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picture alliance/dpa | Frank Hammerschmidt

»Muss das Militärische künftig eine höhere Priorität bekommen?« NEIN!

Nein, denn das Militär ist nicht die »Schule der Nation«. Es scheint, dass die 2022 proklamierte Zeitenwende dafür sorgt, dass – für manche endlich – das Militärische wieder im Alltag präsent ist. Für mich ist befremdlich, wie in unserer Sprache auf einmal »Helden«, »Blutzoll« und »Tapferkeit« als gängige Begriffe auftauchen. Die Außenministerin erklärt, dass wir nicht »kriegsmüde« werden. Der Verteidigungsminister meint gar, wir sollen »kriegstüchtig« sein.

Schleichende Militarisierung

Ich halte die schleichende Militarisierung für einen falschen Kurs. Das Militär ist nicht die »Schule der Nation«. Dass ein CSU-Minister die Wehrpflicht ausgesetzt hat und ein SPD-Minister sie wieder einführen will, darüber ließe sich fast schon schmunzeln. Auf jeden Fall ist Kriegsdienstverweigerung ein Menschenrecht. Es war gut und richtig, dass Deutschland nach zwei Weltkriegen, die es begonnen und mit hohem Preis als Verlierer bezahlt hat, eine Nation wurde, die dem Militärischen kritisch gegenüberstand. Das hat in aller Welt Vertrauen erzeugt.

Jetzt aber wird gegengesteuert. Die Zahl rekrutierter Minderjähriger nimmt stetig zu. Das Kinderhilfswerk terre des hommes nennt das ein »Armutszeugnis« für die Bundesregierung. Bundesminister Pistorius wirbt inzwischen für »Schnupperpraktika« und fordert Zugang für Jungoffiziere an Schulen, um den Dienst in der Bundeswehr Jugendlichen schmackhaft zu machen. Dazu passt für die bessere öffentliche Sichtbarkeit der Armee einen Veteranentag »für Respekt, Anerkennung und Würdigung unserer Soldatinnen und Soldaten« ins Leben zu rufen.

An der beispiellosen Aufrüstung verdient vor allem die Rüstungsindustrie.

Und schließlich gehört zur Militarisierung eine beispiellose Aufrüstung, an der vor allem die Rüstungsindustrie verdient, deren Aktien Rekordhöhen erreichen. Der Bundeskanzler war eigens zum Spatenstich für eine neue Rüstungsfabrik zugegen. Die weltweiten Rüstungsausgaben liegen mit 2,2 Billionen US-Dollar auf einem Rekordhoch. Und: Mit »Steadfast Defender« fand 2024 das größte NATO-Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges statt mit 90.000 Soldatinnen und Soldaten aus 32 Ländern. Das erklärte Ziel ist Abschreckung. Als sei das alles nicht genug, wird auch noch von Finanzminister Lindner und anderen eine Debatte über eine EU-Atombombe gefordert. Auch der ehemalige Außenminister Joschka Fischer fordert Atomwaffen für die EU für die »Wiederherstellung unserer Abschreckungsfähigkeit«.

Was für eine Verschwendung von Ressourcen für destruktive Ziele! Es wäre definitiv zukunftsorientierter, friedenstüchtig werden zu wollen, damit kommende Generationen auf diesem Planeten leben können. Eine friedenstüchtige Gesellschaft würde die Leistung von Lehrerinnen und Lehrer, Pflegekräften, Polizeibediensteten, Ehrenamtlichen würdigen. Sie würde nicht an Schulen und Krankenhäusern einüben, was im Kriegsfall zu tun wäre, sondern friedliche Konfliktlösung lehren. Um zukunftsfähig zu werden, brauchen wir keine weitere Aufrüstung, sondern endlich, endlich Abrüstung, damit die Ressourcen in Bildung und Entwicklung und nicht in Zerstörung investiert werden. Atomwaffen dürfen nicht neu legitimiert werden. Sie gehören verbannt! Wir brauchen keine Abschreckung. Dringend notwendig sind stattdessen strategische Konzepte für friedliches Zusammenleben auf unserem Planeten.

