) Kultur mit unserer (fiktiven und konstruierten) nicht kompatibel ist. So wie wir das sind, was sie nicht sind, können sie niemals das sein, was wir sind: Sie bleiben draußen, sie bleiben anders.

Die Vorstellung einer (ethnisch) homogenen Wir-Gruppe, die der Gruppe der Anderen gegenübergestellt ist, widerspricht dem grundlegenden Ansatz demokratischer Heterogenität. Zugehörigkeit wird im Rechtspopulismus ethnisch und biologisch definiert. Im Gegensatz dazu gehen demokratische Vorstellungen nicht nach ethnischen bzw. nach Abstammungskriterien vor, sondern nach dem Leben in einer Gemeinschaft – Nation und Zugehörigkeit werden politisch-inklusiv und nicht kulturell-exklusiv definiert.

Die rechtspopulistische »Alternative«

Entsprechend der Devise einer (ethnisch) homogenen Gemeinschaft müssen alle Anderen – jene, die als nicht-dazugehörig definiert werden – hinaus. Das geht mit der plumpen und stupiden Formel »Ausländer raus« ebenso wie mit Verweisen auf religiöse oder politische Zuschreibungen. Dass europäische Werte und der Islam nicht kompatibel seien, führt zum – für Rechtspopulisten logischen – Schluss, dass für Muslime eben kein Platz in unserer Gesellschaft, innerhalb unserer Grenzen sei. Und diese Grenzen werden verstärkt bzw. neu gezogen. Es geht den Rechtspopulisten um die Renationalisierung in einer globalisierten Welt. Dabei werden Ängste geweckt (sofern diese nicht ohnehin schon gesellschaftspolitisches Thema sind) und die Bekämpfung dieser Ängste mit dem Rückzug in die nationale Isolation propagiert.

Ignoriert bzw. bewusst nicht zur Kenntnis genommen wird, dass wir in einer Welt der zunehmend geringeren nationalstaatlichen Politikmöglichkeiten leben. Ebenso ausgeblendet und nicht thematisiert wird, dass Nationalismus bisher in der Geschichte zu wesentlich mehr Gewalt geführt hat als Internationalismus.

Ob die Taktik der Rechtspopulisten aufgeht, hängt nicht nur von ihnen selbst, sondern ganz wesentlich von der politischen Mitte und deren Positionierung ab. Es wäre Aufgabe der politischen Kontrahenten, die realen Folgen rechtspopulistischer Phrasen in all ihren Facetten sichtbar und erkennbar zu machen.

Die Einbindung rechtspopulistischer Parteien kann unter Umständen zu deren Eingrenzung beitragen (wie z. B. die deutlich geringeren Wahlergebnisse der FPÖ in Österreich nach der Regierungsbeteiligung 1999 zeigen), wobei meist erhebliche (gesellschaftspolitische oder finanzielle) Folgekosten entstehen. Allerdings gibt es auch genügend Beispiele – aktuell etwa Ungarn oder Polen –, die sichtbar machen, dass durch rechtspopulistische Parteien der bisherige demokratische Grundkonsens vor allem dann massiv infrage gestellt werden kann, wenn es keine oder eine nur schwache Opposition gibt. Die Anbiederung an rechtspopulistische Parteien bzw. die Übernahme von deren Themen und die damit verbundene Verschiebung der politischen Mitte nach rechts hat bislang dem Erfolg rechtspopulistischer Parteien nicht wirklich geschadet. Wenn diese Parteien scheitern, dann meist an der Inkompatibilität von (rechtpopulistischer) Rhetorik und (politischer) Praxis.

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