Die aktuellen Gründe für den Auflagenverlust sind vielschichtig. Zu guten Zeiten konnte sich die Tageszeitung noch zu zwei Dritteln aus Anzeigen, also Werbeeinnahmen, finanzieren. Dieser Wert liegt aktuell teilweise deutlich unter 40 Prozent. Als Folge werden die Abo- und Einzelverkaufspreise kontinuierlich erhöht. Eine finanzielle Todesspirale, da als Reaktion Abonnenten kündigen, der Einzelverkauf weiter schwindet.
Der Niedergang der Lokalzeitungen beschleunigt sich. Die Auflagen werden Ende dieses Jahrzehnts so niedrig sein, dass eine wirtschaftliche Basis nicht mehr vorhanden ist. Eine überlebenswichtige staatliche, staatsferne Förderung (Beispiel: skandinavische Staaten) ist nicht zu erwarten. Die Politik, aber auch Journalisten- und Verlegerverbände haben fahrlässig und verantwortungslos dieses Thema nicht öffentlich gepuscht. Für eine staatsferne finanzielle Förderung ist es jetzt zu spät.
Die inflationäre wirtschaftliche Situation der Privathaushalte beschleunigt den Auflagenverlust. Um Geld zu sparen, wird zuerst das Zeitungsabo gekündigt. Aufseiten der Verlage sind Preissteigerungen für Papier und Energie erhebliche Kostentreiber, aber auch der steigende Mindestlohn für Zusteller*innen sowie turnusmäßige Tariferhöhungen. Zusätzlich wird es immer schwieriger, Zusteller*innen zu finden, die zu morgendlicher Stunde die Lokalzeitung verteilen. Ist sie aber nicht frühmorgens zugestellt, folgen weitere Abokündigungen. Wie sollen künftig Menschen in Städten, Landkreisen und Gemeinden kommunalpolitische Informationen erhalten? Auf welcher Informationsbasis ihre Wahlentscheidungen treffen? Wer soll Politik und Verwaltung kontrollieren?
Lieber Informations-Fastfood
»Zunehmendes Desinteresse an politischen Prozessen, vor allem an der Kommunalpolitik.«
Das stetig zunehmende Desinteresse an politischen Prozessen, vor allem an der Kommunalpolitik, ist ein weiterer Grund für den Auflagenverlust. Eine dramatische Entwicklung, die schon seit Jahren in der abnehmenden Zahl an Berichten über kommunalpolitische Themen und ausgedünnten lokalen Berichten deutlich wird. Die Universität Bielefeld stellte 2022 in einer Studie unter anderem fest, dass 75,8 Prozent der Jugendlichen den Zeitungen misstrauen, 71,6 Prozent misstrauen Journalisten*innen und 32,8 Prozent glauben, dass Medien nur ihre eigene Meinung verbreiten. Die Medienkompetenz fehlt, um die Arbeit der seriösen Medien zu werten, von unseriösen Medien zu unterscheiden. Die schnelle, kostenlose, allerdings oberflächliche Headline-Info über Social Media, egal ob seriös oder nicht, ist einfacher und reicht vielen.
Das Sterben vieler Lokalzeitungen begann Anfang des neuen Jahrtausends. Es führte zu einem Rückgang der medialen Vielfalt in den Berichten, da wirtschaftlich stärkere Verlage notleidende Lokalzeitungen aufkauften. Als Folge wurden und werden lokale Berichte zunehmend ausgedünnt, Meinungsvielfalt wird negiert. Die Zahl festangestellter Journalisten*innen in den Redaktionen verringert sich ständig. Waren es im Jahr 2000 noch 15.300, dürfte die Zahl aktuell nach Schätzungen des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) unter 10.000 liegen. Tendenz sinkend. Auswirkungen: Immer mehr Einheitsbrei in der Berichterstattung, also Vielfaltsverlust. Immer mehr Agenturmeldungen, Informationen aus Pressemitteilungen, Schreibtischjournalismus, zusätzlich, bedingt durch immer weniger Journalisten*innen, ein zunehmender Qualitätsverlust.
Steigerung beim E-Paper kein Grund zum Jubeln
Der Bund Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) verkündete im vergangenen Jahr nach einer eigenen Studie freudig, dass die Steigerungsrate beim E-Paper Anfang 2022 13,9 Prozent betrug. Eine Steigerung zum Vorjahr um 16,6 Prozent. Erfreulich: Zwei Drittel (65,8 Prozent) der Digitalleser*innen sind unter 50 Jahre alt. Nachdenklich macht: 65 Prozent davon haben einen höheren Bildungsabschluss und sind voll berufstätig. E-Paper-Nutzer verdienen zu 43 Prozent über 3.000 Euro netto im Monat, jede/r fünfte hat mehr als 4.000 Euro Haushaltsnettoeinkommen. E-Paper – nur etwas für Besserverdienende?
