Die heutige Art des Wirtschaftens hat die natürliche Tragfähigkeit der Erde in vielen Bereichen überschritten, sodass künftige Generationen keine Entschuldigungen für das zögerliche Handeln heutiger Politiker akzeptieren werden. Die gravierenden Folgen der Klimaerwärmung sind durch die Berichte des Weltklimarates IPCC und die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) bekannt, daher wollen wir uns mit einem Zwischenfazit begnügen: Die Klimaerwärmung führt zu dramatischen volkswirtschaftlichen Kosten (laut Niclas Stern zu fünf bis 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts), mit den Folgen Dauerdepression und Massenelend. Die von Menschen verursachte beginnende »Heißzeit« wird also ein Wirtschaften wie wir es heute kennen künftig unmöglich machen. Daher muss der Transformationsprozess zum nachhaltigen Wirtschaften heute beginnen. Diesen Prozess aufgrund angeblicher sozialer Probleme verlangsamen zu wollen, ist zynisch, da Menschen, deren Dörfer und Städte überflutet werden, sich keine Gedanken über steigende Energiepreise machen werden.
Ein nachhaltiges Wirtschaften (eine nachhaltige Ökonomie) verfolgt das Ziel, ausreichend hohe ökologische, ökonomische und sozial-kulturelle Standards für alle Menschen im Rahmen der natürlichen Tragfähigkeit zu erreichen. Da letztere aber schon heute überschritten ist, beinhaltet nachhaltiges Wirtschaften den globalen und nationalen Ressourcenverbrauch (inkl. der Nutzung der Atmosphäre als Senke für Treibhausgase) stetig zu verringern (das wird hier als Nachhaltigkeitsparadigma bezeichnet). Die Strategie zum ökologisch nachhaltigen Wirtschaften kann man auch als »selektives Wachstum« (Erhard Eppler) bezeichnen. Dieser Transformationsprozess beinhaltet die Entwicklung nachhaltiger Produkte sowie Wachstums- und Schrumpfungsprozesse (zum Beispiel den Ersatz fossiler Energieträger durch erneuerbare Energien und die Verringerung der Nutzung nicht-erneuerbarer Ressourcen). Hierbei geht es nicht um die Erhöhung der Ressourceneffizienz um wenige Prozent, sondern um den »nachhaltigen Umbau« (Transformation) der globalen Volkswirtschaften, bei dem die heutigen nicht zukunftsfähigen Produkte, Verfahren und Konsummuster durch nachhaltige ersetzt werden.
Um die Grenzen der natürlichen Tragfähigkeit bei dieser Entwicklung einhalten zu können, muss die Formel für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften eingehalten werden, nach der die Ressourcenproduktivität ständig schneller steigen muss als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das soll im Zuge eines selektiven Wachstums, mittels ökologischer Leitplanken (politisch-rechtliche Instrumente), und die konsequente Umsetzung der Strategiepfade der Nachhaltigen Ökonomie (ressourceneffiziente Gestaltung von Produkten), Konsistenz (Entwicklung und Verwendung von Produkten und Dienstleistungen, die mit den Zielen des nachhaltigen Wirtschaftens im Einklang stehen) und Suffizienz (Veränderung der Lebens- und Konsumstile) erreicht werden.
Nach den vorliegenden empirischen Daten konnte die Formel für ökologisch nachhaltiges Wirtschaften bislang nur in Ländern eingehalten werden, die konsequente ökologische Leitplanken verabschiedet und moderate Wachstumsraten (unter 2 %) hatten. Deutschland hat bei den meisten Indikatoren der Umweltgesamtrechnung und der umweltbezogenen Indikatoren des Nachhaltigkeitsprogramms der Bundesregierung von 2016 die Nachhaltigkeitsformel seit 1990 einhalten können.
Um das Nachhaltigkeitsparadigma (ständige Senkung des Ressourcenverbrauchs) einhalten zu können, muss die Transformation in allen wesentlichen Strategiefeldern erfolgen. Die Nutzung fossiler Energieträger in den großen Sektoren (Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäudebereich) ist für den allergrößten Anteil (2018 etwa 91 % der deutschen Treibhausgasemissionen; THGE) verantwortlich. Die Effizienzstrategie zielt auf eine Steigerung der Energieproduktivität ab. In Deutschland stieg die Primärenergieproduktivität, also das Verhältnis von Primärenergieverbrauch zum BIP (PEV/BIP) zwischen 1990 und 2018 um 73 %. Diese Steigerung reichte aber nicht aus, um die angestrebten Ziele einer nachhaltigen Energieversorgung zu erreichen, da die Wertschöpfung (das BIP) in dieser Zeit auch um 49 % stieg und damit der PEV nur um 13 % abnahm.
