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Der Gender Pay Gap im Bildungssektor Nur die Anforderungen sind gestiegen

Zu wenig Gleichstellung von Frauen und Männern, der Gender Pay Gap sowie fehlende Frauenquoten sind zentrale Kritikpunkte an der freien Wirtschaft. Im Bildungsbereich ist von dieser Kritik kaum etwas zu hören. Gleiche Bezahlung von Frauen und Männern scheint im öffentlichen Dienst – der einen großen Teil des Bildungswesens ausmacht – unzweifelhaft. Wo nach dem Besoldungsrecht für Beamt/innen oder nach den Entgelttabellen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) entlohnt wird, da kann es keine Gehaltsunterschiede geben, so eine häufige Annahme. Die Realität sieht allerdings anders aus.

Zum einen sind nicht alle Bildungsbereiche Teil des öffentlichen Dienstes und verbeamten dementsprechend nicht: beispielsweise Weiterbildner/innen, der wissenschaftliche Mittelbau, Inklusionslehrkräfte, Sozialarbeiter/innen und Erzieher/innen. Sie werden zum Teil nach TVöD bezahlt, zum Teil nicht. Und auch in den Schulen sind nicht alle verbeamtet.

Vergleichen wir Entgelte und Beschäftigtenanteile von Frauen und Männern im Bildungswesen, so zeigt sich ein tradiertes Rollenmodell, von dem die weibliche Erwerbsarbeit auch heute noch weitestgehend geprägt ist. In Kitas und Kindergärten, in denen im Bundesdurchschnitt 90 % der Beschäftigten Frauen sind, wird es besonders deutlich: Ein Beruf, der zwar zunehmend als anspruchsvoll und wichtig anerkannt wird, jedoch am untersten Ende der Entgelte im Bildungswesen liegt. Das Bruttogehalt von Erzieher/innen in kleinen Kindertageseinrichtungen beträgt rund 2.500 Euro pro Monat. Ein/e Gymnasiallehrer/in bekommt im Durchschnitt ca. 3.800 Euro pro Monat brutto als Einstiegsgehalt. Dabei haben Erzieher/innen zunehmend eine akademische Ausbildung, zurzeit fast 20 %. Die hohe Nachfrage nach Erzieher/innen hat zudem Quer- und Seiteneinsteiger/innen teils mit einem Studienabschluss angezogen. Üblich ist jedoch eine drei- bis fünfjährige Ausbildung, für die zum Teil Schulgeld anfällt. Da Kindertageseinrichtungen heute mit Bildungsplänen arbeiten, die Inklusion umsetzen, für Sprachförderung sowie für den Kinderschutz und die Integration von geflüchteten Kindern zuständig sind, plädieren Fachleute schon seit Langem dafür, die Ausbildung aufzuwerten. Das soll bis zum Erwerb eines akademischen Grades wie etwa durch das Studium der Kindheitspädagogik reichen, das von der Jugendminister/innenkonferenz 2011 eingeführt und empfohlen wurde.

Schweden und Frankreich zahlen im Vergleich den in der Regel akademisch ausgebildeten Erzieher/innen gleich hohe Gehälter wie den Lehrkräften an Gymnasien. Trotz der unterschiedlichen Bildungsansätze hat man in diesen beiden Ländern erkannt, dass eine hochqualifizierte Ausbildung und eine gute Vergütung in einem breit ausgebauten Betreuungssystem die Realisierung gleichberechtigter Familienkonzepte erleichtern.

Trotzdem zeigt sich im Durchschnitt der OECD-Staaten, dass in pädagogischen Berufen mit einem hohen Frauenanteil stets geringere Gehälter gezahlt werden als in anderen akademischen Berufen.

Obwohl viele – vor allem gewerkschaftlich organisierte Pädagog/innen – seit den 60er Jahren eine bessere Anerkennung der Arbeit mit kleinen Kindern fordern, bewegt sich die deutsche Politik viel zu langsam und verharrt zeitweise in Schockstarre. Zuletzt hatte die Wirtschaftskrise zu Rückschlägen geführt: Nach dem Bankencra008/2009 und dem Abbau des Sozialstaates einschließlich umfangreicher Kürzungen öffentlicher Mittel sowie dem Festhalten an der »schwarzen Null«, also einem ausgeglichenen Bundeshaushalt ohne Neuverschuldung, gehörte die Aufwertung sozialer Berufe trotz gegenteiliger Äußerungen aus der Politik nicht zu den Prioritäten. Die Rettung maroder Banken in Höhe dreistelliger Milliardenbeträge stand im Fokus. Dies ging nicht zuletzt zulasten vieler Berufsgruppen, in denen überwiegend Frauen arbeiten, auch im Bildungswesen.

