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Rechte Medienstrategien

Sie brüllen »Lügenpresse« und wollen die GEZ abschaffen, aber gleichzeitig wollen sie in die Zeitungen und in die Talkshows: Die rechte Sphäre hat einerseits ein angespanntes Verhältnis zu journalistischen Medien, die sie aber andererseits aufgrund der Reichweiten zu schätzen wissen. Für die Selbstversicherung und Ideologisierung gibt es daneben aber auch ein großes Konglomerat eigener, »alternativer« Medien für die Verbreitung von Menschenverachtung und Propaganda – am liebsten im Internet.

Geradezu überschaubar war die Welt der rechten Publizistik noch vor zehn Jahren, als die Verbreitung rechtsextremen, rassistischen und demokratiefeindlichen Gedankenguts hauptsächlich über mehr oder weniger professionell gemachte Magazine, Zeitungen und Flugblätter auf Demonstrationen erfolgte. Bei allen rechtsextremen Publikationen war die Reichweite begrenzt und lag immer im unteren fünfstelligen Bereich (so hatte etwa die NPD-Zeitung Deutsche Stimme laut Verfassungsschutzbericht von 2006 eine Auflage von rund 21.000, die Junge Freiheit lag 2007 bei etwa 15.000 Exemplaren pro Woche). Sie zielten zur Bindung und Bekräftigung in die eigene Szene, hatten aber wenig Attraktivität außerhalb dieser. Und wenn sie nicht verkauft wurden, konnten Kioske sie schnell aus dem Sortiment entfernen. Jugendliche wurden über gebrannte »Schulhof-CDs« zu ködern versucht – die aber schnell in Mülltonnen landeten.

Natürlich gibt es auch heute noch rechte Printpublikationen, etwa das rechtsextreme, nach eigener Darstellung »neurechte« Magazin Sezession mit einer Auflage von 3.000 nach eigener Angabe (n. e. A.) oder das ebenfalls neurechte Magazin eigentümlich frei (Auflage 8.000 n. e. A.). Erfolgreicher ist die rechtskonservative bis rechtspopulistische Wochenzeitung Junge Freiheit, die inzwischen rund 35.000 Exemplare pro Woche verkauft. Und bisweilen gibt es gar Neugründungen, wie das im September 2017 erstveröffentlichte rechtskonservativ-rechtspopulistische Magazin Cato – Magazin für neue Sachlichkeit (Startauflage 50.000 n. e. A.), das schon durch seine Autor/innen – u. a. Karlheinz Weißmann, Nicolaus Fest, Michael Klonovsky – eine große Nähe zur AfD aufweist, und das den Identitären nahestehende Jugendmagazin Arcadi, das »neue Kultur- und Lifestyle-Magazin« (Auflage 1.000 laut rechtem Blog »Journalistenwatch«).

Doch vor allem gibt es für die rechte Sphäre das Internet und die sozialen Netzwerke, wo sich Rechtsextreme, Rechtspopulist/innen, Islamfeind/innen, Antisemit/innen, Männerrechtler, Verschwörungsideolog/innen und Alltagsrassist/innen zu einem Netzwerk permanenter Empörung und permanenten Hasses verbinden. In diesem Feld sind die rechten Medien zentrale Akteure und erzielen viel größere Reichweiten als im Printbereich. Das Magazin COMPACT etwa – Shootingstar der rechtspopulistisch-rechtsextrem-islamfeindlichen Querfront-Szene der letzten Jahre – hat laut eigenen Mediadaten eine Auflage von 75.000 pro Monat. Die Website von COMPACT hat laut Similarweb im Februar 2018 rund eine Million Besucher/innen, allein auf Facebook hat das Magazin rund 93.000 Fans. COMPACT ist spezialisiert auf rechtspopulistische Dramatisierungen und Falschinterpretationen. Beispielhaft die Schlagzeilen vom 22. März 2018: »Patriot Putin – Partner für Europa«, »USA vs. China – Endkampf um die neue Weltordnung«, »Riesenerfolg auf der Buchmesse – Linke Zensoren gescheitert«, »Akademiker-Aufstand gegen Merkel« (gemeint ist die »Erklärung 2018«) oder »US-Studenten wollen ›Vielfalt‹ statt Meinungsfreiheit«. Da sind toxische Erzählungen wie »Der Untergang ist nah« oder »Aber auch der Widerstand ist da« in Schlagzeilen gegossen – so soll bei den Lesenden ein Handlungsdruck erzeugt werden.

