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Wie die neuen Medien die Arbeit der Parteien beeinflussen Politik 2.0

Das Internet hat mittlerweile weite Teile des menschlichen Lebens durchdrungen. Daher ist es nur logisch, dass dessen Potenziale auch im Hinblick auf die Reform der repräsentativen Demokratie im Allgemeinen und der Parteien im Besonderen diskutiert werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund der vielseitigen Herausforderungen, denen sich Parteien in modernen Demokratien stellen müssen. Sie haben als Partizipationsraum an Attraktivität verloren. Zum einen, weil sich die Form des politischen Engagements verändert: Es wird kurzfristiger, punktueller und unabhängiger von Großorganisationen. Zum anderen, weil das Vertrauen in diese Institution verloren gegangen ist. Hinzu kommt, dass die Bürger mit partizipationsrelevanten Ressourcen viel besser ausgestattet sind, was zu einer Veränderung der Ansprüche an Partizipation geführt hat, zumindest in Teilen der Bevölkerung.

Angesichts dieser Herausforderungen suchen Parteien nach neuen Wegen, um die Verbindung zur gesellschaftlichen Basis zu erneuern und ihre Stellung als zentrale intermediäre Akteure zu erhalten. Dem Internet wird dabei die Fähigkeit zugesprochen, der zunehmenden Entfremdung zwischen Parteien und Gesellschaft durch eine Demokratisierung innerparteilicher Willensbildungs- und Entscheidungsfindungsprozesse entgegenwirken zu können (»Demokratisierungsthese«), denn es bietet alternative Möglichkeiten für soziale Interaktion, Kommunikation, Partizipation und Organisation. Mit der technologischen Weiterentwicklung des Web 1.0 zum Web 2.0 als betont soziales und interaktives Medium wurde diese Debatte neu entfacht.

Diesen Potenzialen stehen aber auch neue Anforderungen gegenüber, die entweder an Parteien herangetragen werden oder innerhalb derselben entstehen. Gerade das Web 2.0 wird deshalb als Herausforderung für die etablierten Parteien betrachtet, weil dessen spezifische Charakteristika dem etablierten Muster der Politikvermittlung genauso wie der Top-down-Funktions- und Organisationslogik etablierter Parteien widersprechen. Deshalb steht der »Demokratisierungsthese« die These gegenüber, dass die Chancen des Web 2.0 durch die Politik bewusst nicht ausgenutzt werden, um nicht an Kontrolle und Macht zu verlieren. Die Nutzung der neuen Medien durch die Parteien sei deshalb als Symbolpolitik zu verstehen.

Vor dem Hintergrund dieses Spannungsfeldes lohnt sich ein Blick darauf, was das Internet mit den Parteien macht und was die Parteien mit dem Internet machen.

Zunächst einmal erzeugt die weite Verbreitung des Internets für die Parteien einen gewissen Anpassungsdruck. Folgt man Larry Downes’ Laws of Disruption, sind Parteien als pfadabhängige Organisationen im Hinblick auf die Adaption von Innovationen im Nachteil: Sie wandeln sich nur schrittweise und stehen deshalb im Konflikt mit den Erwartungen der Bürger, die medientechnologische Innovationen schneller adaptieren. Sie bilden neue Formen der sozialen Interaktion heraus, kommunizieren und informieren sich anders, woraus neue Ansprüche an öffentliche Kommunikation erwachsen. Zudem entstehen neue politische Akteure, die sich die technologischen Potenziale der neuen Medien besser als die Parteien zunutze machen können und mit jenen in Konkurrenz um öffentliche Aufmerksamkeit und partizipationswillige Bürger stehen. Aber auch neue Parteien können organisatorische Defizite ausgleichen und ihre Mitglieder online mobilisieren, was aktuell am Beispiel der AfD zu beobachten ist. Dies hat Auswirkungen auf den Parteienwettbewerb.

Durch Auflösung des klassischen Sender-Empfänger-Prinzips im Internet geraten Parteien mitunter auch innerparteilich unter Druck, da die strategische Kommunikation sowie die innerparteiliche Machtverteilung negativ beeinflusst werden kann. Insgesamt kann eine Dezentralisierung der politischen Kommunikation insbesondere in den sozialen Netzwerken beobachtet werden, die eine Top-down gesteuerte Parteienkommunikation erschwert.

Zwischen Information und Partizipation

Die etablierten Parteien in Deutschland haben auf die veränderten Umweltbedingungen reagiert. Nicht zuletzt, weil das Internet ihnen trotz der genannten Herausforderungen enorme Chancen eröffnet. In den Parteizentralen wurden entsprechende neue Strukturen und Arbeitsbereiche geschaffen. Seit der Einrichtung der ersten Partei-Homepages Mitte der 90er Jahre ist das Internet aus der Parteienkommunikation nicht mehr wegzudenken. Spätestens seit der Bundestagswahl 1998 galt jeder folgende Wahlkampf als »Internetwahlkampf«. Auch mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl wird dem Internet eine entscheidende Rolle zugesprochen, wobei sich nach den Vorkommnissen im Kontext der US-Wahl die Vorzeichen etwas verändert haben.

