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Zehn Serien, die zum Nachdenken über unsere Welt anregen Neue Weltordnungen zum Ausprobieren

Jede Serie erschafft eine eigene Welt. Oft ist diese Welt derjenigen, in der wir leben, sehr ähnlich. Es gibt allerdings auch einige Serien, die ihren Reiz daraus ziehen, dass sie in Welten spielen, die anders funktionieren als die uns bekannte, deren Ordnung eine ganz andere ist, als die, die wir kennen. Häufig sind es Science-Fiction-Serien, die in ferner Zukunft spielen. Manchmal sind es aber auch Serien, die uns näher sind, als uns lieb ist.

Schöne neue Weltordnungen finden sich in Serien leider selten. Leider, weil es ja beruhigend und entspannend sein kann, wenn man in eine Idylle eintauchen kann, in der die Welt so viel besser funktioniert als im eigenen Leben. Doch Utopien haben einen entscheidenden erzählerischen Nachteil: Geschichten in schönen neuen Welten können auf Dauer langweilig werden, ohne Grundkonflikte geht der dramatische Erzählstoff schnell aus. Aber es gibt eine Serie, die in einer utopischen Weltordnung spielt und sehr erfolgreich ist: Star Trek und die vielen daraus hervorgegangenen Film- und Serienableger (USA, seit 1966). Die Science-Fiction-Serie beruht auf der Idee, dass man im 24. Jahrhundert alle kriegerischen Konflikte auf der Erde und in den umliegenden Sonnensystemen überwunden hat, die unterschiedlichen Gesellschaften eine Union – die Föderation – gebildet haben und nun friedlich miteinander und nebeneinander leben. Die spannenden Geschichten werden aus der Ungewissheit beim Erforschen bisher unbekannter Teile des Weltraums entwickelt und entstehen außerdem durch Konflikte mit Gesellschaften, die sich nicht der Föderation anschließen wollen.

Dystopien dagegen sind – besonders seit einigen Jahren – ein beliebtes Serienthema. Hier gibt es unterschiedliche Spielarten: Gesellschaftsdramen, apokalyptische Szenarien oder auch Science-Fiction-Erzählungen. Ein Gesellschaftsdrama, das unter die Haut geht, ist The Handmaid’s Tale – Der Report der Magd (USA, seit 2017). Es basiert auf dem gleichnamigen Buch von Margaret Atwood aus dem Jahr 1985 und zeichnet einen US-amerikanischen Staat, der von religiösen Revolutionären übernommen wurde. Sie haben eine Gesellschaftsordnung eingeführt, die die Freiheitsrechte von Frauen radikal beschneidet – zu ihrem eigenen Schutz, wie es heißt. Frauen müssen sich Männern unterordnen, es ist ihnen untersagt, zu lesen und zu schreiben und in der Öffentlichkeit Männer anzusehen. Sie werden je nach Tauglichkeit unterschiedlichen Diensten zugeordnet, die sie erfüllen müssen. Die Hauptfigur der Geschichte hat die Aufgabe, ein Kind für ein Ehepaar der herrschenden Klasse auszutragen. Dazu muss sie einmal im Monat ein streng geregeltes Zeugungsritual mit dem Ehemann durchführen – in Anwesenheit der Ehefrau. Diese Reduktion der Frau auf die Rolle als Gebärmaschine und Dienstmagd erschreckt besonders in einer Zeit, da in den USA unter Präsident Donald Trump eine frauenfeindliche Politik Einzug gehalten hat, rechte und rechtsreligiöse Gruppen an Einfluss gewinnen und es zu befürchten steht, dass die Selbstbestimmung der Frau über ihren eigenen Körper weiter beschnitten wird.