COMPACT ist mittlerweile meinungsbildend für die gesamte rechte Sphäre im Internet, die mit der permanenten Verbreitung von Hass auf Minderheiten und Andersdenkende an einem Ziel arbeitet, das auch der COMPACT-Herausgeber Jürgen Elsässer im Gespräch mit dem »neurechten« Verleger Götz Kubitschek auf der Leipziger Buchmesse ganz offen benannte: Man wolle als »alternatives Medium« mit daran arbeiten »das System [zu] stürzen«. Gemeint ist damit nicht nur die amtierende Regierung, sondern gleich die parlamentarische Demokratie insgesamt. Götz Kubitschek war übrigens auch Gast bei der Diskussion am 8. März in Dresden, bei der sich der Schriftsteller Uwe Tellkamp wie ein lebender rechter Facebook-Feed gerierte und von »Gesinnungskorridoren« in den »Mainstreammedien« und einem »linksliberalen Meinungskartell« sprach. Kubitschek gefiel das. Er meldete sich mit der Frage: »Sind Sie nicht der Meinung, dass der Riss, der durch die Gesellschaft geht, unbedingt sein muss? (…) Also ich bin strikt dafür, dass der Riss noch tiefer wird, dass die Sprache noch deutlicher, noch konkreter wird.«

Neben Elsässer ist Götz Kubitschek aktuell die zweite wesentliche Medienfigur der rechten Sphäre. Zwar verlegt er mit Sezession (Auflage: 3.000) nur eine Zeitschrift, deren Texte sich in pseudowissenschaftlichem Sprachduktus viel Gewichtigkeit zu geben versuchen. Im Internet verzeichnete sezession.de laut Similarweb im Februar 2018 allerdings etwa rund 350.000 Besuche. Auch durch seine Umtriebigkeit gewinnt Kubitschek an Gewicht: Am ebenfalls von ihm betriebenen »Institut für Staatspolitik« treffen sich die Teile der rechten Sphäre, die sich selbst für intellektuell führend halten. Mit seinem Antaios-Buchverlag verlegt er nicht nur für Rechtsextreme wichtige Theorieschriften, wie die von Armin Mohler, sondern sorgt auch schon seit Jahren dafür, dass Buchmessen zu Anziehungspunkten für Rechtsextreme werden. Selbstredend ist er auch mit Elsässer, AfD-Funktionären und Burschenschaftlern der flüchtlingsfeindlichen Crowdfunding-Organisation »Ein Prozent für Deutschland« verbunden. Das Internet macht’s möglich.

Websites, Kommentarspalten und soziale Netzwerke bieten einen Verbreitungsweg für Informationen, aber zugleich auch Vernetzung, Anregung, Mobilisierung und für viele Anhänger/innen der rechten Sphäre eine eigene Lebenswelt – und zwar eine, in der auch Rassist/innen, Verschwörungsideolog/innen oder Antisemit/innen einmal die Meinungsführerschaft übernehmen können. Online erreichen rechte Ideolog/innen Menschen direkt und rund um die Uhr. Rechtsextreme Webseiten und (Tumblr-)Blogs verbreiten Demotermine und Aufrufe zum Shitstorm, ermöglichen rechtsextremen Lifestyle vom Versandhandel bis zu rassistischen Sprühvorlagen für rechtsextreme Sprayer/innen oder Internetphänomene (Memes) im Stil von Justgirlythings für die rassistisch-nationalistische Instagrammerin. Blogs, die sich an die amerikanische »Alt-Right«-Bewegung anlehnen, veröffentlichen Memes von rechtspopulistischen Politiker/innen im Stile von »Pepe dem Frosch« oder mit Anleihen an Jugend- und Gamingkulturen.

Hass und der Schein von Seriosität

Den rechtsextremen Angeboten geht es dabei nicht unbedingt um die Überzeugung Andersdenkender: Einerseits verfolgen sie eine Wortergreifungsstrategie, um Raum einzunehmen und Hassreden, islamfeindliche und rassistische Äußerungen so oft zu wiederholen, bis die fehlerhaften Zusammenhänge etwa zu Kriminalität und Geflüchteten wie Common Sense erscheinen (Stichwort: Framing). Vor allem geht es aber auch darum, Andersdenkende zu bedrohen und ihnen das (Online-)Leben so schwer zu machen, bis sie verstummen und sich zurückziehen. Sich als modern empfindende Nazis nennen das in Anlehnung an die amerikanische »Alt-Right«-Bewegung »Memetic Warfare«, also »Memetische Kriegsführung«: Über Kommunikationskanäle, wie aktuell etwa die parallel zu Computerspielen laufende Software »Discord«, verabreden sich rechte Internetnutzer/innen zu Hassattacken auf andere, die sie als politische Gegner/innen wahrnehmen. In Anleitungen wie dem geleakten »Handbuch für Medienguerillas« von einer Gruppe namens »D Generation« wird auch beschrieben, wie kein Register der Hasskommunikation ausgelassen werden soll: Neben mehr oder weniger »humorvollen Hass-Memes« (»Ein Gegner, der lacht, ist schon halb auf Deiner Seite.«) sollen auch Beleidigungen, Beschimpfungen zum Einsatz kommen. Das Hineinziehen von Familienmitgliedern wird empfohlen, und jede Blockierung als Kapitulation des »Gegners« und deshalb als Sieg verkauft. Dazu kommt eine kaum überschaubare Vielzahl sogenannter »alternativer« Medien. Sie haben eine zentrale Funktion, weil ihre Beiträge auch als vermeintliche »Belege« für rassistische oder demokratiefeindliche Argumente genutzt werden. Es sind Veröffentlichungen, die den Anschein von redaktioneller Betreuung erwecken und journalistisch wirken sollen, ohne die ethischen Grundsätze des Journalismus wie Ausgewogenheit der Berichterstattung, Recherche oder auch Gegendarstellungen zu verfolgen. Dazu gehören etwa muslimfeindliche Websites wie pi-news.net (»Politically Incorrect«) und unzensuriert.de (.at) oder neurechte Medien wie derfunke.info, Blogs wie Tägliche Einzelfälle oder Journalistenwatch. Mit oftmals erfundenen oder im Sinne der eigenen Ideologie zurechtgebogenen Erzählungen erreichen solche Websites viele Leser/innen – auch, weil sie Nutzer/innen, die sich nicht in der Szene auskennen, wie seriöse Medien erscheinen. In diesen Medien lauten einige Schlagzeilen (Beispiele vom 22. März): »Facebook-Fallbeil für Kirchenhistoriker in Islamdebatte« (pi-news.net), »Linke NSU-Zwangsaufklärung für deutsche Soldaten« (unzensuriert.de) oder »Messerland ist abgebrannt« (journalistenwatch.com). Es sind häufig vergiftete Erzählungen, die das Ziel haben, ein Bedrohungsszenario aufzubauen oder Einzelaktionen auf eine Gruppe von Menschen zu verallgemeinern, um diese Gruppe dann abwerten, dämonisieren oder entmenschlichen zu können. Ein vermeintliches »Wir« wird gegen ein feindlich verstandenes »Die« gesetzt. »Wir«, das ist die gewünschte »Volksgemeinschaft« – ein biologistisch-kulturalistisches Konstrukt. »Die« sind in diesem Kontext Menschen, die diesem Weltbild nicht entsprechen: mit Migrationshintergrund, muslimischem Glauben oder nicht-rechter politischer Einstellung.

