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Philipp Adorf sieht die Erfolgsbasis der Republikaner in ihrem latenten Rassismus Partei der Weißen

Seit Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Republikaner die Mehrzahl der US-Präsidenten gestellt, seit 1994 mit Ausnahme dreier – u. a. der letzten zwei – Legislaturperioden stets die Mehrheit im Repräsentantenhaus innegehabt und auch oft genug diejenige im US-Senat. Wenn man außerdem sieht, dass seit Anfang der 70er-Jahre auch der Supreme Court durchgehend von Richtern beherrscht ist, die von republikanischen Präsidenten ernannt wurden, dass die meisten Gouverneure von Republikanern gestellt und die Mehrzahl der Legislativen in den 50 US-Staaten von Republikanern beherrscht werden, ist es nicht ganz ungerechtfertigt zu sagen, dass die Republikaner nach Kriegsende die wohl dominierende Partei in den USA waren. Was ist die Erklärung für diesen anscheinend recht dauerhaften Erfolg der G.O.P., der Grand Old Party, wie die Partei Abraham Lincolns oft genannt wird, und wie kommt es, dass mit dem Populisten Trump jemand ins Weiße Haus einziehen konnte, dessen Politik und Regierungsstil auf den ersten Blick so diametral der bisherigen Praxis auch seiner republikanischen Amtsvorgänger entgegengesetzt zu sein schien?

Philipp Adorf, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, erklärt den Erfolg der Republikaner im Wesentlichen damit, dass sie sich seit 1964 eine Strategie angeeignet haben, mit der sie die alten Confederacy-Staaten des Südens, die seit dem Bürgerkrieg von Demokraten beherrscht waren, auf Dauer in ihr Lager brachten. Mit dieser Bastion im Rücken war für Republikaner sowohl die Mehrheit im Electoral College und damit das Weiße Haus, wie auch die Mehrheit in den beiden Häusern des Kongresses stets in Griffweite. Dazu bedurfte es jedoch einer grundsätzlich anderen Ausrichtung als die der Parteigründer, die eng mit dem Kampf gegen die Sklaverei verbunden waren, und daher mit den herrschenden weißen Kräften der Südstaaten nicht auf gutem Fuße standen, besonders als die siegreiche Union, getrieben vor allem von den Republikanern, nach dem Bürgerkrieg die Gleichberechtigung der früheren Sklaven im Süden mittels föderaler Gewalt umzusetzen versuchte. Als der diesbezügliche Elan der G.O.P. langsam nachließ, gewannen die alten weißen Eliten aber wieder die Oberhand. Mittels Gesetzen, die den Schwarzen die Bürgerrechte weitgehend vorenthielten bzw. wieder entzogen (sogenannte Jim Crow laws), kehrte man, auch wenn es offiziell keine Sklaverei mehr gab, quasi zu den alten Zuständen zurück. Die Demokraten, die diesen politischen Kurs repräsentierten, waren die unumstrittenen politischen Herrscher in den Südstaaten, während die Republikaner als diejenigen galten, die den Weißen ihre alten Privilegien genommen hatten. Auch wenn sich die demokratische Partei in der restlichen Union anders entwickelte, war ihre Dominanz auf Bundesebene doch durch ihre Südstaatenbastion gesichert.

Nach Adorf läutete dann aber die Präsidentschaftskandidatur von Barry Goldwater, der 1964 gegen Lyndon B. Johnson antrat, mit der von ihm angewandten Southern Strategy eine Wende ein. Mit dieser Strategie bemühten sich die Republikaner, den Demokraten die Südstaaten dadurch zu entreißen, dass sie bewusst an die rassistischen Ressentiments der dortigen weißen Bevölkerung appellierten. Ohne sich offen rassistisch zu geben, machte man sich weiße Statusängste zunutze und präsentierte sich als eigentlicher Repräsentant der Weißen in den Südstaaten. Erleichtert wurde die Zielsetzung dadurch, dass sich die Demokratische Partei außerhalb des Südens zunehmend als treibende Kraft für die Gleichstellung der Schwarzen gerierte. Zwar verlor Goldwater die Präsidentschaftswahl erdrutschartig gegen Johnson. Zum ersten Mal schaffte es allerdings ein Republikaner, Südstaaten, und dabei gleich fünf, für sich gewinnen zu können. Was Goldwater begonnen hatte, wurde von Richard Nixon und Ronald Reagan aufgegriffen und perfektioniert. Beiden gelang es, den von den Demokraten geförderten Sozialstaat als ein Umverteilungsinstrument zugunsten der Schwarzen darzustellen, womit sie auch solche weißen Wähler gewinnen konnten, denen ihre Politik eigentlich schadete. Die Taktik bestand darin, niemals das Wort race zu erwähnen, aber für die Wähler doch klarwerden zu lassen, was gemeint war. So sprach Nixon vom »Dschungel«, Reagan von den »inner cities«. Die angesprochenen weißen Wähler wussten, dass damit die Schwarzen angesprochen waren. Auf diese Weise gewann Nixon im Süden 80 % der weißen Stimmen. Reagan machte weiter, wo Nixon aufgehört hatte, verstand es darüber hinaus aber, die christlich-konservativen, meist evangelikalen Wähler anzusprechen. Hatte er als kalifornischer Gouverneur noch eines der liberalsten Abtreibungsgesetze unterzeichnet, gab er sich als Präsident als Gegner der die Abtreibung liberalisierenden Supreme Court-Entscheidung Roe v. Wade und auch von Urteilen, die Gebete in Schulen untersagten. Indem er den christlich-konservativen Mythos des amerikanischen als des auserwählten Volkes unterstützte, machte er die konservativen südstaatlichen Evangelikalen, ohne eigentlich viel für sie zu tun, zu treuen republikanischen Wählern.

