Menü

Gleichberechtigung – auch in der Politik und im Parlament Liberté – Egalité – Parité

»Frauen in die Parlamente« – so hieß es schon im Jahr 1918. Dieser Forderung schließe ich mich als junge Parlamentarierin gut 100 Jahre später an: Frauen sind in den Parlamenten weltweit immer noch unterrepräsentiert und somit auch die Themen, die Frauen bewegen. Hätten wir in Deutschland bereits ein Parité-Gesetz – wie etwa in Frankreich – wären wir beispielsweise beim Thema gleicher Lohn für Frauen und Männer sicherlich schon weiter als wir es heute sind.

Frauen sind in der Politik immer noch unterrepräsentiert – und zwar auf allen politischen Ebenen, in allen politischen Gremien. Vor 100 Jahren wurde das Frauenwahlrecht unter dem großen Einsatz von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten erkämpft. Noch einmal 30 Jahre hat es gedauert bis 1949 mit dem Artikel 3 im Grundgesetz die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einen Verfassungsrang erhielt. Seitdem hat sich einiges getan. Unser Land wird von einer Frau regiert. Viele Bundesministerien werden von Frauen geführt und auch der Anteil der Parlamentarischen Staatssekretärinnen in der Bundesregierung war noch nie so hoch wie in der 18. Wahlperiode. Und nie zuvor in der deutschen Geschichte war der Anteil an Parlamentarierinnen im Deutschen Bundestag so hoch wie zwischen 2013 und 2017. Stolz konnte »man« auf einen Frauenanteil im Parlament von rund 36 % sein.

Bereits am Abend des 24. September 2017 war aber klar: Mit dem Einzug der FDP und der AfD geht es einen Schritt zurück in die Vergangenheit. In beiden Fraktionen gibt es nur sehr wenige Frauen. Auch CDU und CSU erkannten die Notwendigkeit nicht, mehr Kandidatinnen auf aussichtsreiche Listenplätze zu setzen oder mehr Frauen als Direktkandidatinnen zu nominieren. Die bittere Konsequenz ist ein Frauenanteil im neu gewählten Bundestag von gerade einmal 30,7 %. Dank Quote und Reißverschluss ist der Frauenanteil in den Bundestagsfraktionen der SPD, der Linkspartei und bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stabil geblieben. Ich erlebe die Frauen in der Fraktion als selbstbewusst, wenn es um die Besetzung von Positionen geht. Und die Kultur ändert sich, wenn sich mehr Frauen in Führungspositionen behaupten: Wir haben viele Frauen in der ersten Reihe, die jeden Tag unter Beweis stellen, dass sie politische Verantwortung übernehmen – nicht nur auf Bundesebene. Auch auf Landesebene gibt es heute Regierungschefinnen und viele Ministerinnen. Der Anteil der weiblichen Abgeordneten in den jeweiligen Parlamenten ist dem im Bund zumindest ähnlich. Das heißt, Frauen sind auf Bundes- und Landesebene inzwischen weit häufiger mit an der Macht, sie sind sichtbar und sie drücken der Republik ihren Stempel auf.

Ja, es gibt erfolgreiche Frauen in der ersten Reihe und in allen Fraktionen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die politische und gesellschaftliche Repräsentation von Frauen insgesamt immer noch unzureichend ist. Zu meinem Verständnis von Demokratie, Gerechtigkeit und Partizipation gehört mehr als das, was wir heute vorfinden! Egal ob im Hinblick auf politische Ämter, Lohngleichheit, gleiche Aufstiegs- oder Bildungschancen – unsere Gesellschaft kann und darf es sich nicht erlauben, auf gut die Hälfte ihres Potenzials zu verzichten.

Das herrschende Ungleichgewicht zeigt sich unter anderem beim Blick in die Kommunalpolitik, wo Frauen nach wie vor stark unterrepräsentiert sind. Nur ein Viertel der ehrenamtlichen Mandate in den Stadträten und Kreistagen ist von Frauen besetzt. Noch schlimmer sieht es bei den Führungspositionen auf der kommunalen Ebene aus: 96 % der hauptamtlichen Bürgermeister sind männlich, so auch 94 % der Landräte und 85 % der Oberbürgermeister. Im Klartext heißt das umgekehrt: Es gibt nur 15 % Oberbürgermeisterinnen, nur 6 % Landrätinnen und nur 4 % hauptamtliche Bürgermeisterinnen. Welche Gründe gibt es dafür?

Eine wesentliche Rolle spielen dabei sicherlich die festgefahrenen Strukturen und die tradierten Rollenmodelle. Diese machen es interessierten Frauen in den Kommunen besonders schwer, den Einstieg in ein Amt mit Verantwortung zu finden. Studien über Frauen in der Kommunalpolitik, wie die der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) »Engagiert vor Ort – Wege und Erfahrungen von Kommunalpolitikerinnen« vom Dezember 2014, schildern dies eindrucksvoll. Demnach kritisiert etwa jede fünfte Mandatsträgerin das Arbeitsklima und die Arbeitsweise in der Kommunalpolitik – und zwar unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit. Hier fallen Äußerungen wie »giftige Atmosphäre«, »polemischer Ton«, »Grabenkämpfe« und »Mobbing«. Aber auch »Profilierungssucht« und »Vetternwirtschaft« werden genannt. Viele der Befragten kritisieren zudem die Sitzungs- und Redekultur: »Endlosdiskussionen« und »monologartige Vorträge« würden die Entscheidungsfindung unnötig verlangsamen. Außerdem erschwert das Management der kommunalpolitischen Termine die Teilhabe von Frauen an Sitzungen. Denn immer noch sind es vorwiegend die Frauen, die sich um die Kindererziehung oder die Pflege von nahen Angehörigen kümmern. Und das lässt sich nur schwer mit der vorherrschenden Sitzungs- und Dauerpräsenzkultur vereinbaren. Das hindert Frauen schon ganz zu Beginn an einer politischen Karriere.

