»What a year this week has been« postete die US-Journalistin Susan Glasser in den turbulenten Tagen nach dem Attentat auf Donald Trump auf X. Mit der Zeit ist das so eine Sache, in der Politik allemal.
Da sind etwa fünf Jahre seit jeher eine ziemlich lange Zeit und in den krisengeschüttelten 2020er Jahren gefühlt gar eine Ewigkeit. Unter dem Eindruck extremer Wetterereignisse und der Großdemonstrationen von Fridays for Future war Klimaschutz bei den Europawahlen 2019 noch das dominierende Thema. Eine Pandemie, zwei alle anderen globalen Konflikte überschattende Kriege und eine Inflation später ist es hinter die Themen Armut, Gesundheit, Wirtschaft und Verteidigung zurückgefallen.
Bei den Europawahlen im Juni verzeichneten rechte Parteien europaweit Zuwächse, die AfD schnitt in Deutschland weitgehend unberührt von Skandalen und Spionageenthüllungen stark ab, während die Grünen bis hinein in die Kernwählerschaft massive Verluste einfuhren. Das Ergebnis wurde wahlweise als Ausdruck der Sehnsucht nach Sicherheit und einer stabilen Welt oder auch als klimapolitischer Denkzettel gelesen.
»Elections are about the future« – so lautet eine gemeinhin Bill Clinton zugesprochene Weisheit. Kandidaten, die in der Vergangenheit verhaftet sind oder vor allem auf ihre zurückliegenden Erfolge verweisen, haben es in der Regel schwerer, Menschen für sich zu mobilisieren. In den vergangenen Jahren kam in den Erfolgen rechtspopulistischer Bewegungen weltweit jedoch eine spezielle Variante der clintonschen Formel zum Tragen: »Elections are about back to the future«. Die Menschen glauben nicht an eine bessere Zukunft und wenden sich deshalb einer angeblich besseren Vergangenheit zu.
»Gerade bei komplexeren Herausforderungen kann die Konfrontation mit entsprechenden Informationen auch zu Leugnung oder Apathie führen.«
Dass gerade die Entscheidungen und das (Nicht-)Handeln der Vergangenheit dafür gesorgt haben, dass wir heute anders vorgehen müssen, diese Erkenntnis ist auf rationaler Ebene durchaus angekommen – laut Umfragen steht die Bevölkerungsmehrheit hinter den Klimazielen der Bundesregierung und dem Pariser Abkommen. Emotional findet sie jedoch kaum Anklang. Wissen oder Einstellungen allein führen eben nicht automatisch zu Akzeptanz politischer Maßnahmen oder zu Verhaltensänderungen. Gerade bei komplexeren Herausforderungen kann die Konfrontation mit entsprechenden Informationen auch zu gegenteiligen Effekten wie Leugnung oder Apathie führen – ein Phänomen, das als Attitude Behavior Gap bekannt ist und an dem auch die nie auf breite Unterstützung stoßende »Letzte Generation« verzweifelte. Profiteure sind populistischen Kräfte, deren gemeinsamer affektiver Nenner das Versprechen auf die Rückkehr zu einem Status quo ante beziehungsweise die Wiederherstellung von Handlungsfähigkeit und Kontrolle ist.
Klimapolitik als Spaltungsthema
In dem Maße, in dem sie an Bedeutung gewann und die politischen Agenden prägte, entwickelte sich Klimapolitik für die sich ansonsten notorisch uneinige europäische Rechte zu einem wedge issue (Spaltungsthema), einem zentralen ideologisch-programmatischen Motiv, das sie, wie schon beim Umgang mit Migration oder COVID-19 als Elitenprojekt auf Kosten der einfachen Menschen umdeuteten (»Klima-Diktatur«). Entsprechend agiert die AfD, die den menschengemachten Klimawandel leugnet, mit beträchtlichem Erfolg, insbesondere in sozialen Medien. Dass das Thema in den letzten Monaten in den Hintergrund getreten ist, zeugt eher von Ohnmacht und Verunsicherung klimapolitischer Akteure, insbesondere der Grünen, als davon, dass die Kulturalisierung der Klimapolitik an Bedeutung verloren hätte.
Diese Situation ist maßgeblich auf das regierungshandwerkliche und -kommunikative Desaster rund um das sogenannte Heizungsgesetz zurückzuführen. Interessengruppen, konservative Medien und rechte Milieus schlachteten dies gnadenlos aus, wenigstens billigend in Kauf genommen von Teilen der Koalition, die die Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen wollten, sich als Sachwalter von Maß und Mitte beziehungsweise Anwalt all jener, die sich in ihren Freiheiten »gekränkt« (Carolin Amlinger und Oliver Nachtwey) fühlen, zu inszenieren.