Trepalium (Frankreich, 2016) setzt an einem anderen Punkt unserer Gesellschaftsordnung an und stellt die Frage: Welchen Stellenwert hat Arbeit? Hier lautet die Antwort: den höchsten! Alle Menschen, die nicht arbeiten, sind in dieser Gesellschaft am Ende des 21. Jahrhunderts nichts wert. Doch Arbeit ist rar geworden: Nur ein Viertel der Menschen hat Arbeit. Die Restlichen sind arbeitslos und werden in eine Zone verbannt, wo sie in absoluter Armut leben und keine Perspektive haben. Die Arbeitenden leben zwar im Luxus, aber auch mit der Angst, jederzeit Gefahr zu laufen, den Arbeitsplatz zu verlieren und in die Zone abgeschoben zu werden. Es herrscht ein haarsträubender Verdrängungswettbewerb unter den Arbeitenden, jede und jeder ist nur sich selbst am nächsten. In der Zone dagegen finden sich Solidarität und Hilfsbereitschaft – und hier formt sich eine Widerstandsgruppe.

Noch radikaler ist der Ansatz in The Walking Dead (USA, seit 2010), basierend auf der gleichnamigen Comicreihe von Autor Robert Kirkman und Zeichner Tony Moore. Eine Krankheit hat sich in rasender Geschwindigkeit in den USA ausgebreitet und die Bevölkerung in Menschenfleisch fressende Zombies verwandelt. Wer gebissen wird, infiziert sich. In dieser Variante des in der Popkultur beliebten Zombiethemas liegt der Fokus auf einer Gruppe Überlebender, die sich in der postapokalyptischen Welt durchschlagen und gegen Zombies und andere Menschen kämpfen muss. Die Serie ist nicht nur für Fans des Splattergenres interessant, sondern auch für diejenigen, die sich für die Natur des Menschen interessieren. Denn hier wird die Entwicklung der Zivilisation im Grunde auf null gesetzt: Erprobte gesellschaftliche Umgangsformen gelten nichts mehr und müssen neu ausgehandelt oder blutig ausgefochten werden. Über bisher neun Staffeln werden hier unterschiedliche Gesellschaftsformen unter die Lupe genommen, indem die Gruppe der Überlebenden verschiedenen Gegebenheiten ausgesetzt wird und sich immer wieder neue Strukturen geben muss.

In eine ganz andere Richtung geht der Autor Charlie Brooker mit Black Mirror (Großbritannien, seit 2011). Er beschäftigt sich mit den Auswirkungen des digitalen Fortschritts auf die Gesellschaft und das Zusammenleben – in jeder Episode malt er ein anderes Szenario mit anderen Figuren. Was machen digitale Entwicklung und Mediennutzung mit unserem Alltag, wie verändern sich Beziehungen, wie verändert sich die Persönlichkeit, wie verändert sich die Politik? Mal betrachtet Brooker unterschiedliche Auswüchse von Social Media: die totale Überwachung, die komplette Speicherung unserer Erinnerungen oder die ständige Erreichbarkeit. Es sind erschreckende Szenarien, die hier ausgebreitet werden – und sie sind näher an unserer Gegenwart, als uns das beim Anschauen der Serie lieb sein kann.

Fortschritt muss nicht dystopisch sein

Doch es müssen nicht immer reine Dystopien sein, wenn man sich mit dem Fortschritt beschäftigt. So gibt es einige Serien, die auf einem fiktiven wissenschaftlichen Durchbruch aufbauen und zeigen, wie eine Welt aussehen könnte, in der etwas möglich ist, das bei uns noch in weiter Ferne scheint. Ad Vitam (Frankreich, 2018) zum Beispiel stellt die Frage: Welche Folgen hat es, wenn wir ewig leben? Der Tod gilt seit vielen Jahrzehnten als abgeschafft, der älteste Mensch feierte gerade seinen 169. Geburtstag und sieht aus wie Anfang 30. Themen wie Überbevölkerung und Ressourcenmangel werden nur am Rande gestreift, der Fokus liegt woanders: Mittels einer Kriminalgeschichte wird hier betrachtet, wie sich das Verhältnis zwischen Jung und Alt verändert, wenn Alt nie sterben wird. Wenn der Jugend jede Mitsprache verwehrt wird, weil die Gruppe der Alten so riesig ist. Und wie sich die Wertschätzung der Alten gegenüber der Jugend verändert, weil man sie nicht mehr braucht, um das Überleben der Menschheit zu sichern.