Die Energiewirtschaft (gemeint ist die Strom- und Fernwärmeerzeugung) war 2018 für etwa 36 % der deutschen THGE verantwortlich. Die Konsistenzstrategie beinhaltet bis 2050 eine Transformation der Energiewirtschaft zu einer 100-prozentigen Versorgung mit erneuerbaren Energien (EE). Allerdings müssen hierfür erhebliche Investitionen in die Schaffung der notwendigen Infrastruktur aufgewendet werden (Umbau der Energieversorgung auf Strom mit neuen Nachfragesektoren im Verkehrs- und Heizungsbereich, Bau von flexiblen Gaskraftwerken in Kraft-Wärmekopplung mit Wärmespeichern, Schaffung von Energiemanagementsystemen, Bau von Stromspeichern). 2019 wird der Anteil der EE die 40-%-Grenze überschritten haben.
Der Industriesektor war 2018 für etwa 23 % der deutschen THGE verantwortlich. Durch die Schaffung von CO2-freien Grundstoffprozessen (Stichwort Stahlherstellung mittels Wasserstoff) und Nutzung von Sekundärmaterialien (Kreislaufwirtschaft) kann dieser Sektor dekarbonisiert werden.
Der Gebäudebereich war 2018 für etwa 14 % der THG-Emissionen verantwortlich. Der EE-Anteil betrug 2018 nur 14 %, die Ziele der Bundesregierung (klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050) werden also aus heutiger Sicht nicht erreicht werden. Deshalb müssen auch hier die drei Strategiepfade durch den Einsatz neuer politisch-rechtlicher Instrumente umgesetzt werden. Im Rahmen der Effizienzstrategie (z. B. durch Gebäudedämmung) muss der Bedarf an Wärmeenergie sinken. Durch die Konsistenzstrategie (z. B. EE-Wärme, Ausnutzung von Abwärmepotenzialen der Industrie) müssen ferner die THGE des übrigen Verbrauchs dramatisch reduziert werden.
Der Sektor Mobilität war 2018 für etwa 19 % der THGE verantwortlich. Seit 1990 hat dieser Sektor keinerlei Senkung erreicht, der EE-Anteil beträgt kaum 6 %. Hinzu kommen die Schadstoff- und Lärmemissionen (größter Emittent in den Städten), Unfälle und Flächeninanspruchnahme. Damit hat der Verkehrssektor die mit Abstand schlechteste Umweltbilanz und benötigt somit die stärksten ökologischen Leitplanken. Im Rahmen der Konsistenzstrategie muss der Verkehr elektrifiziert werden und eine Verlagerung auf den Umweltverbund (ÖPNV, Fahrrad, Fußgänger) stattfinden.
Bei der Transformation zum nachhaltigen Wirtschaften geht es um einen vollständigen Umbau der Wirtschaft, bei dem nicht nur Schadstoffemissionen reduziert werden müssen, sondern auch die Nutzung von Ressourcen durch Effizienzsteigerung und Suffizienz verringert und neue konsistente Techniken entwickelt werden. Die Produkte der industriellen Gesellschaft sind einzeln mehr oder weniger harmlos, in ihrer Menge aber die Quelle fast aller Umweltprobleme. In den kommenden 30 Jahren soll die Nutzung von natürlichen Ressourcen global jährlich zurückgefahren werden. Hierzu bieten sich für den Produktbereich die folgenden Ansätze an:
Erstens: Vermeidung durch eine längere Nutzung langlebiger, reparaturfreundlicher und nachrüstbarer Konstruktionen der Geräte; durch einen effizienteren Ressourceneinsatz bei der Produktion, z. B. durch Miniaturisierung oder Leichtbautechniken und durch eine Suffizienzstrategie: In den Industrieländern könnten die Menschen prüfen, ob sie ohne Senkung der Lebensqualität auf ein neues Produkt verzichten können und stattdessen das ältere länger nutzen.
Zweitens: Wiedergewinnung der Werkstoffe (Kreislaufwirtschaft). Heute werden große Mengen komplexer Massenprodukte nicht der Verwertung zugeführt, sondern in die Entwicklungs- und Transformationsstaaten exportiert. Die dürftige Recyclingquote könnte durch Pfandsysteme erhöht werden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist das »Urban Mining«, bei dem Gebäude und Deponien als Rohstofflager dienen. Ziel ist es, künftig die Werkstoffe vollständig wiederzugewinnen.
Drittens: Alternative Stoffe. Dieser Strategiepfad versucht, die abiotischen Rohstoffe durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen, die allerdings nachhaltig erzeugt werden müssen.