»Das E-Paper wird den Abwärtstrend des Zeitungssterbens nicht aufhalten.«
Die Steigerung der E-Paper-Zahlen ist kein Grund zum Jubeln. Die realistische Analyse zeigt ein anderes Bild, lässt die Jubelarien schnell verstummen. Die Auflage der Tageszeitungen lag im Jahr 2000 noch bei 24,1 Millionen, Ende 2022 betrug sie nur noch 11,4 Millionen. Die E-Paper-Nutzung Ende 2022 lag laut Statista bei nur 2,6 Millionen, davon 1,54 Millionen als Abonnement. E-Paper ist keine Alternative zur gedruckten Zeitung, verzögert den Niedergang, wird sie aber nicht ersetzen; das E-Paper wird den Abwärtstrend des Zeitungssterbens nicht aufhalten. Auch andere Paywall-Modelle wie »Freemium« oder »Metered« sind keine finanzielle Alternative.
Künftig werden wohl nur noch der öffentlich-rechtliche und private Rundfunk, freie, seriöse Onlinezeitungen, Blogs und bedingt Influencer Mittler politischer Themen sein. In einigen Ländern vielleicht noch der nichtkommerzielle Rundfunk. Letztere oft durch finanzielle Zuschüsse der Kommunen, staatsnahe Sender.
Kommunale Kommunikationsstrategien als Ausweg
Für die künftige Information vonseiten der Kommunen stellt sich die Frage, welche Kommunikationskanäle Einwohner*innen erreichen. Der Bundesgerichtshof (BGH) wertete im vergangenen Jahr kommunale Öffentlichkeitsarbeit als »Pflicht zur Information«. »Städte müssen zeitgemäß digital kommunizieren«, stellte der BGH im vergangenen Jahr im Hinblick auf moderne Kommunikationskanäle fest. Nur so würden sie dr Erwartung der Bürgerinnen und Bürger nach Transparenz der Arbeit von Verwaltungen gerecht und ermöglichten den Dialog über die Politik der Städte.
Social Media sind mittlerweile das meistgenutzte Angebot zur Information. Unterschiedliche Social-Media-Kanäle erreichen verschiedene Altersgruppen. Die der 10- bis 19-Jährigen bevorzugen vor allem TikTok und Instagram. 14- bis 29-Jährige Instagram, TikTok und Facebook. 30- bis 49-Jährige und die Über-50-Jährigen Facebook und Instagram. 47 Millionen Menschen nutzen in Deutschland Facebook, Instagram 32 Millionen, TikTok 15 Millionen und den Newcomer Reddit bereits 15 Millionen.
Kommunale Informationsarbeit ist ein PR-Instrument
Eindrückliche Zahlen, die belegen, dass Social Media zur täglichen Kommunikations- und Informationsplattform geworden ist. Eine in allen Altersgruppen mittlerweile hohe Akzeptanz von fast 100 Prozent. Aber auch Newsletter, kommunale Apps, die eigene Homepage, die eigene Stadtzeitung sowie LED-Wände im Stadtbild und so weiter werden im Mix unverzichtbar für die kommunale Informationsarbeit sein. Doch Vorsicht. Es sind staatsnahe, also in eigener Regie betriebene subjektive Medien.
»Kommunen müssen sich intensiver auf die Social-Media-Kommunikation umstellen.«
Es ist höchste Zeit, dass sich Kommunen, wenn nicht bereits geschehen, intensiver als bisher auf die Social-Media-Kommunikation und andere Kommunikationsmöglichkeiten umstellen. Sie müssen alle Plattformen zielgruppenspezifisch nutzen, um auch künftig die Menschen ihrer Stadt und Region zu erreichen. Ihre Pflicht und Verantwortung liegen in einer möglichst objektiven Information. Hörfunk und Fernsehen, egal ob öffentlich-rechtlich oder privat, werden auch künftig über lokale und regionale Ereignisse informieren, werden ihre Kontrollfunktion ausüben.
Onlinezeitungen, auch alternative Onlineangebote, werden, wo vorhanden, die lokale und regionale Informationsvermittlung ergänzen. Die lokale Berichterstattung durch die altbewährte lokale Tageszeitung als Printversion oder als E-Paper wird wegfallen. Die eigene Stadtzeitung, das Amtsblatt oder die eigene Homepage sind allerdings keine staatsfernen Informationen im Sinne einer funktionierenden Demokratie. Sie sind immer, verständlicherweise, nur PR-Instrumente. Gefährlich dann, wenn sie zum Spielball rechts- oder linksextremer Parteien werden.
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