Das Mantra von Waffenlieferungen

Ja, Wladimir Putin ist ein Kriegsverbrecher. Aber es ist fatal, dass mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine immer nur das Mantra von Waffenlieferungen im Wert von vielen Milliarden Euro zu wiederholen. Die Folge sind noch mehr Tote. Waffen sind das Problem, nicht die Lösung. Wir brauchen Friedensstrategien, diplomatische Initiativen, Hoffnungszeichen, Milliardeninvestitionen in Frieden und zivile Konfliktlösung. Nur so wird dem Gemetzel ein Ende gesetzt. Es braucht Friedenslogik statt Kriegslogik. Nur wenn wir friedenstüchtig werden, hat diese Welt Hoffnung auf Zukunft.

»Waffen sind das Problem, nicht die Lösung.«

Verhandlungsbereitschaft kann auch herbeiverhandelt werden, so der Journalist Heribert Prantl. Waffenstillstand heißt nicht Kapitulation, sondern schafft die Möglichkeit zu sondieren, wie verhandelt werden kann. Wo sind denn neben all den Militärstrategen die kundigen Diplomatiestrategen? Wo bleibt die große internationale Friedensinitiative? Das gilt auch für den Nahen Osten. Der entsetzliche Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat unendliches Leid über viele Menschen gebracht. Und die Gegenreaktion Israels bringt unermessliches Leid über die Menschen in Gaza. Huthirebellen beschießen in der Folge Frachtschiffe – die europäische und amerikanische Marine greifen ein. Der ganze Nahe Osten könnte zum Kriegsgebiet werden. So wird die Eskalationsspirale stetig weitergetrieben. Deeskalation ist notwendig!

Ich bin Großmutter von sieben Enkelkindern. Wenn ich an diese Kinder denke, an all die Kinder in der Ukraine, in Russland, in Syrien, im Jemen, im Sudan dann sind 100 Milliarden Euro für Rüstung zusätzlich zu unserem Bundeswehr­etat von jetzt schon mehr als 50 Milliarden Euro doch keine Investition in ihre Zukunft. Was sie brauchen, ist eine Investition zur Verhinderung der Klimakatastrophe. Ihre Zukunft wird lebenswert durch Milliarden Euro, die in Bildung und Entwicklung investiert werden. Unsere Erde ist bedroht durch die rücksichtslose Ausbeutung aller Ressourcen. Und Krieg ist eine der schlimmsten Zerstörungskräfte.

Weder naiv, noch dumm

Wer Waffenlieferungen ablehnt, wird als naiv, dumm und ahnungslos hingestellt. Das erlebe ich als Mitglied der Deutschen Friedensgesellschaft. Es ist eines demokratischen Diskurses unwürdig. In Verantwortung auch mit Blick auf die deutsche Geschichte und mit Blick auf die Zukunft unseres Landes halte ich es als Deutsche für richtig, keine Waffen in Krisen- und Kriegsgebiete zu liefern. Bis Februar 2022 war das Konsens…

Ich argumentiere auch als evangelische Christin. Jahrhundertelang wurden Waffen durch Kirchenvertreter gesegnet. Und auch heute sehen wir wieder Bilder davon. Der russische Patriarch Kyrill rechtfertigt den russischen Angriff auf die Ukraine, als sei Russland angegriffen durch unsere westlichen Werte. Für mich ist das Gotteslästerung.

Die Kirchen der Welt sind immer in die Irre gegangen, wenn sie Gewalt legitimiert haben. Denn im Evangelium findet sich dafür keinerlei Grundlage. Jesus hat gesagt »Steck das Schwert an seinen Ort«. Und noch mehr: »Liebet Eure Feinde«. Der Friedensnobelpreisträger Martin Luther King hat erklärt, das sei das Schwerste, was Jesus uns hinterlassen hat. Das stimmt. Aber es ist zuallererst eine bleibende Mahnung, sich nicht in Feindbilder hineintreiben zu lassen.

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