Von einem koordinierten Vorgehen, einer dem 1,5-Grad-Ziel konsequent Rechnung tragenden Klimaschutzpolitik und einer konsistenten Kommunikation war und ist die Ampelkoalition weit entfernt. Auch der im Juli getroffene Haushaltsbeschluss für 2025 trägt wenig dazu bei, an diesem Eindruck etwas zu ändern. Ohne Lockerung der Schuldenbremse fehlen Milliarden für die Transformation von Industrie und Wirtschaft, Mobilitätswende und Gebäudesanierung. Ein Klimageld, um die Dekarbonisierung sozialverträglich zu gestalten, kommt nicht. Was aber kommen wird, sind steigende CO2-Preise beim Heizen, Tanken und Konsum, die einkommensschwächere Haushalte besonders belasten. Was kommen wird ist die Umsetzung weiterer bereits beschlossener Maßnahmen, die zunehmend den individuellen Lebensbereich der Menschen, kulturelle Werte und kognitive Praktiken betreffen. Was kommen wird, sind Klimafolgen und mithin ein weiter steigender Handlungsdruck.
»Dringlichkeit, Tragweite und zeitliche Komplexität der sozialökologischen Transformation bergen das Potenzial, zur Belastungsprobe für Repräsentation und Demokratie zu werden.«
Hier droht eine Erlaubnisstruktur auf Dauer gestellt zu werden, die es populistischen Kräften immer wieder ermöglicht, ihren zur Schau gestellten Voluntarismus dem vermeintlich abgehobenen Technokratismus der Klimapolitik dauerhaft gegenüberzustellen. Jonathan White, Professor an der London School of Economics erkennt in der aktuellen Klimapolitik einen Widerhall des neoliberalen TINA-Prinzips. Die Erfahrungen rund um »Habecks Heizungshammer« (BILD) könnten also nur ein Vorgeschmack auf das sein, was noch auf uns zukommt. Dringlichkeit, Tragweite und zeitliche Komplexität der sozialökologischen Transformation, die keinen Aufschub erlaubt, dessen positive Effekte sich aber erst langfristig – und dann vor allem im Nicht-Eintreten verheerender Klimafolgen – zeigen werden, bergen das Potenzial, zur Belastungsprobe für Repräsentation und Demokratie zu werden.
Progressives Narrativ – Fehlanzeige
Einmal mehr zeigt sich, dass ein progressives Narrativ als Orientierungsrahmen fehlt. Das gilt insbesondere für die ökosoziale Transformation, die sich als Schlagwort im Fachdiskurs etabliert hat, jedoch in den unterschiedlichen Milieus weder Orientierung noch Aufbruchstimmung schafft. Klimawandel wird als Bedrohung wahrgenommen, Transformation als notwendige Anpassung oder als Zwang, die Bürger als passive Empfänger staatlicher Entscheidungen. Begriffe wie »Austauschpflicht« oder Schlagzeilen wie »Habeck reißt die Heizung raus« stimulieren das Kopfkino.
White weist zu Recht darauf hin, dass das Thema Klimawandel »nicht von Natur aus technokratisch« sei. »Die Probleme entstehen, wenn es als solches behandelt wird.« Auch wenn es sich bei der Erderhitzung und seinen Folgen um unbestreitbare Tatsachen handelt, die daraus abgeleiteten politischen Maßnahmen sind nicht a priori alternativlos. Umso wichtiger sind Botschaften, die nicht nur rational überzeugend, sondern auch emotional ansprechend sind. Narrative bilden die Grundlage dafür und spiegeln Grundüberzeugungen von Kulturen und Gesellschaften, sind aber auch ein Instrument dafür, selbige zu hinterfragen und Veränderungen anzustoßen.
»Kollektive Erzählungen geben den Menschen einen normativen Sinn für ihr Handeln.«
Der US-Aktivist Marshall Ganz hat überzeugend dargelegt, dass kollektive Erzählungen gemeinsame Erfahrungen und ethische Überzeugungen verknüpfen und den Menschen einen normativen Sinn für ihr Handeln geben. Dies geschieht, indem sie die Werte, Erfahrungen und Motive des Absenders (»Story of Self«) mit den gesellschaftlichen Prägungen (der »Story of Us«), in Beziehung setzen. In der »Story of Now« schließlich werden die Dringlichkeit und die Notwendigkeit zum Handeln und die damit einhergehenden Chancen beschrieben.