Ein weiteres interessantes Beispiel in dieser Kategorie ist The Expanse (USA, seit 2015), das auf der gleichnamigen Buchreihe von Daniel Abraham und James S. A. Corey basiert. Diese Geschichte zeigt, wie sich die menschliche Gesellschaft entwickeln kann, wenn das All zum Lebensraum wird. Dank entscheidender Fortschritte in der Weltraumforschung besiedeln die Menschen seit einiger Zeit das gesamte Sonnensystem und leben in ganz unterschiedlichen Umständen. Es gibt drei Konfliktparteien: die Menschen, die die Erde bevölkern; die Menschen, die den Mars bevölkern; die sogenannten »Gürtler«. Letztere leben im Asteroidengürtel zwischen den Planetenbahnen von Mars und Jupiter und bilden das Prekariat, das von den Erden- und den Marsbewohnern gleichermaßen ausgebeutet wird.

In fast allen bisher genannten Serien ist der Umsturz der bestehenden Weltordnung bereits passiert, mit dem Umsturz an sich wird sich in TV-Produktionen verhältnismäßig selten beschäftigt. Mr. Robot (USA, 2015) allerdings thematisiert das: Eine Gruppe anarchistischer Hacker will das Wirtschaftssystem angreifen, indem sie durch einen Hack auf ein führendes Finanzunternehmen das globale Finanzsystem zu Fall bringt. Allerdings steht hier nicht der Umsturz an sich im Mittelpunkt, sondern die Geschichte eines jungen Hackers mit psychischen und sozialen Problemen, der an der Aktion beteiligt ist.

In eine andere Kategorie fallen Serien, deren Weltordnungsgedankenspiele sich in die Vergangenheit richten – die also »Was wäre gewesen, wenn?« fragen. Und wie das bei Historienserien seit vielen Jahren so ist, geht es auch bei alternativer Geschichtsschreibung in Serien häufig um den Nationalsozialismus und seine Folgen. Ein Beispiel ist SS-GB (Großbritannien, 2017) – nach der gleichnamigen Romanvorlage von Len Deighton. Die Serie beginnt im November 1941: Hitlers Armee hat die Luftschlacht über England gewonnen und besetzt nun Großbritannien. Der britische Premier Winston Churchill wurde hingerichtet, König George VI. sitzt im Gefängnis. Es gibt zwar eine britische Exil-Regierung, doch die wird von den USA nicht anerkannt. Die Sowjetunion ist Nazideutschland weiterhin wohlgesonnen. Die Serie folgt einem britischen Scotland-Yard-Ermittler, der eigentlich unter Aufsicht der deutschen SS arbeitet und in eine Verschwörung gegen die deutsche Besatzungsmacht verstrickt wird.

The Man in the High Castle (USA, seit 2015) geht noch weiter: Hier haben die deutschen Nationalsozialisten und ihre Verbündeten 1947 den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Die Serie spielt in den Vereinigten Staaten, die unter den Siegermächten aufgeteilt wurden – die Ostküste und Teile des Südens sind vom Deutschen Reich besetzt, die Westküste von Japan. Zwischen beiden Besatzungszonen liegt ein neutrales Gebiet. Die Handlung setzt 1962 ein: Adolf Hitler liegt im Sterben, ein Machtkampf bricht aus um die Frage, ob und wie der Kalte Krieg mit Japan beendet werden soll. Die Geschichte basiert auf Philip K. Dicks Roman Das Orakel vom Berge und dreht sich vor allem um Widerstandskämpfer in beiden Besatzungszonen.

So unterschiedlich die genannten zehn Serien auch sind, sie alle haben zwei Dinge gemeinsam: Sie regen erstens zum Nachdenken über unsere bestehende Ordnung an – über die Gesellschaft, das Wirtschaftssystem oder das politische System. Und sie erzählen zweitens spannende Geschichten.

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