Zeitgleich zur Bankenkrise ratifizierte Deutschland im Jahr 2009 die Behindertenrechtskonvention. In einer Zeit des Rückgangs staatlicher Investitionen wurden Bildungsstandards eingeführt und verpflichtend, ohne aber die notwendigen Ressourcen für die Umsetzung bereitzustellen, weder materiell noch personell. Dadurch wurde das inklusive Bildungssystem teilweise zu einer zusätzlichen Belastung statt zu einem Mehrwert in der Arbeit.

Und ebenfalls zeitgleich ließ die schwarz-gelbe Bundesregierung das Ganztagsschulprogramm fallen. Die ehemalige Bildungsministerin Edelgard Bulmahn hatte zuvor in der rot-grünen Bundesregierung im Rahmen diverser Bildungsreformen durch eine Investition von vier Milliarden Euro im Zeitraum von 2003 bis 2009 mehr als 8.000 Ganztagsschulen und somit eine Grundlage für gute Ganztagsbetreuung geschaffen. Das Programm nicht fortzuführen war ein bildungspolitisch schwerwiegender Fehler. Die Folgen zeigen sich heute. Etwa 70 % der Eltern wünschen sich eine gute Ganztagsbetreuung, der Anteil der Ganztagsbetreuten liegt allerdings bundesweit bei gerade einmal 40 %. Zudem ist das Angebot je nach Wohnort sehr unterschiedlich: In Bayern liegt es bei nur 16 %, in Hamburg hingegen bei 91 %.

Natürlich gab es auch Positives. Ein wichtiger Schritt für die Aufwertung frauendominierter Bildungsbereiche war der Ausbau der Kinderbetreuung. Die Bundesregierung setzte 2014 den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für Kinder ab einem Jahr durch, um der hohen Nachfrage nach Kitaplätzen und dem Bedarf des Arbeitsmarktes an zusätzlichen Arbeitskräften gerecht zu werden. Zwischen 2013 und 2014 stellte der Bund so 30.000 zusätzliche Betreuungsplätze bereit. Viele neue Stellen wurden in den Kitas geschaffen bzw. die Arbeitszeit bestehender Arbeitsverträge der Erzieher/innen aufgestockt. Die Frage nach der Bezahlung der Erzieher/innen spielte dabei zunächst keine Rolle, bis die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft zusammen mit der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di 2014 und 2015 für den Sozial- und Erziehungsdienst in den (Erzwingungs-)Streik gingen. Sie erzielten eine Aufwertung der Entgelte um 4,25 % (mit einer Laufzeit von fünf Jahren) für alle Beschäftigten im Kitabereich. Ein großer Erfolg für einen Beruf mit einem sehr hohen Frauenanteil, obgleich klar ist, dass das erzielte Plus von 132 Euro nur ein erster Schritt sein kann.

Parallel dazu bewegte sich aber auch etwas in den Köpfen: Die vielen Erzieher/innen und Sozialarbeiter/innen, die auf die Straße gegangen waren, erfuhren gesellschaftlich große Solidarität. Die Forderung, die wertvolle Arbeit mit kleinen Kindern endlich besser zu entlohnen, stieß auf breites Verständnis. Und das, obwohl durch das auf Druck der CSU 2013 eingeführte Betreuungsgeld kurz zuvor noch eine ganz andere Debatte zwischen zwei konträren Polen geführt worden war: zwischen denen, die für bessere staatliche Betreuungsangebote plädierten und jenen, die sich für mehr Geld für die Betreuung zuhause starkmachten. Das verkürzte Argument der »Wahlfreiheit« brachte sogar familienpolitisch progressiv Denkende teilweise ins Wanken. Als jedoch 2015 das Bundesverfassungsgericht die »Herdprämie« aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit kippte, war das Thema protestfrei Geschichte und die zwei Milliarden Euro flossen in den Kitaausbau.