Oft höre ich auch das fadenscheinige Pseudo-Argument, es würden keine Frauen für eine Kandidatur zur Verfügung stehen. Das kommt durchaus schon mal vor, aber dann müssen wir uns klar fragen: Warum stehen sie nicht zur Verfügung? Frauen stellen fast 51 % der Bevölkerung, etwa 2 % mehr als Männer. Frauen sind heute besser ausgebildet denn je – und sie machen die besseren Schulabschlüsse als ihre männlichen Kollegen. An der Qualifikation kann es demzufolge nicht liegen. Viel eher liegt es wie eben beschrieben an der Zeit und der Kultur in den vielen Parteien. In den Fällen, in denen sich Frauen dann doch entscheiden für ein politisches Amt zu kandidieren, durchlaufen die meisten von ihnen einen langwierigen und schweren Nominierungsmarathon. Die Entscheidung darüber, wer überhaupt kandidieren darf, liegt überwiegend bei den Parteien. Diese haben die Nominierungshoheit sowohl für die Listenplätze als auch für die Direktkandidaturen und entscheiden also auch über das Geschlecht der jeweils Nominierten.

Die meisten der politischen Parteien haben sich auf freiwilliger Basis eigene Regeln für die Repräsentanz der Geschlechter auf Wahllisten gegeben. Dies gilt bei der SPD beispielsweise auch für parteiinterne Ämter. Die Regelungen sind jedoch sehr unterschiedlich und es gibt keine Sanktionen bei Nichterfüllung der Quote, beispielsweise durch den Bund. Insgesamt liegt der Anteil von Frauen bei Listen- wie Direktkandidaturen niedriger als derjenige der Männer – oft auch unter den Quoten, die sich die meisten Parteien freiwillig verordnet haben. Im Saarland wurde zum Beispiel von der SPD nur in vier Wahlkreisen eine Frau als Direktkandidatin aufgestellt.

Dieses Beispiel zeigt die teilweise diskriminierende Nominierungspraxis der Parteien. Und Frauen werden nicht nur deutlich seltener als Direktkandidatinnen nominiert, darüber hinaus werden sie dann auch noch häufig auf die wenig aussichtsreichen Plätze am Ende der Wahlliste gesetzt, wenn es keine Regelungen zur genauen Listenplatzierung gibt wie beispielsweise beim Reißverschlussprinzip. Das heißt, bei einem durchschnittlichen Wahlergebnis ihrer Partei haben sie deutlich schlechtere Chancen, ins Parlament einzuziehen.

Die Forderung nach einer gleichen Repräsentanz von Frauen und Männern im Parlament ist also hochaktuell. Aber wie können wir die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Parlamenten sicherstellen?

Manche Länder – wie Belgien oder Frankreich, aber auch Ruanda, Tunesien und Namibia – haben Gesetze zur paritätischen Repräsentation der Geschlechter geschaffen. In Frankreich ist die Bilanz des »Gesetzes zur Förderung des gleichen Zugangs von Frauen und Männern zu Wahlmandaten und Wahlämtern« eindeutig positiv! Der Frauenanteil hat sich in den Kommunal- und Regionalparlamenten sowie unter den französischen Europaabgeordneten auf über 40 % erhöht. Eine nahezu paritätische Besetzung. Das Parité-Gesetz wirkt nur dort weniger effektiv, wo wirksame Sanktionen fehlen. Das, was in Frankreich oder Belgien geht, muss auch bei uns in Deutschland möglich sein. Mit deutschem Recht würde sich eine Quotenregelung ebenfalls vereinbaren lassen. So bestünde beispielsweise die Möglichkeit, für Listenwahlen im Wahlgesetz zu regeln, dass auf den von den Parteien einzureichenden Wahllisten Frauen und Männer in gleicher Anzahl – also paritätisch – als Kandidatinnen und Kandidaten aufgestellt werden müssen und dies im Wechsel der Geschlechter zu erfolgen hat. Eine solche Vorgehensweise würde ihre verfassungsrechtliche Rechtfertigung im Gleichstellungsauftrag von Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes finden, dementsprechend der Staat, inzwischen auch ausdrücklich in Satz 2 festgelegt, verpflichtet ist, die »tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern« zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Diesem Verfassungsgebot würde ein Paritätsgesetz Folge leisten. Für die Aufstellung von Direktkandidatinnen und -kandidaten könnte als Vorbild die französische »Doppelpack«- bzw. »Binom«-Variante dienen: Für die Wahlen zu den Départementräten 2015 wurde die Zahl der Wahlkreise fast halbiert und eine Geschlechterparität eingeführt. Pro Partei und Wahlkreis kandidieren Zweierteams bestehend aus einer Frau und einem Mann. Die Wählerinnen und Wähler geben aber nur eine Stimme für den Wahlkreisvorschlag ab. Das Tandem mit den meisten Stimmen gewinnt den Wahlkreis direkt. Über solche Varianten müssen wir auch hierzulande unbedingt mehr diskutieren. Die sozialdemokratische Abgeordnete Marie Juchacz betonte bereits bei ihrer ersten Rede am 19. Februar 1919 in der Weimarer Nationalversammlung, dass die Frauen der Regierung für das Wahlrecht nicht etwa Dank schuldig seien, sondern es ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten wurde.

Und so ist es auch mit der politischen Teilhabe von Frauen. Frauen machen mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus, sie haben ein Recht auf die gleichberechtigte Teilhabe in der Politik.

Kommentare (0)

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben

Nach oben