Ökologische Leitplanken
Der dargestellte Transformationsprozess zum nachhaltigen Wirtschaften kann in dem noch zur Verfügung stehenden begrenzten Zeitraum von 30 Jahren weder global noch national durch ungesteuerte Marktprozesse erfolgen. Heute ist bewiesen, dass Konsumenten leider nur einen geringen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten, da die persönliche Ökobilanz weniger durch das Umweltbewusstsein als durch das Einkommen bestimmt wird (ein höheres Einkommen führt im Durchschnitt zu größeren Wohnungen und Autos, längeren Flugreisen, bei einem gleichen Einkommen ist die Öko-Bilanz der Umweltweltbewussten allerdings besser). Sozial-ökonomische Faktoren führen zu falschen Preissignalen (nur durch die Externalisierung der Umweltkosten auf künftige Generationen kann Kohlestrom preiswerter als Sonnenstrom sein). Die vorherrschenden Pfadabhängigkeiten (z. B. von fossilen Energieträgern) und ökonomischen Machtstrukturen (z. B. auf den Energiemärkten und in den Akteursgruppen) sind wirkungsmächtiger als das Bewusstsein von Menschen. Daher bedürfen die Transformationsprozesse neue Rahmenbedingungen durch politisch-rechtliche Instrumente (ökologische Leitplanken). Hierzu sind auch der Druck der Bürgergesellschaft sowie neue Bündnisse zwischen Zivilgesellschaft, Politik und gesellschaftlich verantwortlich wirtschaftenden Unternehmen vonnöten. Hierbei ist wichtig zu betonen, dass durch die Einführung von ökologischen Leitplanken die Freiheit gegenwärtiger und künftiger Generationen nicht etwa beschränkt wird, sondern eine Sicherheitsplanke erhält. Die notwendigen politisch-rechtlichen Instrumente stehen zur Verfügung, müssten nur konsequent eingeführt werden: Erstens: Direkt wirkende Instrumente im Ordnungsrecht wie Grenzwerte, Laufzeitbegrenzungen und Produktverbote sowie Nutzungspflichten wie den Anschluss an Fernwärmesysteme mit erneuerbaren Energien oder den Bau von EE-Systemen auf Gebäuden. Zweitens: Indirekt wirkende Instrumente wie Umweltbildung und Förderprogramme. Drittens: Ökonomische Instrumente wie die Ökologisierung des Finanzsystems z. B. durch eine CO2-Abgabe, Bonus-Malus-Systeme wie dem EEG und handelbare Naturnutzungsrechte wie Emissionshandelssysteme.
Leider lassen sich die Klimaschutzziele (Begrenzung der Treibhausgasemissionen auf eine Tonne pro Kopf und Jahr) bis 2050 mit den bislang eingeführten Instrumenten nicht erreichen. Das im September 2019 beschlossene Klimapaket der Bundesregierung wird nicht einmal die Klimaschutzziele für 2030 erreichen können. Insbesondere die viel zu geringe CO2-Abgabe (zuerst nur 10 Euro je Tonne, schließlich durch den Vermittlungsausschuss 25 Euro je Tonne, ansteigend auf 55 Euro bis 2025) wurde kritisiert.
Soziale Folgen des Transformationsprozesses
In allen Volkswirtschaften kommt es seit der industriellen Revolution regelmäßig zu strukturellen Veränderungen. Das führte meist zu Änderungen im Leben der Menschen, oft auch zu schmerzhaften Prozessen wie Arbeitsplatzverlust, Wohnortwechsel oder Kostensteigerungen. In einer sozialen Demokratie kann die Politik diesen Strukturwandel nicht verhindern, muss ihn aber mit industriepolitischen und Weiterbildungsmaßnahmen abfedern.
Der Transformationsprozess zum nachhaltigen Wirtschaften kann als Innovations- und Investitionsprozess angesehen werden und hierbei noch lange Zeit Beschäftigung und Einkommen steigern (was in 50 Jahren ist, mag niemand voraussehen). Das globale Marktvolumen für »grüne« Techniken lag bereits 2016 bei 3,2 Billionen Euro. In Deutschland waren zu diesem Zeitpunkt etwa 1,5 Millionen Personen im Umweltsektor beschäftigt. Allein im Sektor der erneuerbaren Energien waren 2017 317.000 Menschen beschäftigt. Zudem spart Deutschland durch die Nutzung erneuerbarer Energien jährlich etwa zwei Milliarden Kilowattstunden fossiler Energieträger, die ansonsten zum großen Teil importiert werden müssten. Bislang waren die Beschäftigungseffekte der Energiewende also positiv zu bewerten. Weitere Beschäftigungseffekte werden künftig im Bildungs- und Gesundheitssektor erwartet.