Fans von verschwörungsideologisch angehauchtem Rassismus plus Etabliertenbashing sind auch die »Identitären«, die sich selbst gern »Bewegung« nennen, aber bundesweit nur über einen Kern von wenigen Hundert Engagierten verfügen. Doch das Internet ist geduldig und die »Identitären« versuchen hier, nicht ohne Erfolg, mit einem wie aus dem Marketinghandbuch durchgestylten Copy-and-Paste-Aktivismus vor allem Jugendliche anzusprechen. Für Menschen, die laut der Ideologie der »Identitären« zu Unrecht in Deutschland seien, hieße das »Remigration« – eine akademisch anmutende Wortneuschöpfung der »Identitären« für »Ausländer raus«. Interessant ist bei den »Identitären« ihre explizite Medienstrategie: Zum einen führen sie Aktionen durch, die ihren Sinn erst im Internet bekommen – etwa, als sie im Sommer 2016 Brunnenwasser in verschiedenen deutschen Städten rot färbten, hatte das für Passant/innen keine erkennbare Botschaft. Erst auf ihren Social-Media-Kanälen war dann zu lesen, dass damit gemahnt werden solle, es könne bald auch islamistisch motivierte Anschläge in Deutschland geben. Andererseits stand in einem im Sommer 2017 bekannt gewordenen, geheimen Strategiepapier der »Identitären« auch der explizite Wunsch, in nicht-rechte Print- und elektronische Medien zu kommen: Denn um die Mehrheitsgesellschaft zu erreichen, scheinen den Rechtsextremen die sonst so verhassten »Mainstreammedien« weiterhin unerlässlich.

Das übrigens eint die »Identitären« mit der AfD: In einem Strategiepapier der Partei zum Wahlkampf 2017 wird konsequente Provokation zum Erringen medialer Beachtung gefordert: »Die AfD muss – selbstverständlich im Rahmen und unter Betonung der freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Landes – ganz bewusst und ganz gezielt immer wieder politisch inkorrekt sein, zu klaren Worten greifen und auch vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken.«

Daneben ist die AfD auch eine große Internet-Erfolgsgeschichte: Auf Facebook hat sie aktuell fast 400.000 Fans – mehr als SPD und CDU zusammen. Erst kürzlich hat die Partei angekündigt, einen eigenen »Newsroom« mit 20 Mitarbeiter/innen in Berlin aufzubauen und so die eigene Medienmacht noch zu vergrößern. Die Logiken sozialer Netzwerke spielen der AfD dabei perfekt in die Karten: Provokationen erreichen hier etwa ihren maximalen Effekt. Die eigene Klientel ist begeistert und fühlt sich bestärkt. Zugleich handelt es sich um gläserne Echokammern, denn die Medien und politischen Gegner/innen können hineinsehen, berichten und sich dann darüber empören. Deshalb sind Medien gut beraten, diese Strategie zu durchschauen und lieber analytisch zu berichten. Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Wehling sagt dazu: »Ich werbe dafür, nicht jeden sprachlichen Köder der AfD zu schlucken und breitzutreten. Wenn wir Ideen wiederholen, propagieren wir sie in den Köpfen der Menschen – ob wir es wollen oder nicht. Selbst wenn wir ›dagegen‹ sind. Das Negieren von Ideen stärkt sie – denken Sie nicht an einen rosa Elefanten!«

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