Damit mögliche Gefahren oder negative Konsequenzen bei Nichthandeln nicht nur Angst und Überforderung hervorrufen, brauchen politische Narrative ein Bild von einer besseren Zukunft. Durch historische Beispiele und Verweise darauf, dass wir es bereits einmal geschafft haben, könnten Zuversicht und Selbstwirksamkeit betont werden.
Bürger als aktive Gestalter der Transformation
Kollektive Narrative sind mehr als ein Sales Pitch, mehr als das bloße Aufzählen von politischen Leistungen oder künftigen Vorhaben, auch mehr als Respektbekundungen gegenüber der Wählerschaft. Denn in all dem gebührt den Bürgern eine aktive Rolle als Gestalter der Transformation. Einstellungen, Gefühle und Wissen entstehen und verfestigen sich durch eigenes Handeln und Erleben. Diese Erfahrungen können direkt oder indirekt, auch durch Kommunikation, gemacht werden. Umso wichtiger ist es, den Menschen nicht nur zu sagen, was für sie getan wird (Politik als Dienstleistung) oder was sie zu tun haben (Politik als Anpassung an Unveränderliches), beides vergrößert die Kluft zwischen Regierenden und Regierten nur, sondern zu erzählen, was wir gemeinsam erreichen können.
Damit verbunden sind Fragen wie die nach dem kollektiven »Wir« oder dem Heimatbegriff – problematische Konzepte, die es zurückzuerobern und, jenseits nostalgischer Verklärungen, inklusiv, solidarisch aufzuladen gilt. Dahinter stehen Bedürfnisse nach Gemeinschaft, Sicherheit und dem, was trotz aller Veränderungen »bleibt«. Sie sollten nicht der ideologischen Vereinnahmung der Rechten überlassen werden dürfen.
»Es bedarf einer systematischen Auseinandersetzung mit der Frage, worin das progressive Zukunftsversprechen genau besteht.«
Zukunft war aus progressiver Perspektive immer mehr als eine lineare Verlängerung der Gegenwart. Gerade weil eine bessere Zukunft so unwahrscheinlich erscheint, hat dieser Anspruch nichts an mobilisierendem Potenzial verloren. Schließlich ist mit der ökosozialen Transformation der Anspruch auf Freiheitsgewinne, höhere Lebensqualität und bessere wirtschaftliche Perspektiven verbunden. Damit dieser jedoch zu einem demokratischen Beweggrund wird, müssen solche oft als selbstverständlich angenommenen Ziele und Begründungszusammenhänge konkret ausformuliert werden. Dafür bedarf es aber einer systematischen Auseinandersetzung mit der Frage, worin das progressive Zukunftsversprechen (das weder ein »Zurück in die Vergangenheit« noch ein »Weiter so« sein kann) denn genau besteht, sowie mit der Frage, welche materiellen Interessen dadurch konkret bedient werden.
Verbindung zum Zeitgeist und popkulturelle Präsenz
Es braucht zudem eine theoretisch und empirisch fundierte, institutionell verankerte Kommunikation, die sich mit den durch Reformen berührten kulturellen Semantiken auseinandersetzt, und eine Antwort auf die Frage, wie diese in den lange vernachlässigten sozialen Medien – insbesondere auf TikTok – artikuliert werden können.
»Bei den anderen Parteien mangelt es an positiven Identifikationsangeboten.«
Die Europawahl hat deutlich gemacht, dass hier ein Resonanzraum entstanden ist, der weitgehend unabhängig von der journalistischen Aussageproduktion funktioniert und in dem sich rechtspopulistische und transformationsskeptische Diskurse, insbesondere unter Jüngeren, umso effektiver verbreiten. Da mangelt es bei den anderen Parteien allgemein und in der Klimakommunikation im Besonderen an positiven Identifikationsangeboten sowie einer Verbindung zum Zeitgeist und einer popkulturellen Präsenz.
Trotzdem ist Kommunikation natürlich nicht alles, denn Fortschritt realisiert sich erst im Zusammenspiel zwischen Erzählungen, die eine bessere Welt vorstellbar machen, und politischem Handeln, welches die Möglichkeit des Wandels erlebbar macht. Bezüglich der Transformation bedeutet das vor allem, dass soziale Aspekte nicht nur kommunikativ, sondern auch materiell adressiert werden.

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