Im Zuge der Mobilitätswende werden allerdings erhebliche Beschäftigungseinbrüche befürchtet. Das hat in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass Teile der Automobilindustrie und der Politik diesen Transformationsprozess nach Kräften verlangsamten. Techniken von gestern mit staatlichen Finanzmitteln am Leben zu erhalten, hat noch zu keinem Zeitpunkt funktioniert. Diese Mittel müssen vielmehr genutzt werden, um die Innovationen und Investitionen des Transformationsprozesses zu stärken.
In Deutschland gibt es 42,2 Millionen Wohnungen. In zahlreichen deutschen Großstädten sind die Mieten in den vergangenen zehn bis 20 Jahren so stark gestiegen, dass eine größer werdende Anzahl von Mietern ihre Wohnungen nicht mehr bezahlen kann. Diese Entwicklung hat aber nichts mit der Energie-, Mobilitäts- oder Ressourcenwende zu tun, sondern hängt mit verschiedenen sozial-ökonomischen Entwicklungen in Deutschland und anderen Großregionen zusammen. In wirtschaftlich wachsenden Großstädten wächst die Bevölkerung besonders stark, wobei die Bautätigkeit nicht mithalten kann. Noch wichtiger waren die Privatisierungsprozesse in den 90er Jahren, in denen kommunale Wohnungsbestände an internationale Wohnungskonzerne verkauft wurden. Statt den Wohnungsmarkt als Teil der Daseinsvorsorge zu betrachten und – wie in Wien – städtische Wohnungsbaugesellschaften und gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften massiv zu fördern (z. B. durch preisgünstiges Bauland und zinsgünstige Kredite), wurden Wohnungsbestände den renditeorientierten Märkten überlassen.
Bekanntlich wachsen die Vermögens- und Einkommensungleichheiten global, auch in Deutschland. Das hat dazu geführt, dass heute oft die Forderung erhoben wird Umweltschutz dürfe nur sozial verträglich stattfinden. Darauf gibt es aber mindestens drei Antworten:
Erstens: Ausgerechnet der Umweltschutz soll das leisten, was (gewerkschaftliche und sozialdemokratische) Bemühungen nach Verteilungsgerechtigkeit nicht schaffen. Wer Gerechtigkeit will, soll z. B. endlich dafür sorgen, dass ausländische IT-Konzerne einen angemessenen Beitrag für den öffentlichen Sektor leisten, eine Vermögensteuer einführen, Erbschaft- und Einkommensteuerhöchstsätze sowie Transferleistungen und Mindestlöhne erhöhen.
Zweitens: Wer ökonomische Lenkungsabgaben einführt, soll in gleicher Höhe eine Kompensation schaffen. Einige Staaten die eine solche Abgabe eingeführt haben, zahlen ihre Mehreinnahmen an die Bürger zurück (z. B. die Schweiz in Form geringerer Krankenkassenbeiträge oder Italien in Form der Auszahlung eines Öko-Bonus). Das Klimapaket der Bundesregierung wird diesem Anspruch leider nicht gerecht. Insbesondere Haushalte mit geringen Einkommen werden zusätzlich belastet, eine Senkung der EEG-Umlage oder eine Pro-Kopf-Klimaprämie wären hier zielführender gewesen.
Drittens: Die Umweltpolitik sollte auf ökonomische Instrumente verzichten und mehr mit dem Ordnungsrecht arbeiten, das für alle gilt und nicht die Wohlhabenden von der Energie- und Mobilitätswende ausnimmt (z. B. über Laufzeitbegrenzungen und Begrenzungen von Betriebserlaubnissen von Öl- später Erdgasheizungen, Kohlekraftwerken und Pkw mit fossilen Kraftstoffen).
Fazit: Die heutige Art des Wirtschaftens ist nicht zukunftsfähig. Aufgrund dieser Erkenntnis wird eine Energie-, Mobilitäts- und Ressourcenwende gefordert, die bis 2050 zu einer 100-prozentigen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien führt. Die Techniken, Strategiepfade und Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen, sind vorhanden, müssten aber konsequent eingeführt und Fehlverhalten sanktioniert werden. In einer nachhaltigen (sozial-ökologischen) Demokratie sollte dieser Transformationsprozess aber sozialverträglich erfolgen. Das kann mithilfe des Ordnungsrechtes und Kompensationszahlungen geschehen. Allerdings ist hierfür erheblich mehr Innnovationskraft der Politik unverzichtbar.
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