Jobs müssen attraktiver werden

Ähnliches spielt sich momentan an den Grundschulen ab; auch hier stärkt der Personalmangel die Gewerkschaften beim Kampf um eine bessere Bezahlung. Der Bedarf an Grundschullehrer/innen ist so groß, dass die ersten Bundesländer bereits mit einer höheren Bezahlung reagieren und zahlreiche Quer- und Seiteneinsteiger/innen einstellen (müssen). Es fehlen bis 2025 rund 35.000 Lehrer/innen, so die aktuelle Erhebung von Klaus Klemm und Dirk Zorn. Wie im Erziehungsdienst liegt der Frauenanteil unter Grundschullehrkräften bei rund 90 % und sie werden seit jeher niedriger besoldet als in anderen Schulformen. Alle 16 Bundesländer gruppierten Grundschullehrer/innen beim Einstiegsgehalt bislang in die Besoldungsgruppe A12 ein, Gymnasiallehrkräfte hingegen in A13. Das macht einen Pay Gap von netto 300 bis 400 Euro monatlich, der vor allem Frauen trifft. Nach EU-Recht ist eine mittelbare (indirekte) Diskriminierung aufgrund des Geschlechts unzulässig. In verschiedenen Rechtsgutachten haben Jurist/innen mittlerweile dargelegt, dass es sich bei diesem Pay Gap um eine mittelbare geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen handelt. Entscheidend ist dabei neben der hohen Zahl von Frauen die Tatsache, dass die akademische Ausbildung zur Grundschullehrer/in heute mit zehn Semestern bis zum Master sowohl gleich lang ist als auch zunehmend die gleiche Anzahl an Leistungspunkten wie bei anderen Lehramtsstudiengängen voraussetzt.

Das Argument der kürzeren Ausbildung an pädagogischen Hochschulen ist damit hinfällig. Wie in der Kita bildet die niedrige Besoldung schon lange nicht mehr die hohen fachlichen Ansprüche an die pädagogische Arbeit an der Grundschule ab. Nun, da der Notstand in diesem Bereich und die Forderungen der Gewerkschaften den Druck erhöhen, reagieren einige Bundesländer. Berlin ist das erste, das ab 2018 Grundschullehrkräfte nach E13 (für angestellte Lehrkräfte) und A13 (verbeamtete Lehrkräfte) einstellt. Auch Brandenburg hat einen Stufenplan für eine entsprechende Anhebung aller Lehrkräfte nach A/E13 vereinbart und NRW will ebenfalls nachziehen.

Es wird deutlich, dass die Gender Pay Gaps im Bildungswesen sehr spezifisch sind. Denn es handelt sich um Berufsfelder, die zunehmend weiblich dominiert werden. An den Gymnasien sind mittlerweile 59,9 % Frauen tätig. An den Universitäten haben die Frauen die Männer sowohl hinsichtlich der Zahl an Absolvent/innen wie auch bei den Abschlussnoten längst überholt und es ist kein Geheimnis, dass sich Mädchen in der Schule leichter tun als Jungen. Schauen wir jedoch genauer auf die Bezahlung oder auf die erreichten Karrierestufen der Beschäftigten, zeigt sich ein anderes Bild. So gehen an den Hochschulen zwar noch fast die Hälfte der Promotionen an Frauen, spätestens dann prallen sie jedoch oft an die »gläserne Decke«. Von den Habilitierten stellen sie nur noch rund 28 % und bei der Professor/innenschaft liegt ihr Anteil bei gerade einmal 20 %. Oftmals prekäre Rahmenbedingungen sowie spezifische Mechanismen im Wissenschaftsbetrieb wirken gerade für Frauen als individuelles Karrierehemmnis.

An den Grundschulen und Kitas läuft es ähnlich: Schauen wir uns die Leitungspositionen an, tauchen auf einmal häufig Männer auf. Das hat mehrere Ursachen. Die Hürde, eine Schul- oder Kitaleitung zu übernehmen, ist hoch, da sich die Leitungsaufgaben nicht angemessen auf dem Gehaltszettel widerspiegeln: Es gibt höchstens kleine Zulagen, teilweise nicht mehr als 200 Euro monatlich, sowie wenige Freistellungsstunden. In der Wirtschaft wäre das unvorstellbar. Der Anreiz für Erzieherinnen und Lehrerinnen diese verantwortungsvolle Position zu übernehmen, ist also klein – insbesondere, wenn sie die Doppelbelastung von Familie und Beruf tragen. Eine zentrale Forderung ist daher auch eine deutliche Aufwertung der Leitungspositionen in Kitas und Grundschulen durch eine bessere Bezahlung und mehr Freistellung.

Hinter und vor uns liegt eine lange und steinige Wegstrecke. Doch nicht zuletzt durch den Druck innerhalb der Gesellschaft und durch den Fachkräftemangel an Grundschulen und Kitas, der Ausdruck des jahrelangen politischen Versagens ist, werden und müssen die Gehälter deutlich steigen. Es ist längst an der Zeit, alte Besoldungs- und Tarifsysteme den Realitäten anzupassen und die Berufe aufzuwerten.

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