Für Adorf stellte Trumps Erfolg im Jahre 2016 nicht, wie viele Establishment-Republikaner dies oft charakterisieren, als eine feindliche Übernahme der Partei dar. Ganz im Gegenteil. Auch wenn er vielleicht der erste republikanische Präsidentschaftskandidat war, der mit einer offenen Anti-Minoritäten-Botschaft ins Weiße Haus einzog, sieht ihn der Autor gleichwohl in einer Linie mit Goldwater, Nixon und Reagan. Es waren nicht Erstwähler, die Trump zum Sieg verhalfen. Vielmehr appellierte Trump an dieselben rassistischen Ressentiments wie seine Vorgänger. Auch die wegen des (knappen) Gewinns von früher demokratisch beherrschten Industriestaaten durch Trump oft hervorgehobene Proletarisierung der Republikanischen Partei ist für den Autor nichts Neues, sondern hatte bereits vor 50 Jahren begonnen. Mit der von Trump angewandten, aber bereits früher begonnenen Strategie sind die Republikaner nach Meinung des Autors nun im Wesentlichen »zu einer Partei von Vorurteilen gegenüber Minderheiten durchdrungener weißer christlich-konservativer Wähler geworden«, wobei »weiß« nicht die hispanics einschließt.

Adorf deutet aber auch an, dass die in der Vergangenheit so erfolgreiche Strategie für die Zukunft kaum erfolgversprechend sein dürfte, denn die demografische Entwicklung in den USA spricht gegen die Republikaner. Das Bevölkerungswachstum im Lande wird nämlich fast ausschließlich von den gegenwärtigen ethnischen Minderheiten getragen, besonders den hispanics. Deren Einstellung zur Rolle des Staates ist aber eine andere als die der gegenwärtigen G.O.P.-Wähler. Sie sehen mehrheitlich einen aktiven Staat mit sozialen Programmen anders als die herkömmliche republikanische Doktrin als etwas Positives an. Auch die jüngere Wählerschaft, die bereits bei den Zwischenwahlen 2018 weit besser aktiviert werden konnte als noch bei Trumps Wahl im Jahre 2016, scheint mehr nach links orientiert. Das starke Abstellen auf die christlich-konservativen Wertvorstellungen einer besonders aktiven evangelikalen Stammwählerschaft schreckt zudem die immer säkularer werdende Gesamtbevölkerung ab, kann aber von den Republikanern nicht geändert werden, wenn der starke Rückhalt in diesem Wählersegment nicht verloren gehen soll. Das Anziehen der vom Bildungsgrad, nicht vom Einkommen her definierten, von den Republikanern in zunehmendem Maße hofierten Arbeiterschaft scheint zwar auf den ersten Blick eine vorteilhafte Entwicklung für sie zu sein, denn damit werden den Demokraten traditionelle Bereiche ihrer Wählerschaft abgenommen. Bedenkt man aber, dass die aktive Wählerschaft in den USA immer gebildeter wird, also meist einen College-Abschluss besitzt, und dass unter den Wählern mit Hochschulabschluss die Demokraten inzwischen einen klaren Vorsprung haben, ist der Zugewinn an weißen Wählern ohne College-Abschluss nicht in der Lage, das drohende Defizit zu kompensieren.