Betrachtet man die Nutzung des Internets durch die Parteien von Beginn an bis heute, dann fällt auf, dass diese im Wesentlichen die technologischen Entwicklungsstufen und allgemeine Nutzungstrends der Bevölkerung widerspiegelt. Insgesamt nutzen die Parteien das Internet nach wie vor in erster Linie zur Informationskommunikation, da sie online direkt und zielgruppenspezifisch kommunizieren können. Glaubt man aktuellen Berichten rund um den US-Wahlkampf, dann hat das »Micro-Targeting« aufgrund der Möglichkeiten von Big Data eine ganz neue Stufe erreicht. Dabei stehen die Parteien wiederum vor der Herausforderung, dass längst nicht alle Kommentare, die im Netz geäußert werden, von den eigenen Bürgern und schon gar nicht von realen Personen stammen. Über die in jüngster Vergangenheit diskutierten »Social Bots« werden öffentliche Diskurse gezielt beeinflusst. Wie mit dieser Herausforderung umzugehen ist, ist Gegenstand aktueller Debatten.

Insgesamt haben die Parteien ihr Informationsangebot deutlich ausgeweitet, nicht zuletzt aufgrund der vielen Kommunikationskanäle, die im Internet zur Verfügung stehen. Um diese zu bespielen, gleichen die Parteien inzwischen mitunter kleinen Medienhäusern und produzieren professionellen Standards entsprechend Text-, Video-, Ton- und Bildmaterial. Dieses kann wiederum für die Unterstützer als Vorlage zum Teilen in den sozialen Medien über die parteieigenen Mediatheken zur Verfügung gestellt werden. So erhöht sich die Reichweite dieser Inhalte jenseits der zentralen Homepages der Parteien, die inzwischen mit den Profilen der Parteien in den sozialen Medien vernetzt sind. Im Idealfall entsteht so ein Kommunikationsnetzwerk, über das einheitliche Botschaften versendet werden können.

Neben der Nutzung des Internets zur Information spielt die Onlinepartizipation in Parteien eine zunehmend wichtige Rolle. Die Parteien haben auf die Veränderung in der Partizipations- und Bindebereitschaft der Bürger reagiert und nicht zuletzt durch Möglichkeiten der Onlinepartizipation zeitlich begrenzte und themenbezogene Partizipationsformate geschaffen. Dabei stehen die Parteien vor der Schwierigkeit, dass Onlinepartizipation nicht automatisch in (langfristiges) Engagement für die Parteien umschlägt. So ist ein »Like« einfach vergeben, stärkt die Parteien aber nicht nachhaltig.

Folgt man der Konzeption politischer Partizipation in Parteien als zweistufigem Prozess, mit der Entscheidung zur Mitgliedschaft als erster Stufe, dann nutzen die Parteien das Internet, um Zugangshürden abzubauen. Als ein Beispiel dafür kann die seit Anfang der Nullerjahre von den Parteien sukzessive eingeführte Möglichkeit zum Onlinebeitritt verstanden werden. Zusätzlich wird seit einiger Zeit versucht, temporär engagementbereite Bürger insbesondere in ressourcenintensiven Wahlkampfzeiten über spezielle Unterstützerportale an die Parteien zu binden.

Aber auch die Zugangsmöglichkeiten zur aktiven Parteiarbeit, als zweite Stufe der parteibezogenen Partizipation, haben sich durch Onlineangebote verändert. Dabei beteiligen die Parteien Mitglieder und Nichtmitglieder in erster Linie an der programmatischen Arbeit. Die Angebote reichen von Ideensammlungen und Zukunftsdialogen über die Antragserarbeitung im Rahmen von Parteitagen bis hin zur Mitgestaltung von Parteiprogrammen.

Dabei müssen Parteien sorgfältig darauf achten, die formale Mitgliedschaft nicht auszuhöhlen. Bei der Onlinebeteiligung, aber auch bei der Onlinekommunikation der Parteien insgesamt wird deshalb eine zweigleisige Strategie verfolgt: In der Regel haben die formalen Mitglieder weitreichendere Mitsprachemöglichkeiten als die Nichtmitglieder und werden z. B. über die Onlinemitgliedernetze der Parteien regelmäßig beteiligt. Des Weiteren stehen den Mitgliedern mitunter andere Partizipationsmöglichkeiten als den Nichtmitgliedern zur Verfügung wie z. B. Chats oder Videokonferenzen mit Fachpolitikern.

Blickt man auf die Nutzung des Internets durch die Parteien, dann erscheint es so, als ob eine klare Strategie nach wie vor fehlt bzw. sich erst noch entwickelt. Die Parteien folgen vielmehr einer Mode statt selbst Trends zu setzen. Das ist schade, denn es verbaut die Chance, die Potenziale der neuen Medien für die Parteiarbeit nutzbar zu machen. Auch bleibt so der Vorwurf im Raum, die Onlineangebote seien mehr schöner Schein als ernst gemeinte Interaktionsangebote. Außerdem verlieren die damit gesendeten Signale der Offenheit und Modernität an mobilisierender Wirkung und verursachen im schlimmsten Fall eine Abkehr von den Parteien.

Die Parteien sollten versuchen, sich die neuen Medien besser zu eigen zu machen. Sie sollten sich von den großen Plattformen wie Facebook oder Twitter emanzipieren und Anwendungen entwickeln, die besser auf die Prozesse innerparteilicher Willensbildung und Entscheidungsfindung zugeschnitten sind. Nur so lassen sich Online- und Offlinestrukturen besser miteinander in Einklang bringen. In Ansätzen ist dies zu beobachten.

Das soll aber nicht bedeuten, dass die Parteien nicht auf großen sozialen Netzwerken präsent sein sollten, im Gegenteil: Gerade in Zeiten von »Fake News« braucht es die Stimme der demokratischen Parteien.

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