Wie aber kann eine Partei, die sich einer solchen, für sie höchst ungünstigen demografischen Entwicklung gegenübersieht, dennoch an der Macht bleiben? Adorf bezeichnet die von den Republikanern dazu eingesetzten Mittel als demokratisch höchst zweifelhaft. Einerseits haben sie es über ihre Vormachtstellung in den Einzelstaaten geschafft, die Kongresswahlkreise so zu gestalten (sogenanntes gerrymandering), dass sie trotz Stimmenübergewichts der Demokraten oft mehr Sitze im Repräsentantenhaus erlangen als diese. Auch das System des Electoral College, bei dem kleinere Staaten proportional überrepräsentiert sind, hilft den Republikanern. Nur bei einer Präsidentschaftswahl seit 1992 haben die Republikaner nämlich landesweit die meisten Stimmen (das sogenannte popular vote) gewinnen können. Gleichwohl konnten sie zweimal die Präsidentschaft erringen, Trump im Jahre 2016 gar mit einem Rückstand von fast drei Millionen Stimmen auf seine Konkurrentin Hillary Clinton. Ist das System des Electoral College durch die Verfassung vorgegeben, liegen andere Mittel, auf die die Republikaner zwecks Machterhaltung zurückgreifen, am Rande, wenn nicht außerhalb der Legalität. Dazu gehört das Bemühen, Angehörigen von Minderheiten, insbesondere Schwarzen, die Stimmabgabe zu erschweren. So werden seit einiger Zeit mit dem vorgeschobenen, weil durch Untersuchungen klar widerlegten Argument, man müsse – gar nicht vorhandenen – Wahlbetrug verhindern, immer mehr Hürden für die Stimmabgabe errichtet, zum Beispiel die Notwendigkeit, Identifikationsdokumente vorzuzeigen, welches besonders ärmere Minderheitenangehörige in den USA häufig nicht besitzen. In Georgia wurden (vor der letzten Wahl) Wahllokale in Wohngebieten der Schwarzen geschlossen. Inaktive Wähler wurden in Ohio mit Zustimmung des republikanisch dominiertenU.S. Supreme Court von den Wählerlisten gestrichten, und auch die Bemühungen, im Angesicht der Coronakrise die Briefwahl zu erleichtern, stieß in vielen republikanisch regierten Einzelstaaten nur deshalb auf Widerstand, weil erwartet wurde, dass vor allem demokratische Wähler sich dieser Form der Stimmabgabe bedienten. Das Verhalten Trumps, demokratische Briefwahlstimmen als betrügerisch hinzustellen, setzte dem Ganzen dann die Krone auf.

Philipp Adorf hat in seiner Untersuchung einen wichtigen Aspekt der Republikanischen Partei in den USA zum Vorschein gebracht, der oft übersehen oder in seiner Tragweite verkannt wird. Das ist das unbestreitbare Verdienst seines Buches. Gleichwohl scheint mir, dass er die Partei aber auch etwas zu eindimensional betrachtet. Der Leser erfährt nicht einmal, welche Politiken die G.O.P. im wirtschaftlichen oder auch außenpolitischen oder militärischen Bereich verfolgt bzw. verfolgt hat. In seinem Bemühen, Trump als das folgerichtige Ergebnis bisheriger, rassistisch geprägter republikanischer Wahlstrategien darzustellen, werden einige Nuancen vernachlässigt. Es mag ja durchaus richtig sein, dass typische republikanische Programmpunkte wie strikte Haushaltspolitik oder auch Antikommunismus entgegen bisheriger Einschätzung nicht die eigentlichen Motivationspunkte für die republikanische Wählerschaft sind, sondern dass inzwischen die populistisch-nativistische Linie Trumps für die meisten republikanischen Wähler wichtiger ist als die früher als Kernpunkte republikanischer Politik angesehenen Anschauungen. Die Wahlkampfstrategie bei Präsidentschaftswahlen ist aber nicht immer kongruent mit republikanischen Politikansätzen in jedem Einzelstaat. Oder ist vielleicht die mit der Southern Strategy begonnene Transformation nur noch nicht abgeschlossen? Auch wenn Trump die republikanische Stammwählerschaft trotz all seiner Eskapaden und Unberechenbarkeiten, die so manchem im alten G.O.P.-Establishment zuwider sind, sicher hinter sich weiß, kann die Republikanische Partei nicht nur aus dem rassischen Blickwinkel betrachtet werden. Mit keinem Wort erwähnt wird vom Autor zum Beispiel, dass es vor allem – und nicht nur weiße – Männer sind, die republikanisch wählen, während Frauen in der Mehrzahl für Demokraten stimmen. Auch darauf, dass vor allem Senioren ausschlaggebend für viele republikanische Erfolge waren, und auf das Stadt-Land-Gefälle muss geschaut werden, wenngleich bei beidem sicherlich ein Zusammenhang mit dem rassistischen Appeal besteht. In der kommenden Zeit werden natürlich bei der Betrachtung der republikanischen Partei die Ereignisse vor dem letzten Regierungswechsel im Vordergrund zu stehen haben. Wenngleich Adorfs Buch noch vor den letzten Präsidentschaftswahlen verfasst wurde, liefert es eine Erklärung, die auch bei der weiteren Analyse der Partei nützlich ist.

Phillip Adorf: Die Republikanische Partei in den USA. UKV (UTB Nr. 5238), München 2019, 267 S., 19,99 €.

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